• 30.06.2016, 16:18:30
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E-Zigaretten, Lohndumping & Co: Petitionsausschuss setzt Hearing fort

Abgeordnete befassen sich mit mehr als drei Dutzend Bürgeranliegen

Utl.: Abgeordnete befassen sich mit mehr als drei Dutzend
Bürgeranliegen =

Wien (PK) - Im zweiten Teil des heutigen Hearings im
Petitionsausschuss des Nationalrats ging es zunächst um eine
Bürgerinitiative, die gegen Lohn- und Sozialdumping bei privaten
Busunternehmen mobil macht. Außerdem setzten sich die Abgeordneten
mit der Forderung auseinander, das beschlossene Versandhandelsverbot
für E-Zigaretten wieder rückgängig zu machen. Unter dem Titel "Faire
Lebensmittel" macht sich eine große Gruppe von BürgerInnen für
regionale Herkunftsbezeichnungen stark. Konkrete inhaltliche
Beschlüsse fasste der Ausschuss nicht, für das Engagement der
InitiatorInnen gab es aber ausdrückliches Lob. Insgesamt standen
heute mehr als 40 Initiativen auf der Agenda des
Petitionsausschusses, wobei die Palette der Bürgeranliegen von der
verfassungsrechtlichen Absicherung des Bargelds über die
menschenwürdige Aufnahme von AsylwerberInnen bis hin zur Abschaffung
der ORF-Gebühren reichte.

Anwendung des Bestbieterprinzips bei Ausschreibung von Busleistungen

Auf Probleme mit Lohn- und Sozialdumping bei privaten Busunternehmen
macht eine von der Gewerkschaft "vida" initiierte Bürgerinitiative
(88/BI) aufmerksam. Da die Verkehrsverbünde in der Regel so genannte
Bruttoverträge mit den Busunternehmen abschließen und die Unternehmen
pro gefahrenem Kilometer bezahlen, hätten diese nur die Möglichkeit,
bei Gehältern und Sozialleistungen für die Beschäftigten zu sparen,
um konkurrenzfähig zu bleiben, geben die InitiatorInnen zu bedenken.

Diese Fehlentwicklung könnte nach Meinung des Gewerkschaftsvertreters
Karl Delfs gestoppt werden, würde im Bundesvergabegesetz eine Pflicht
zur Anwendung des Bestbieterprinzips bei der Ausschreibung von
Busleistungen verankert. Außerdem sprechen sich die
UnterzeichnerInnen der Bürgerinitiative für eine verbindliche
Berücksichtigung des vom Verkehrsministerium veröffentlichten
Leitfadens zu Qualitäts- und Sozialstandards sowie, im Falle eines
Betreiberwechsels, für eine Übernahme der am betroffenen Streckenlos
fahrenden BusfahrerInnen zu den bisherigen Konditionen aus.

Eine derartige Verpflichtung zur Personalübernahme sei durch die
einschlägige EU-Verordnung gedeckt, betonte Delfs im Ausschuss.
Andere EU-Länder würden davon Gebrauch machen. Das würde seiner
Meinung nach nicht nur für die betroffenen BusfahrerInnen große
Vorteile bringen, sondern auch der ausschreibenden Stelle und den
neuen Betreibern zugutekommen. Schließlich hätten diese sofort
qualifiziertes Personal zur Verfügung. Die Probleme sind laut Delfs
relativ neu, vor Geltung der 2009 in Kraft getretenen EU-Verordnung
seien Verkehrsdienstleistungen oft über Jahrzehnte im Verhandlungsweg
vergeben worden.

Die derzeitige Situation führe jedenfalls zum Teil zu skurrilen
Zuständen, veranschaulichte Delfs. Es sei schon vorgekommen, dass die
Busfahrer die Strecke nicht kannten oder die Routen nicht eingehalten
haben. Einmal habe man eine Haltestelle angefahren, am anderen Tag
nicht mehr. Auch eine Busflotte mit illegalen Kennzeichen und ohne
Fahrscheinentwerter sei bereits aufgetaucht.

