• 28.06.2016, 11:35:45
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„Kronen Zeitung“: Keine Besserstellung von Flüchtlingen bei der Versorgung mit Medikamenten

Wien (OTS) - Der Senat 3 des Presserats beschäftigte sich mit dem
Artikel „Trinken Sie doch Red Bull!“, erschienen in der „Kronen
Zeitung“ vom 29.03.2016. Nach Meinung des Senats verstößt der Artikel
gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse.

Im Artikel wird davon berichtet, dass eine an Multipler Sklerose
erkrankte Frau ein Medikament von der Wiener Gebietskrankenkasse
nicht bezahlt bekomme und ihr von einem Sachverständigen empfohlen
worden sei, gegen ihre Erschöpfungsattacken stattdessen Red Bull zu
trinken und Antidepressiva zu nehmen. Der Vorspann des Artikels
beginnt mit dem Satz „Während Flüchtlinge jede medizinische Hilfe
bekommen (soll ihnen natürlich nicht abgesprochen werden; Anm. der
Redaktion), muss eine alleinerziehende und schwer erkrankte Mutter
aus Wien verzweifelt um eine notwendige Arznei betteln.“ Ansonsten
hat der Artikel nichts mit dem Flüchtlingsthema zu tun.

Mehrere Leserinnen und Leser kritisieren, dass hier der falsche
Eindruck erweckt werde, dass Flüchtlinge „jede medizinische Hilfe“
erhielten, „wohingegen einer ‚alleinerziehenden und schwer erkrankten
Mutter‘ diese Hilfe verwehrt werde.“

Der Senat hält zunächst fest, dass der Fall der erkrankten Frau und
die Verweigerung der Genehmigung eines bestimmten Medikaments durch
die Gebietskrankenkasse mit der Flüchtlingssituation und deren
medizinischer Versorgung nichts zu tun haben. Umso mehr erstaunt es,
dass hier zu den Flüchtlingen Bezug genommen worden ist.

Der Vorspann des Artikels suggeriert, dass Flüchtlinge besser mit
Medikamenten versorgt werden als die österreichische Bevölkerung, so
der Senat weiter. Auf diese angebliche Bevorzugung bzw.
Ungleichbehandlung wird in dem Artikel selbst nicht weiter
eingegangen. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass Flüchtlinge
das Medikament, das die erkrankte Frau benötigt, bekommen hätten.

Die Anmerkung der Redaktion, dass den Flüchtlingen die medizinische
Hilfe nicht abgesprochen werden soll, reicht nicht aus, den
unterschwelligen Vorwurf der Bevorzugung der Flüchtlinge zu
beseitigen. Anscheinend sollten hier gezielt Vorurteile und
Ressentiments bei manchen Leserinnen und Lesern geweckt werden.

Die angebliche Besserstellung der Flüchtlinge entbehrt nach
Auffassung des Senats jeder sachlichen Grundlage und ist auch nicht
belegt worden. Dies verstößt laut Senat gegen Punkt 2 des Ehrenkodex,
wonach Nachrichten korrekt wiedergegeben werden müssen.

Die Formulierung im Vorspann ist aber vor allem auch eine
Diskriminierung und Pauschalverunglimpfung von Flüchtlingen (Punkt 7
des Ehrenkodex). Die Flüchtlinge werden hier gegen die
hilfsbedürftige Österreicherin ausgespielt. Dadurch können bei
manchen Leserinnen und Lesern Neidgefühle entstehen.

Der Senat fordert die betroffene Medieninhaberin auf, die
Entscheidung freiwillig in der „Kronen Zeitung“ zu veröffentlichen.

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND VON MITTEILUNGEN MEHRERER LESERINNEN
UND LESER

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen
Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und
Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des
Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.

Im vorliegenden Fall führt der Senat 3 des Presserats aufgrund von
Mitteilungen mehrerer Leserinnen und Leser ein Verfahren durch
(selbständiges Verfahren aufgrund von Mitteilungen). In diesem
Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung
den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin der
„Kronen Zeitung“ hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren
teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht.
Die Medieninhaberin der „Kronen Zeitung“ hat sich der
Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht unterworfen.

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | OPR

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