- 07.06.2016, 21:53:34
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Unterrichtsausschuss will Schulpartner verstärkt in Bildungspolitik einbeziehen
Opposition präsentiert eigene Vorschläge zur Bildungsreform
Utl.: Opposition präsentiert eigene Vorschläge zur Bildungsreform =
Wien (PK) - Nachdem der Unterrichtsausschuss heute erste
Regierungsvorschläge zur Bildungsreform debattiert hatte,
beanspruchte die Opposition den Rest der Sitzung für ihre
Änderungsvorschläge im Schulsystem. Und hatte damit in Teilbereichen
Erfolg: Eine Anregung der Grünen und eine der NEOS trug der Ausschuss
in abgeänderter Form mit.
Bildungsreform im Dialog mit Stakeholdern
Ein erfolgreiches Bildungswesen lässt sich nur gemeinsam mit den
Betroffen bewerkstelligen, finden Grüne und NEOS. Klubobmann Matthias
Strolz (N) drängt daher, SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern durch
eine Kompetenzerweiterung der Schulpartner in alle wichtigen
bildungspolitischen Entscheidungsabläufe auf Schul-, Landes- und
Bundesebene einzubeziehen; auch in Finanzierungs- und Personalfragen
(1652/A(E)). Konkret bei den Verhandlungen zur Bildungsreform müssten
aber auch die österreichischen Volksgruppen beachtet werden, mahnt
Grünen-Minderheitensprecher Wolfgang Zinggl (1624/A(E)). Immerhin
sehe die Verfassung vor, Volksgruppenkultur auch durch Minderheiten-
Schulgesetze für zweisprachigen Unterricht zu fördern. Beide
Vorschläge trug der Ausschuss in gemeinsamen Anträgen einstimmig mit.
Bereits erfolgte Gespräche mit VolksgruppenvertreterInnen sollen
demnach weiterhin fortgesetzt werden, außerdem ist die
Bundesregierung damit beauftragt, im Rahmen der Umsetzung zur
Bildungsreform Schritte zu setzen, um die Beratung und Einbindung von
Eltern, SchülerInnen und LehrerInnen bei vordefinierten
Themenbereichen auf Schul-, Landes- und Bundesebene zu ermöglichen
bzw. gesetzlich zu verankern.
Hinsichtlich der Schulverwaltung pocht Strolz auf eine Neuordnung der
Zuständigkeiten (1534/A(E)). Beim operativen Betrieb aller Schulen
sollen seiner Meinung nach Länder, Gemeinden und gemeinnützige
Private an die Stelle des Bundes treten. Im Gegenzug hätten die
Länder sich aus der Schulaufsicht komplett zurückzuziehen, so Strolz.
Für die Schulfinanzierung sehen die NEOS ein auf sozialen Kriterien
der Schülerpopulation basierendes Konzept vor. Es geht seiner
Fraktion um die Entflechtung der Aufgaben im Bildungsbereich, wie
Strolz im Ausschuss klarmachte. Mit Verweis auf die laufenden
Finanzausgleichsverhandlungen wurde das Oppositionsanliegen vertagt.
Opposition hinterfragt Änderungswillen der Regierungsfraktionen
Eine bereits umgesetzte Neuerung im Schulwesen, die Zentralmatura,
greifen die Freiheitlichen in ihrem Antrag zu Wiederholungsprüfungen
auf. Demnach sollten SchülerInnen nicht bestandene Teilprüfungen bzw.
Prüfungsgebiete der Matura noch im Schuljahr des Haupttermins
wiederholen (872/A(E)), um leichter planen zu können.
Gesetzesänderung brauche es dafür keine, da im Schulunterrichtsgesetz
ein Wiederholungstermin innerhalb der letzten neun oder zehn Wochen
eines Schuljahres erlaubt sei. "Das ist keine ideologische Frage",
appellierte Antragsteller Peter Wurm (F) in Richtung der
Regierungsfraktionen, dem Antrag ihre Zustimmung zu geben und erhielt
Unterstützung von seinen Parteikollegen Gerald Hauser und Walter
Rosenkranz sowie von Grünen und NEOS. Harald Walser (G) führte etwa
die Terminkollisionen mit Aufnahmeprüfungen ins Treffen und folgerte,
die jetzige Regelung verursache "volkswirtschaftlichen Schaden. Für
Matthias Strolz ist die Frage der Maturawiederholung "ein klassischer
Elchtest", an dem sich der neue Stil der Regierung zeigen sollte.
