• 19.06.2016, 17:06:49
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UNHCR: Mehr Menschen auf der Flucht als jemals zuvor

Jeder 113. Mensch von Vertreibung betroffen

Utl.: Jeder 113. Mensch von Vertreibung betroffen =

Genf/Wien (OTS) - Durch Konflikte und Verfolgung erreicht die Zahl
der von Flucht und Vertreibung betroffenen Menschen ein trauriges
Rekordniveau. Ein drastischer Anstieg im letzten Jahr bringt die
Gesamtzahl der Flüchtlinge, Binnenvertriebenen und Asylsuchenden
weltweit auf rund 65 Millionen, wie der heute veröffentlichte
statistische UNHCR-Jahresbericht belegt.

Basierend auf Daten von Regierungen, Partnerorganisationen wie dem
International Displacement Monitoring Centre und eigenen Erhebungen
zeichnet UNHCRs jährlicher Statistikbericht „Global Trends“ ein
umfassendes Bild von Fluchtbewegungen. Demnach mussten bis Ende 2015
65,3 Millionen Menschen ihre Heimat verlassen. Zwölf Monate zuvor
waren es noch 59,5 Millionen Menschen. Damit wurde erstmals die
60-Millionen-Marke überschritten.

Unter den insgesamt 65,3 Millionen Menschen auf der Flucht sind 3,2
Millionen, die Ende 2015 auf die Entscheidung ihres Asylantrages
warteten (die höchste bisher von UNHCR verzeichnete Zahl), 21,3
Millionen Flüchtlinge (1,8 Millionen mehr als im Jahr 2014 und die
höchste Zahl seit den frühen 1990er Jahren) sowie 40,8 Millionen
Menschen, die gezwungen waren, ihr Zuhause zu verlassen und innerhalb
ihres Heimatlands auf der Flucht sind. Das bedeutet einen Anstieg von
2,6 Millionen Menschen im Vergleich zu 2014 und ist ebenfalls die
höchste Zahl seit Beginn der Erhebungen.

Gemessen an einer Weltbevölkerung von 7,349 Milliarden Menschen ist
damit statistisch jeder 113. Mensch entweder asylsuchend,
binnenvertrieben oder Flüchtling – ein noch nie dagewesener
Höchststand. Insgesamt ist die globale Zahl der Menschen auf der
Flucht damit in etwa so groß wie die Einwohnerzahlen von
Großbritannien, Frankreich oder Italien.

Seit Mitte der 1990er Jahre haben Flucht und Vertreibung in den
meisten Regionen weltweit stetig zugenommen. In den vergangenen fünf
Jahren jedoch schnellten die Zahlen rasant nach oben. Dafür gibt es
drei Gründe: Flüchtlingssituationen dauern länger an. So gibt es
Konflikte in Somalia oder Afghanistan bereits seit jeweils drei,
beziehungsweise vier Jahrzehnten. Zudem nehmen neue oder wieder
aufflammende Konflikte zu, der größte davon ist der Syrien-Konflikt.
Allein in den letzten fünf Jahren gab es eine Vielzahl weiterer
Konfliktsituationen, unter anderem im Südsudan, Jemen, Burundi, der
Ukraine und der Zentralafrikanischen Republik. Zudem lassen seit Ende
des Kalten Krieges effektive und dauerhafte Lösungen immer länger auf
sich warten. Während im Jahr 2005 durchschnittlich sechs Menschen pro
Minute entwurzelt wurden, sind es heute 24 Menschen pro Minute – das
sind statistisch zwei Menschen pro Atemzug.

„Immer mehr Menschen müssen aufgrund von Krieg und Verfolgung ihre
Heimat verlassen und das allein ist höchst beunruhigend. Doch auch
die Faktoren, die Flüchtlinge in Gefahr bringen, steigen um ein
Vielfaches”, so UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi. „Auf dem Meer
verlieren erschreckend viele Menschen ihr Leben, der Landweg ist
durch geschlossene Grenzen zunehmend blockiert und in manchen Ländern
wird gegen Asyl politisch Stimmung gemacht. Die Bereitschaft von
Staaten, nicht nur für Flüchtlinge sondern im gemeinsamen Interesse
der Menschlichkeit zusammenzuarbeiten, wird momentan herausgefordert.
Dabei ist es genau dieser einende Geist, der so dringend gebraucht
wird.“

Die Hälfte der Flüchtlinge weltweit kommen aus nur drei Ländern …

Unter den Ländern, die im Global Trends Bericht erfasst werden,
stechen einige hervor: Mit 4,9 Millionen Flüchtlinge aus Syrien, 2,7
Millionen aus Afghanistan sowie 1,1 Millionen aus Somalia kommen die
Hälfte aller Flüchtlinge unter UNHCR-Mandat aus nur drei Ländern.
Kolumbien hat mit 6,9 Millionen die höchste Zahl von
Binnenvertriebenen; Syrien folgt mit 6,6 Millionen, Irak mit 4,4
Millionen Binnenvertriebenen. Die meisten neuen Fluchtbewegungen
innerhalb eines Landes gab es 2015 im Jemen – 2,5 Millionen Menschen
sind dort Binnenvertriebene, das entspricht neun Prozent der
Bevölkerung.