Hauptproblem ist für Delfs jedoch die soziale Situation der
BusfahrerInnen. Sie müssten nach jeder neuen Auftragsvergabe - in der
Regel alle acht Jahre - wieder beim Grundlohn anfangen bzw.
Versetzungen weitab ihrer Heimatgemeinde in Kauf nehmen. Er hält es
außerdem für fragwürdig, dass bei Ausschreibungen zwar technische
Vorgaben wie das Alter oder die Farbe der Busse gemacht werden, aber
keine Qualitäts- und Sozialkriterien vorgegeben werden. Man brauche
eine rasche Entscheidung des Parlaments, damit die Busbranche nicht
vollständig in den Billiglohnsektor abdrifte, so Delfs.

Rückenwind bekam Delfs von SPÖ-Abgeordnetem Hermann Lipitsch. Es sei
wichtig, dass etwa bei Schülertransporten erfahrene Chauffeure
unterwegs seien, die auch eine Notfallsausbildung haben, sagte er.
Auch Christiane Brunner (G) wertete es als höchst an der Zeit,
gesetzliche Weichenstellungen im Vergaberecht vorzunehmen, wobei ihr
nicht nur soziale, sondern auch ökologische Kriterien wichtig sind.

Seitens der NEOS meinte Michael Pock, er verstehe die
Problembeschreibung, seine Fraktion habe sich aber noch keine
abschließende Meinung gebildet. Schließlich gehe es auch um einen
verantwortungsbewussten Einsatz von Steuergeld. Zudem sei die
Abgrenzung zu anderen Sektoren schwierig.

Delfs hielt dazu fest, dass ein Markt Regulierung brauche, wenn
Beschäftigte nicht mehr von ihrer Arbeit leben können. Als ein
positives Beispiel nannte er die Region Burgenland Nord, wo in der
Ausschreibung zumindest einige Qualitätskriterien verankert worden
waren. Die Bürgerinitiative soll nun dem Verfassungsausschuss
zugewiesen werden, der für das Bundesvergabegesetz zuständig ist.

E-Zigaretten: Bürgerinitiative macht gegen Versandhandelsverbot mobil

Um ein ganz anderes Thema geht es einer Gruppe von BürgerInnen, deren
Anliegen FPÖ-Abgeordneter Peter Wurm in Form einer Petition (65/PET)
an den Nationalrat herangetragen hat. Die UnterzeichnerInnen
fürchten, dass das vor kurzem vom Nationalrat beschlossene Verbot des
Versandhandels von E-Zigaretten und zugehörigen Liquids
österreichische Händler gegenüber ausländischer Konkurrenz massiv
benachteiligt. Außerdem widerspricht diese Regelung ihrer Meinung
nach dem Recht auf freien Handel und Warenverkehr in der EU. Auch die
Bestimmung, wonach für jedes neue Produkt um eine Zulassung angesucht
werden muss, und dieses erst nach einer längeren Frist in Verkehr
gebracht werden darf, wird abgelehnt.

Bekräftigt wurde die Kritik heute von Thomas Baburek, Obmann des
Dachverbands der österreichischen E-Dampfgerätehändler und
Liquidhersteller. Österreich habe viel striktere Regeln als andere
EU-Länder, klagte er und machte etwa geltend, dass ein
Versandhandelsverbot durch die EU-Tabakrichtlinie nicht geboten sei.

Er verschicke gesetzeskonform seit dem 21. Mai keine Pakete mehr an
Endkunden, schilderte Baburek. Seither habe er einen Umsatzrückgang
von 40%, obwohl kein einziger Kunde mit dem Dampfen aufgehört habe.
Vielmehr würden die Liquids in anderen EU-Ländern bestellt, eine
Einfuhr sei nicht kontrollierbar. Österreich verzichte damit auf
erhebliche Steuereinnahmen. Die Regierung habe bei der Erstellung des
Entwurfs zum Tabakgesetz auf die falschen ExpertInnen gehört, meinte
Baburek.

Nicht nachvollziehbar ist für Baburek das Argument des
Gesundheitsschutzes. Es gebe mehr als 1.000 Studien, die belegten,
dass das Dampfen nicht gesundheitsschädlich sei. Jedenfalls sei es um
95% weniger schädlich als das Rauchen von Tabak. Nach Meinung von
Baburek müssten E-Zigaretten wegen ihres Beitrags zur Rauchentwöhnung
eigentlich gefördert werden, wobei er grundsätzlich über die
Bezeichnung E-Zigarette unglücklich ist. Der Händler will die
gesetzlichen Bestimmungen jedenfalls beim Verfassungsgerichtshof
anfechten.