Diese Ansicht und die FPÖ-Argumente - je mehr Zeit bis zur
Nachprüfung vergehe, umso größer sei der Leistungsabfall, ein
früherer Nachprüfungstermin beruhe auf Freiwilligkeit und die
Prüfungskosten blieben dieselben - bewegten SPÖ und ÖVP aber nicht zu
einem Umdenken; der Antrag wurde vertagt. "Nachhaltiger Wissenserwerb
braucht Zeit!" gab Andrea Gessl-Ranftl (S) zu bedenken.
Die NEOS wenden sich in einer Initiative der 2012 als Regelschule
eingeführten Neuen Mittelschule zu, die bis 2018 die Hauptschule
flächendeckend ablösen soll. Der pinken Fraktion geht es um einen
flexiblen Mitteleinsatz in den NMS aus einem sogenannten
Qualitätsbudget, sodass das Geld bedarfsgerecht und autonom für
Maßnahmen wie Sprachförderung, Bewegungsprogramme oder Lerncoaching
genutzt werden kann (1088/A(E)). Strolz forderte besonders die
Koalitionsfraktionen im Ausschuss auf, in Sachen Schulautonomie erste
Schritte zu setzen, nachdem sich diese bereits dazu bekannt haben.
Zustimmung gab es für den NEOS-Vorstoß von den Grünen. Geht es nach
der Oppositionsfraktion, sollten diese Mittel Schulen auch für
nichtpädagogisches Personal wie KünstlerInnen zur Verfügung stehen.
Marianne Gusenbauer-Jäger (S) sah keine große Notwendigkeit im
Anliegen von Strolz. Schulen könnten bereits jetzt Mittel autonom
einsetzen, wo sie je nach Standort benötigt werden; ihrem Antrag auf
Vertagung leisteten SPÖ und ÖVP Folge.
Opposition will besseren Zugang zu Bildung
Ebenfalls in die Vertagung geschickt wurden mehrere Anträge der
Oppposition zur organisatorischen und räumlichen Erreichbarkeit von
Bildungsangeboten.
Sowohl FPÖ als auch Grüne wollen sicherstellen, dass SchülerInnen
mittlerer und höherer Schulen in ein Polytechnikum wechseln können.
Während Walter Rosenkranz (F) dazu eine einfache Klarstellung im
Schulpflichtgesetzt verlangt (1309/A), geht Walser weiter: 14- bis
18-jährigen sei ein Poly-Zugang zu ermöglichen, inklusive
Flüchtlingen dieser Altersgruppe, auch wenn sie einen früheren
Schulbesuch nicht nachweisen können (1635/A). Derzeit würden
Lehrkräfte an mehreren Polytechnischen Schulen oftmals hart an der
Illegalität schrammen, wenn sie nicht zugelassene SchülerInnen aus
eigenem Engagement unterrichten, monierten Rosenkranz und Walser.
SPÖ-Mandatar Erwin Preiner hielt in Übereinstimmung mit
Bildungsministerin Sonja Hammerschmid entgegen, mehrere Schulversuche
liefen bereits dazu, diese gelte es abzuwarten - bis Mitte 2017, so
Hammerschmid. Die Ministerin erinnerte zudem an den heute im
Ministerrat beschlossenen Vorschlag zur Ausbildungspflicht bis 18,
worin auch Maßnahmen zum Bildungserwerb von nicht länger
schulpflichtigen Personen enthalten seien.
Bei AHS-Unterstufen vermisst Rosenkranz eine ausreichende
Versorgungsdichte in Wohnortnähe. GymnasiastInnen im
Pflichtschulalter müssten außerhalb der Großstädte oft lange Fahrten
für den Schulbesuch zurücklegen (1656/A(E)). Besonders der ländliche
Raum gerate hier bildungspolitisch ins Hintertreffen, zog Harald
Walser (G) nach und Matthias Strolz macht überhaupt einen
"Kollateralschaden der Gesamtschuldebatte" aus. Einziger Weg zur
Problembehebung ist ihm zufolge, eine einheitliche Prüfung der
Mittleren Reife am Ende der Schulpflicht einzuführen, die auf
vielfältige Weise erreicht werden kann, auch über die AHS. ÖVP-
Bildungssprecherin Brigitte Jank bestätigte das Problem mangelnder
AHS-Unterstufen, sie mahnte jedoch ein strategisches Vorgehen anhand
eines Bildungsentwicklungsplans ein. Ihre Fraktion vertagte folglich
den Vorstoß gemeinsam mit der SPÖ, für die Katharina Kucharowits am
FPÖ-Antrag bemängelte, er stehe der gemeinsamen Schule entgegen.
