• 21.06.2016, 10:15:22
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Oberlandesgericht Wien hebt Netzsperren auf

Rechteinhaber antworten mit neuen Sperraufforderungen

Utl.: Rechteinhaber antworten mit neuen Sperraufforderungen =

Wien (OTS) - In einem aktuellen Urteil hob das Oberlandesgericht Wien
jene Einstweilige Verfügung auf, die eine Reihe von
Internet-Providern zur Sperre der Seiten thepiratebay.se, isohunt.to,
h33t.to, und 1337x.to verpflichtet hatte. Somit steht den betroffenen
Internet-Kunden der Zugang zu diesen Plattformen ab sofort wieder
offen.

Schon kurz vor dem heimischen Gerichtsbeschluss hatte auch der
deutsche Bundesgerichtshof ebenfalls die Aufhebung der Sperre der
Webseiten 3dl.am bzw. goldesel.to beschlossen und argumentierte dies
damit, dass die Musikindustrie nachweisen müsse, dass sie zumutbare
Nachforschungen über den tatsächlichen Rechteverletzer unternommen
habe, bevor sie an die Provider herantreten kann, um Sperren zu
fordern.

Dazu Maximilian Schubert, Generalsekretär der ISPA: „Wie prekär die
ganze Angelegenheit ist, zeigt sich nicht nur dadurch, dass die
Provider durch die Sperraufforderungen der Rechteinhaber gegen deren
Willen in die Richterrolle gedrängt werden. Sie laufen, sofern sie
zum Beispiel den kürzlich von den Filmproduktionsunternehmen
versandten relativ formlosen Aufforderungen entsprechen, auch noch
Gefahr, gegen Artikel 3 der Verordnung zum Digitalen Binnenmarkt zu
verstoßen, die auch die Netzneutralität regelt.“

Die österreichischen Internet Service Provider gehen zwar davon aus,
dass sich die LSG (Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten GmbH) mit
dieser Entscheidung nicht abfinden wird und in weiterer Folge die
gerichtliche Auseinandersetzung eine Fortsetzung findet, dennoch gilt
dieser Beschluss als wichtiger Meilenstein, wenn es darum geht, das
„Sperren auf Zuruf“ zu erschweren.

Neue Welle an Sperraufforderungen

Schuberts Befürchtung scheint nicht unbegründet, denn: Bereits wenige
Tage nach richterlichem Beschluss über die Aufhebung der Sperren ist
bereits eine neue Welle an Sperraufforderungen für movie4k.tv,
movie.to, movie2k.pe, kinox.tv bei zahlreichen Providern
eingetroffen.
„Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Rechteinhaber
nun ihre Felle hinwegschwimmen sehen und daher versuchen den Druck
auf die Provider neuerlich zu erhöhen und die eigene Verantwortung
abzuwälzen, anstatt den Ausgang der derzeit anhängigen Verfahren
abzuwarten“, fasst Schubert die Panikreaktion der Rechteinhaber
zusammen.

Eindeutige Position der ISPA

In der Praxis verhält es sich so, dass sich Internet Provider mit
zahlreichen Herausforderungen konfrontiert sehen. Vor allem die in
den Abmahnschreiben bzw. Sperraufforderungen behauptete
Rechteinhaberschaft ist nur schwer zu überprüfen. Zudem werden
Provider unfreiwillig in eine Richterrolle gedrängt, da sie
beurteilen müssen, ob eine ausreichende Grundlage für eine Sperre
vorliegt oder nicht. Problematisch ist in diesem Zusammenhang auch,
dass beanstandete Seiten auch legale Inhalte aufweisen und durch die
Sperren der Zugang auch zu diesen nicht mehr möglich ist. Daher
bezieht die ISPA hier eine eindeutige Position: „Das Gut der
Meinungsfreiheit im Internet dem Gewinnmaximierungsstreben der
Verwertungsindustrie zu opfern, lehnt die ISPA in aller
Entschiedenheit ab“, so Schubert. Gleichzeitig verweist die ISPA
darauf, dass Sperren zudem keine Lösung bieten, sondern nur neue
Probleme schaffen.
Aber auch die ISPA ist sich der Problematik illegaler Inhalte im Netz
bewusst. Daher setzt sie sich aktiv dafür ein, dass diese schon an
der Quelle gelöscht werden und so das volle Potential des Internets
entfaltet wird, ohne dabei das Medium als solches zu beschneiden. Wir
alle sehen laufend auf globaler Ebene, welche positive Kraft im
Internet steckt und in wie vielen Staaten der Kampf um ein Internet
ohne Sperren und Zensur geführt wird“, so der ISPA Generalsekretär
weiter.