…und die meisten von ihnen befinden sich im Globalen Süden

Die Bemühungen Europas bei der Aufnahme von rund einer Million
Flüchtlinge und Migranten standen 2015 im Mittelpunkt der
Aufmerksamkeit. Der Bericht zeigt jedoch, dass sich die große
Mehrheit der Flüchtlinge außerhalb Europas aufhält. Insgesamt haben
86 Prozent der Flüchtlinge, die 2015 unter dem Mandat von UNHCR
standen, in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen Schutz
gesucht. Viele dieser Staaten grenzen an Konfliktgebiete. Es sind
sogar über 90 Prozent, wenn auch die palästinensischen Flüchtlinge
miteinbezogen werden, die unter dem Mandat der Schwesterorganisation
UNRWA stehen. Weltweit ist die Türkei mit 2,5 Millionen Flüchtlingen
das größte Aufnahmeland. Mit 183 Flüchtlingen auf 1.000 Einwohner hat
der Libanon im Verhältnis zu seiner Bevölkerungszahl mehr Flüchtlinge
aufgenommen als jedes andere Land. In Relation zu seiner
Wirtschaftskraft war dagegen die Demokratische Republik Kongo das
Land mit den meisten aufgenommenen Flüchtlingen (471 Flüchtlinge pro
Dollar des BIP).

Asylantragszahlen steigen

2015 war auch ein Rekordjahr, was die Zahl der gestellten Asylanträge
in den Industriestaaten betrifft: Insgesamt wurden zwei Millionen
Anträge registriert. Hinzu kommen 3,2 Millionen anhängige Verfahren
bis Ende des Jahres 2015. Dabei wurden in Deutschland mit 441.900
Anträgen mehr Asylanträge gestellt als in jedem anderen Land. Das ist
vor allem auf die Bereitschaft Deutschlands zurückzuführen,
Flüchtlinge aufzunehmen, die 2015 über das Mittelmeer nach Europa
kamen. Die Vereinigten Staaten verzeichneten die zweithöchste Zahl
von Asylanträgen (172.700); viele der Menschen, die dort Asyl
beantragten, flohen vor Bandenkriminalität in Zentralamerika. Auch in
Schweden (156.000) und Russland (152.500) wurde 2015 eine
signifikante Zahl von Asylanträge registriert.

Rund die Hälfte aller Flüchtlinge sind Kinder

Laut UNHCR zugänglichen Daten waren 51 Prozent der Flüchtlinge
weltweit jünger als 18 Jahre. Besonders beunruhigend ist die hohe
Zahl an Kindern, die allein reisten oder von ihren Eltern getrennt
waren. Insgesamt wurden weltweit 98.400 Asylanträge von unbegleiteten
oder von ihren Eltern getrennten Kindern registriert – ebenfalls der
höchste Wert seit UNHCR Aufzeichnungen führt und ein Beleg dafür,
dass besonders Kinder von Flucht und Vertreibung betroffen sind.

Keine Rückkehr nach Hause

Trotz der traurigen Rekordzahlen bei Flucht und Vertreibung war die
Zahl derer, die in ihre Heimat zurückkehren konnten oder für die eine
andere dauerhafte Lösung gefunden werden konnte (lokale Integration
im Erstaufnahmeland oder Resettlement) niedrig. So konnten 201.400
Flüchtlinge im vergangenen Jahr in ihre Heimatländer zurückkehren
(hauptsächlich nach Afghanistan, den Sudan und Somalia). Das sind
mehr als im Berichtsjahr 2014 (126.800), aber verglichen mit den
Zahlen der frühen 1990er Jahre weiterhin sehr wenige. 2015 wurden
etwa 107.100 Flüchtlinge aus einem Erstzufluchtsland in einem
Drittstaat neu angesiedelt (Resettlement) und von insgesamt 30
Ländern aufgenommen – das sind nur 0,66 Prozent der Flüchtlinge, für
die UNHCR Unterstützung leistet (2014 waren es 26 Länder, die über
Resettlement 105.200 Flüchtlinge aufnahmen). Mindestens 32.000
Flüchtlinge wurden im vergangenen Jahr in Aufnahmeländern
eingebürgert. Ein Großteil davon in Kanada und im kleineren Rahmen
auch in Frankreich, Belgien, Österreich und anderswo.

