• 23.06.2016, 12:41:19
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Enquete im Parlament: Was kommt nach Paris?

Breite Diskussion zur Umsetzung des Weltklimavertrags von Paris im Hohen Haus

Utl.: Breite Diskussion zur Umsetzung des Weltklimavertrags von
Paris im Hohen Haus =

Wien (PK) - Bei der UN-Klimakonferenz in Paris im vergangenen
Dezember haben sich erstmals alle beteiligten Industrie- und
Schwellenländer vertraglich zum globalen Kampf gegen Klimawandel
bekannt. Das weltweite Klimaschutzabkommen birgt die ambitionierten
Ziele in sich, die Treibhausgase bis 2050 netto auf null zu senken
und die Erderwärmung auf unter 2 Grad zu bringen. Alle Staaten sind
nun zur Steigerung ihrer Klimaschutzanstrengungen und zu regelmäßigen
Berichten verpflichtet. Darüber hinaus stehen durch den Vertrag in
jedem Land Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel sowie grüne
Investitionsentscheidungen an. Was aber bedeutet Paris für
Österreich? Was kommt nach dem Beschluss des Weltklimavertrags? Und
wie soll er hierzulande umgesetzt werden? In einer parlamentarischen
Enquete haben sich diesen Fragen neben Umweltminister Andrä
Rupprechter und Verkehrsminister Jörg Leichtfried u.a. VertreterInnen
von der Europäischen Union, der Industrie, der Energiewirtschaft und
Umwelttechnologie, aus den Bundesländer sowie von
Umweltorganisationen gestellt.

Energiewende: Rupprechter will vollständigen Ausstieg aus Öl in der
Raumwärme

"Der Klimawandel ist die globale Herausforderung unseres
Jahrhunderts", so die Eingangsworte von Landwirtschafts- und
Umweltminister Andrä Rupprechter, der gleich zu Beginn der Enquete
die Klimaveränderungen in den letzten Jahren thematisierte. 2015 habe
dabei alle Rekorde gebrochen, auch in Österreich. Betroffen sei vom
Klimawandel besonders der Alpenraum, die Extremereignisse würden aber
auch der Landwirtschaft zusetzen und die Hitzewellen ernste
Gesundheitsgefahr darstellen. "Nichtstun ist keine Option", sagte
Rupprechter, das Problem könne aber nur gemeinsam und auf globaler
Ebene gelöst werden.

Das Pariser Abkommen ist für ihn ein historischer Durchbruch in der
internationalen Klimapolitik. Dass sich der Umweltausschuss des
Parlaments gestern mit breiter Mehrheit für die Ratifizierung des
Weltklimavertrags ausgesprochen hat, wertete Rupprechter als starkes
Signal für Österreichs "commitment" zum globalen Prozess. Die
Energiewende in Österreich bedeutet für den Umweltminister eine klare
Absage gegenüber der Atomkraft, er will auf erneuerbare Energie
setzen. Rupprechter forderte in diesem Zusammenhang einen
vollständigen Ausstieg aus Öl in der Raumwärme nach dem Beispiel
Dänemarks. In der Hand hätten eine solche Regelung aber die
Bundesländer. Starke Partner in der Energiewende seien die
Wirtschaft, aber auch die BürgerInnen und Bürger.

Leichtfried: Güterverkehr muss auf die Schiene, individueller Verkehr
braucht öffentliche Lösungen

Auch Verkehrsminister Jörg Leichtfried machte klar, dass Klimaschutz
eine internationale Aufgabe darstellt. "Ohne weltweite Lösungen wird
das nicht machbar sein", sagte er. Dieser Zugang dürfe aber auch
nicht als Ausrede verwendet werden, im eigenen Land keine Maßnahmen
zu treffen. Beim Klimaschutz verfolgt Leichtfried einen integrativen
Ansatz, er sieht darin eine Kombination aus Energie-, Raumordnungs-,
Umweltschutz und Verkehrspolitik. "Mir fehlt in Österreich die
Ganzheitlichkeit", sagte er. Passivhäuser würden beispielsweise nicht
zielführend sein, wenn für Familien gleichzeitig zwei Autos notwendig
seien, um das Berufs- und Alltagsleben zu bestreiten.

In der Verkehrspolitik hatte Leichtfried zwei Antworten für den
Klimaschutz in Österreich parat. Zum einen muss aus seiner Sicht der
individuelle Verkehr vermehrt auf den öffentlichen Verkehr verlegt
werden, zum anderen sieht er auch beim Güterverkehr weiteren
Handlungsbedarf. Auch wenn Österreich Opfer seiner geografischen Lage
sei, sollte der Güterverkehr stärker auf die Schiene gebracht werden.
Ein nächster Ansatzpunkt ist für Leichtfried die Elektromobilität.
Nachdem es topografisch nicht möglich ist, Österreich vollständig
öffentlich zu erschließen, müssten die Entwicklungen in Zukunft
verstärkt in diese Richtung gehen. Zudem sei es wichtig, in den
Bereichen Technik, Innovation und Forschung mit erneuerbaren Energien
zu agieren.