Verbesserungsansatz der Internetwirtschaft

Obgleich sich die ISPA klar gegen jede Art von Netzsperren
ausspricht, verweist die Interessensvertretung der österreichischen
Internetwirtschaft auf die Regelung in anderen EU-Staaten, um
Bewegung in die für sämtliche Beteiligten nicht zufriedenstellende
Situation zu bringen: Sofern kein Konsens gefunden wird, um
Netzsperren abzuschaffen, strebt die ISPA eine gesetzliche Regelung
an, bei der definiert wird, was bei einer „Abmahnung“ zu passieren
hat. Dieser Ansatz würde vorsehen, dass eine Prüfung durch eine
Richterin oder einen Richter erfolgt, ob eine gemeldete URL den vom
EuGH aufgestellten Kriterien einer „strukturell rechtswidrigen Seite“
entspricht. Sofern das Gericht die Notwendigkeit der Sperre bejaht,
soll die Abmahnung veröffentlicht werden. Provider können auf diese
Datenbank verweisen, wenn sie Kundinnen und Kunden den Zugang zu
einer Webseite verwehren müssen. Darüber hinaus soll die Stelle
verpflichtet werden, die Notwendigkeit der Sperre alle drei Monate zu
bestätigen und jährlich einen Transparenzbericht an das Parlament zu
übermitteln. Dieser soll als Basis für eine Beurteilung dienen, ob
Netzsperren in einem Rechtsstaat notwendig und sinnvoll sind.
Gegebenenfalls soll die Beurteilung zu deren Abschaffung durch den
österreichischen Gesetzgeber führen.

ISPA sieht Anreize für Netzsperren schwinden

Für die Zukunft gibt sich Schubert optimistisch; „Als wir begonnen
haben die ersten Gerichtsprozesse gegen Netzsperren zu führen, war
Österreich, was die Verfügbarkeit von legalen Online-Inhalten angeht,
bestenfalls ein „Schwellenland“. Mittlerweile steigen die Umsätze aus
Streaming laufend an und ich bin zuversichtlich, dass auch die
Verwertungsindustrie bald einsehen wird, dass es besser ist legale
Inhalte zu fördern, anstatt sich für Netzsperren und die Verfolgung
von Nutzerinnen und Nutzern einzusetzen.“

Facts

Bereits im Jahr 2011 wurde gerichtlich entschieden, dass Internet
Service Provider ihren Kundinnen und Kunden den Zugang zu kino.to,
einer Streaming-Plattform, verwehren müssen. Seither gibt es in
Österreich, als auch auf europäischer Ebene, immer wieder
Diskussionen und rechtliche Auseinandersetzungen über Netzsperren und
den Schutz von Urheberrechten im Internet. Der Europäische
Gerichtshof ließ zwar Sperren grundsätzlich zu, stellte jedoch
strenge Anforderungen an die gesetzliche Grundlage hierfür sowie den
Rechtsschutz für Nutzerinnen und Nutzer.
Seit über sechs Jahren befinden sich die österreichischen Provider in
durchgehenden Rechtsstreitigkeiten mit dem Ziel, Rechtssicherheit für
Internetuser zu schaffen. Schubert sieht nun die Rechteinhaber in der
Pflicht: „Die Forderung nach der Abschaffung von Netzsperren oder
jedenfalls zumindest einer transparenten und sauberen gesetzlichen
Regelung ist eine langjährige Forderung der Internetwirtschaft, mit
der wir leider bis dato keinen Erfolg hatten, da die Rechteinhaber
sich des Dialogs verwehren und keinerlei Gesprächsbereitschaft
zeigen. Aus diesem Grund appellieren wir an die Rechteinhaber, sich
von dem zutiefst problematischen Konstrukt der Netzsperren abzuwenden
und mit unseren Mitgliedern in einen Dialog darüber zu treten, wie
das Angebot legaler Inhalte weiter gefördert werden kann“.

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