Die Beratungen über die Bürgerinitiative wurden mit SPÖ-ÖVP Mehrheit
durch Kenntnisnahme abgeschlossen. FPÖ-Abgeordneter Peter Wurm hatte
zuvor eine Zuweisung an den Gesundheitsausschuss beantragt, dafür
aber nur von den NEOS und von den Grünen dezidiert Unterstützung
erhalten. Die Grünen seien in Bezug auf die Frage der
Gesundheitsschädlichkeit von E-Zigaretten zwar einer anderen Meinung,
sagte Wolfgang Pirklhuber, er befürwortete es aber, sich im
Gesundheitsausschuss noch einmal die vorliegenden Daten und Fakten
anzuschauen. Leopold Steinbichler vom Team Stronach sieht in dieser
Frage die ExpertInnen gefordert. Seitens der ÖVP machte Friedrich
Ofenauer geltend, dass die Gesundheitsschädlichkeit von E-Zigaretten
wesentlich davon abhänge, welche Inhaltsstoffe die Liquids haben.

Ausdrücklich unterstützt wurden die Anliegen Babureks nicht nur von
FPÖ-Abgeordnetem Wurm, sondern auch von NEOS-Mandatar Michael Pock.
Er hält eine Novellierung des Tabakgesetzes für dringend notwendig.
Wurm stellte die Vermutung in den Raum, dass es aufgrund der
Einnahmen aus der Tabaksteuer kein wirkliches Interesse daran gebe,
den Zigarettenkonsum einzudämmen.

Bürgerinitiative fordert klare Herkunftsbezeichnung von Lebensmitteln

Mehr als 15.000 BürgerInnen haben bisher eine Bürgerinitiative
(80/BI) unterzeichnet, die sich im Sinne einer Förderung von
regionalen Produkten für eine klare Herkunftsbezeichnung von
Lebensmitteln einsetzt. Würde der Absatz heimischer Produkte dadurch
nur um 10% angekurbelt, könnten rund 10.000 Arbeitsplätze geschaffen
werden, verweisen die InitiatorInnen auf eine Studie der Johannes
Kepler Universität Linz. Neben den wirtschaftlichen Vorteilen führen
sie zudem die Lebensmittelsicherheit, die hohen Produktionsstandards
sowie die hohe Qualität österreichischer landwirtschaftlicher
Produkte und Lebensmittel ins Treffen. Ebenso würden sich aufgrund
der kürzeren Transportwege positive Effekte im Hinblick auf den
Klima- und den Umweltschutz ergeben.

Fritz Jeitler, einer der InitatorInnen des Vereins
"fairelebensmittel.at", wies im Ausschuss darauf hin, dass etwa
Italien, Frankreich, Deutschland und Ungarn erheblich mehr
Antibiotika in der Landwirtschaft einsetzen als Österreich. Außerhalb
der EU sei außerdem "Fleischdoping" durch Hormone gang und gäbe. So
werden Jeitler zufolge etwa in Südamerika die Stiere alle drei Monate
durch eine Halle getrieben, um ihnen einen neuen Hormonwachstumschip
einzupflanzen. Trotz des schon seit vier Jahren geltenden Verbots der
Käfighaltung von Legehennen in der EU stammten überdies mehr als 50%
der EU-weit verwendeten Eier aus Käfighaltung.

Er sei froh, dass Österreich in vielen Bereichen Vorreiter sei, sagte
Jeitler. Die Ware müsse aber erkennbar sein, um den KonsumentInnen
eine Entscheidungsmöglichkeit zu geben. Es gebe zwar viele
Gütesiegel, der Wildwuchs sei aber undurchschaubar. Jeitler ist zudem
überzeugt, dass man mit freiwilligen Deklarationen nicht weiter
kommt. Konkret forderte er unter anderem eine verpflichtende
Herkunftskennzeichnung auf Speisekarten. 86% der österreichischen
KonsumentInnen wollten wissen, was sie am Teller haben.