Flucht und Vertreibung 2015, geordnet nach Region (vom höchsten bis
zum niedrigsten Wert)

1. Naher Osten und Nordafrika
Der Syrien-Konflikt bleibt weiterhin die Hauptursache für Flucht und
Vertreibung und dem damit verbundenen Leid. Bis Ende 2015 hatte der
Konflikt 4,9 Millionen Menschen ins Exil getrieben und zu
Flüchtlingen gemacht und weitere 6,6 Millionen zu Heimatlosen in
ihrem eigenen Land. Zusammengezählt entsprächen diese Zahlen in etwa
der Hälfte von Syriens Bevölkerung vor Ausbruch der Kampfhandlungen.
Der Konflikt im Irak hat bis Ende 2015 4,4 Millionen Menschen
innerhalb des eigenen Landes vertrieben, 250.000 haben das Land
verlassen und sind Flüchtlinge. Der 2015 im Jemen ausgebrochene
Bürgerkrieg hatte bei Jahresende 2,5 Millionen Menschen zur Flucht
gezwungen. Das ist die weltweit größte Fluchtbewegung aufgrund eines
neuen Konflikts. Wenn man die 5,2 Millionen palästinensischen
Flüchtlinge unter dem Mandat von UNRWA berücksichtigt, sowie die rund
500.000 Binnenvertriebenen in Libyen, sind im Nahen Osten und
Nordafrika mehr Menschen auf der Flucht als irgendwo sonst auf der
Welt (19,9 Millionen).

2. Sub-Sahara Afrika
Neben der Nahost-Region und Nordafrika gab es 2015 in Sub-Sahara
Afrika die höchste Zahl an Fluchtbewegungen und Vertreibungen.
Andauernde Konflikte im Südsudan, der Zentralafrikanischen Republik
und Somalia sowie, neue und anhaltende Massenvertreibungen in und aus
Ländern wie Nigeria, Burundi, Sudan, der Demokratischen Republik
Kongo, Mosambik und anderswo haben bis Ende 2015 insgesamt 18,4
Millionen Menschen zur Flucht gezwungen. In Sub-Sahara Afrika gibt es
ungefähr 4,4 Millionen Flüchtlinge – mehr als in jeder anderen
Region. Fünf der zehn Hauptaufnahmeländer von Flüchtlingen liegen auf
dem afrikanischen Kontinent, angeführt von Äthiopien und gefolgt von
Kenia, Uganda, der Demokratischen Republik Kongo und dem Tschad.

3. Asien und Pazifikregion
Einer von sechs Flüchtlingen und Binnenvertriebenen weltweit kommt
aus der Region Asien und Pazifik. Jeder sechste Schutzsuchende unter
vom Mandat von UNHCR ist afghanischer Staatsbürger (2,7 Millionen
Menschen); 1,2 Millionen Menschen sind dort zudem Binnenvertriebene.
Myanmar ist das zweitgrößte Herkunftsland von Flüchtlingen und
Binnenvertriebenen in der Region Asien und Pazifik mit jeweils
451.800 und 451.000 Menschen. Auch Pakistan und der Iran gehören mit
jeweils 1,5 Millionen Flüchtlingen und 979.000 Binnenvertriebenen zu
den Hauptherkunftsländern.

4. Nord- und Südamerika
Zunehmende Bandenkriminalität und Gewalt in Zentralamerika haben dazu
geführt, dass auf dem amerikanischen Kontinent 2015 die Zahlen zu
Flucht und gewaltsamer Vertreibung um 17 Prozent angestiegen sind. So
haben insgesamt 109.800 Flüchtlinge und Asylsuchende aus El Salvador,
Guatemala und Honduras mehrheitlich in Mexiko oder in den Vereinigten
Staaten Zuflucht gesucht. Im Verlauf der letzten drei Jahre hat sich
diese Zahl verfünffacht. Mit 6,9 Millionen bleibt Kolumbien weiter
das Land mit den meisten Binnenvertriebenen.

5. Europa
Die Situation in der Ukraine, Europas Nähe zu Syrien und dem Irak
sowie die Ankünfte von mehr als einer Million Schutzsuchenden über
das Mittelmeer, die meisten aus den den zehn größten Herkunftsländern
von Flüchtlingen, bestimmten 2015 die Fluchtbewegungen in Europa. Aus
europäischen Ländern kamen insgesamt 593.000 Flüchtlinge, die meisten
von ihnen aus der Ukraine. Europa beherbergt insgesamt 4,4 Millionen
Schutzsuchende, 2,5 Millionen davon in der Türkei. Zahlen der
ukrainischen Regierung sprechen von 1,6 Millionen Binnenvertriebenen
in der Ukraine. Laut dem Global Trends Bericht wurden 2015 441.900
Asylanträge in Deutschland verzeichnet, wo die Flüchtlingsbevölkerung
mit 316.000 Menschen im Vergleich zum Jahr 2014 um 46 Prozent
gestiegen ist.

Der Bericht und das gesamte Medienmaterial finden Sie unter:
http://www.unhcr.org/5748413a2d9.

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | UNH

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