ExpertInnen: Fossile durch erneuerbare Energieträger ersetzen,
klimaverträglichen Lebensstil einschlagen

In drei Impulsreferaten informierten Nebojsa Nakicenovic vom
International Institute for Applied Systems Analysis,
Georg Rebernig vom Umweltbundesamt sowie Karl Steininger von der
Universität Graz über Veränderungen im Klima, globale Perspektiven
des Pariser Abkommens und seine Bedeutung für Österreich. "Die Natur
braucht den Menschen nicht. Der Mensch braucht die Natur", war dabei
die Botschaft, die Nakicenovic zu Beginn vorausschickte. In den
letzten hundert Jahren, seit dem Anfang der Industrialisierung, ist
die CO2-Konzentration senkrecht nach oben geschossen. "Ein trauriger
Rekord", sagte Nakicenovic, um die Pariser Ziele zu erreichen, dürfe
es zu keiner höheren Konzentration als aktuell kommen. Global gesehen
hat der Anstieg eine Erwärmung von 1 Grad verursacht. Gerade in
Österreich war der Temperaturanstieg sehr hoch, im globalen Vergleich
etwa doppelt so viel. Laut Nakicenovic sind radikale Veränderungen -
etwa ein Stopp von Verbrennungsmotoren und die Förderung von
Elektromobilität - notwendig und möglich. Eine klare Absage erhielt
von ihm die Kernenergie, neben den 17 von den Vereinten Nationen
formulierten Zielen für eine nachhaltige Entwicklung rät er wie
Rebernig und Steininger zur erneuerbaren Energie.

Durch erneuerbaren Energieformen mit technologischen, ökonomischen
Entwicklungen und gesellschaftlichen Verhaltensveränderungen würde
Österreich Rebernig zufolge die ambitionierte Pariser Zielsetzung für
2050 erreichen. "Wenn es um eine Dekarbonisierung geht, wird man um
den energetischen Bereich ganz sicher nicht herumkommen", sagte er.
Der größte Anteil an Treibhausgasemissionen macht hierzulande das CO2
aus der energetischen Nutzung fossiler Brennstoffe aus, gefolgt von
Emissionen aus der Eisen- und Stahlindustrie.
Aus seiner Sicht müssen auf politischer Ebene umweltschädliche
Subventionen geprüft und neu bewertet werden. Zudem brauche es eine
ökologische Steuerreform, fossile Lock-in-Effekte müssten bei
gegenwärtigen Infrastrukturinvestitionen vermieden sowie der
Produktionsstandort erhalten werden, um die vorgenommene
Dekarbonisierung bis 2050 zu erreichen. "Es ist wichtig, ab sofort
die Zeit zu nutzen", appellierte Rebernig.

Ähnlich zuversichtlich war auch Steininiger. Es gebe eine Fülle von
Lösungen, die Chancen müssten nur genutzt werden. Er spricht sich für
einen sozial verträglichen, wirtschaftlich tragfähigen und ökologisch
angepassten Lebensstil aus. Um das zu erreichen, brauche es
"Inversion, Innovation und Integration", etwa durch Sharing statt
Besitz, neue Technologien oder Siedlungsstrukturen mit geringem
Transportbedarf. "Es wird ungemütlicher, wenn wir nichts tun", so
Steininger.

Das Programm der Enquete

Bei der parlamentarischen Enquete wird es heute insgesamt vier Panels
mit anschließender Diskussion geben. Panel 1 zum Thema "Umsetzung des
Klimaabkommens innerhalb und durch die Europäische Union" bestreiten
Anne Bergenfelt als Vertreterin der EU-Ratspräsidentschaft sowie der
EU-Kommission und der Europaabgeordnete Paul Rübig als Vertreter des
Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und
Lebensmittelsicherheit.

In Panel 2 "Rahmenbedingungen für industrielle Produktion und
Energieaufbringung" diskutieren vom Bundesministerium für
Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Michael Losch, von der
VOESTALPINE AG Wolfgang Eder, vom Austrian Institute of Technology
Brigitte Bach, von GLOBAL 2000 als Vertreter der Bürgerinitiative
"Energiewende für Österreich" Johannes Wahlmüller sowie der
Vorstandsvorsitzende der Verbund AG Wolfgang Anzengruber als
Vertreter der Energiewirtschaft.

In Panel 3 mit dem Titel "Weichenstellungen für den Sektor Verkehr"
beteiligen sich vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und
Technologie Herbert Kasser, als Vertreter der
Landesverkehrsreferentenkonferenz Landesrat Hans Mayr, Ulla Rasmussen
vom VCÖ sowie ÖAMTC-Verbandsdirektor Oliver Schmerold.

Das vierte Panel beschäftigt sich mit dem Thema "Schlüsselmaßnahmen
im Sektor Gebäudemaßnahmen und Kleinverbrauch". Zu den Diskutanten
zählen hier als Vertreter der Landeswohnbaureferentenkonferenz der
Salzburger Landesrat Hans Mayr, als Vertreter des Gemeindebundes
Walter Leiss, Werner Prutsch vom Städtebund sowie Karl Schellmann vom
Ökobüro als weitere Vertreter der Bürgerinitiative.

Darauf aufbauend werden die UmweltsprecherInnen der
Parlamentsfraktionen ein Resümee abgeben. Die Abhaltung der
Klimavertrags-Enquete geht auf einen Antrag im Hauptausschuss des
Nationalrats zurück, der von allen Parlamentsfraktionen vor rund zwei
Wochen eingebracht und unterstützt wurde. Das Ende der Enquete ist
für 16.00 Uhr geplant. Das Vertragswerk des Pariser
Klimaschutzabkommens wurde dem Nationalrat im Rahmen des
Ratifizierungsverfahrens vor kurzem vorgelegt und ist auf der Website
des Parlaments abrufbar. (Schluss) keg

HINWEIS: Fotos von der parlamentarischen Enquete finden Sie im
Fotoalbum auf www.parlament.gv.at.

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