Gemäß einer einstimmigen Entscheidung im Petitionsausschuss wird sich
nun der Landwirtschaftsausschuss mit der Bürgerinitiative
beschäftigen. Der Ausschuss habe zu diesem Thema bereits eine
Entschließung gefasst, erklärte SPÖ-Abgeordneter Erwin Preiner. Er
ist sich sicher, dass das Wissen um die Inhaltsstoffe eines Produkts
für viele KonsumentInnen kaufentscheidend ist. Um EU-weit
einheitliche Herkunftsbezeichnungen durchzusetzen, brauche es
allerdings die Zustimmung und Mithilfe der anderen EU-Länder.

Für hochqualitative regionale Produkte seien die KonsumentInnen
bereit, einen höheren Preis zu zahlen, glaubt auch Grün-Abgeordnete
Christiane Brunner. Ihr Fraktionskollege Wolfgang Pirklhuber wies
darauf hin, dass es bei Gütesiegeln viele Trittbrettfahrer gebe.
Leopold Steinbichler (T) bemängelte, dass der Konsument derzeit keine
Chance habe, sich im Gütesiegel-Dschungel zurechtzufinden. Er wertet
außerdem Substitute und Ersatzprodukte als besonderes Problem.
Fleischlose Wurst enthalte etwa oft hohe Mengen an Palmfett, das
extrem schwer verdaulich sei.

Breite Themenpalette von Bürgeranliegen

Im Anschluss an das Hearing beriet der Ausschuss über eine Reihe
weiterer Bürgeranliegen, wobei zu einigen von ihnen bereits
Stellungnahmen der zuständigen Ministerin eingelangt sind. Andere
wurden erstmals in Verhandlung genommen. Unter anderem einigten sich
die Abgeordneten darauf, eine Bürgerinitiative betreffend die
Errichtung und Finanzierung eines Grabmals für die Opfer von Maly
Trostinec an den Außenpolitischen Ausschuss weiterzuleiten. Es gebe
zu dieser Frage bereits einen Mehrparteienantrag, informierte
Ausschussvorsitzender Michael Pock. Über eine Petition zum Thema
"Rettung des Waffenpasses für Jäger" wird der Innenausschuss beraten.

Die Opposition hätte auch gerne weitere Initiativen den zuständigen
Fachausschüssen zugewiesen. So bedauerte etwa FPÖ-Abgeordneter Peter
Wurm, dass eine Bürgerinitiative zur "Entstaatlichung des ORF"
(94/BI) nicht zur weiteren Beratung an den Verfassungsausschuss
weitergeleitet wurde, auch wenn er die Erfolgsaussichten einer
Umsetzung der Forderungen der Initiative als gering einschätzte. Die
Bevölkerung hätte gerne einen entpolitisierten ORF und sei für eine
Abschaffung der Rundfunkgebühren, ist Wurm überzeugt. Abgeordneter
Wolfgang Pirklhuber hätte im Bautenausschuss gerne darüber
diskutiert, wie es gelingen könne, den Bestand leerstehender
Wohnungen zu reduzieren. Insgesamt sind zur Bürgerinitiative
"Leerstand öffnen" (91/BI) fünf Stellungnahmen eingelangt, wobei das
Finanzministerium Bedenken gegen staatliche Eingriffe in
Eigentumsrechte äußerte.

Eine Petition betreffend praktikable Lösungen bei der
Registrierkassenpflicht für Vereine und Ehrenamtliche (76/PET)
wertete ÖVP-Abgeordneter Hermann Gahr insofern als hinfällig als
bereits massive Verbesserungen auf dem Weg seien. Über alle
Initiativen, über die der Petitionsausschuss die Beratungen
abgeschlossen hat, wird ein Sammelbericht für das Plenum des
Nationalrats erstellt. Er wird laut Ausschussvorsitzendem Michael
Pock voraussichtlich im September im Nationalrat beraten.

Sämtliche Beschlüsse des Petitionsausschusses finden Sie auf der
Website des Parlaments (Parlamentskorrespondenz Nr. 784/2016).
(Schluss Petitionsausschuss) gs

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