Ausweitung von Gebärdensprachen-Kursen für Lehrer bleibt in
Warteposition
Um den Mangel an Weiterbildungsangeboten für Gebärdensprache an
Österreichs Pädagogischen Hochschulen zu beheben, drängt Grünen-
Behindertensprecherin Helene Jarmer darauf, im Rahmen der
Leistungsvereinbarung diesbezügliche Kursangebote als Teil der
beruflichen Weiterbildungsverpflichtung für Lehrkräfte
sicherzustellen (1687/A(E)). Solange private Anbieter zum
Gebärdenspracherwerb aufgesucht werden müssen, sollte es seitens des
Ministeriums einen Kostenersatz für die betroffenen LehrerInnen geben
(1688/A(E)). PädagogInnen, die durch externe gebärdensprachliche
Ausbildungsangebote versuchen, Inklusion zu fördern, würden das in
ihrer Freizeit tun und aus eigenen Mitteln finanzieren, machte Jarmer
im Ausschuss bewusst. Aus ihrer Sicht hakt es eklatant an Kursen für
Gebärdendolmetsch. "Wann bekommen gehörlose Menschen in Österreich
endlich das Recht, in ihrer Sprache unterrichtet zu werden?", so die
Grüne.
Ein gegenteiliges Bild beschrieb Bildungsministerin Sonja
Hammerschmid. Die Pädagogischen Hochschulen hätten entsprechende
Ausbildungsangebote bereits in ihrer Leistungsvereinbarung stehen,
etwa in Niederösterreich würden diese auch auf einem hohen Niveau
umgesetzt. Die Nachfrage an Kursen ist laut Ministerin aber eher
rückläufig. Im Studienjahr 2015/2016 haben 863 angehende PädagogInnen
an den angebotenen Lehrveranstaltungen teilgenommen, im Jahr davor
waren es noch 1031. Hammerschmid will sich dem Thema aber weiterhin
widmen.
Zustimmung für das Anliegen Jarmers kam von der Sozialdemokratin
Katharina Kucharowits. Sie sieht unter anderem auch die
PädagogInnenausbildung Neu als Chance, die Gebärdensprache als
Unterrichtssprache zu etablieren. Der Vertagungsantrag der ÖVP wurde
mit den Stimmen der SPÖ unterstützt.
Ruf nach Sozialkompetenz und kritischem Diskurs
Bildungssprecher Strolz erwartet von der neuen LehrerInnenbildung,
sozialen und emotionalen Kompetenzen mehr Gewicht zu verleihen. Bei
den Auswahlverfahren von PädagogInnen findet er ebenfalls, soziale
Fähigkeiten sollten ein Anstellungskriterium sein, dass Lehrpersonen
den Anforderungen ihres Berufs gerecht werden (1536/A(E)). Weiters
hält Strolz jedes Semester ein verpflichtendes, anonymes Feedback der
SchülerInnen für jede Lehrerin und jeden Lehrer für sinnvoll. Als
Konsequenz für kontinuierlich negative Rückmeldungen schlägt er
obligatorische Fortbildungsmaßnahmen vor (1086/A(E)). Bei beiden
Anträgen, die die NEOS aus dem SchülerInnenparlament bzw. ihren
Barcamps ins Parlament mitgebracht haben, argumentierten die
Regierungsfraktionen für eine Vertragung.
SchülerInnen zu kritischen Mitgliedern der Gesellschaft zu erziehen,
sehen die Grünen generell als Bildungsauftrag, weswegen Abgeordneter
Walser jede Form von Ideologisierung an Schulen verurteilt. Im
konkreten Fall stößt er sich an der Verteilung einer von der EU-
Kommission herausgegeben Broschüre zum Freihandelsabkommen TTIP in
Gymnasien (1716/A(E)). Das Druckwerk enthält seiner Meinung nach
keinerlei Kritikpunkte am geplanten Abkommen zwischen EU und USA bzw.
würde Kritik in der Broschüre ins Lächerliche gezogen. Aus seiner
Sicht handelt es sich um "unnötige Propaganda", was es aber
brauchte,seien offene, kontroversielle Debatten an Schulen. Der
Antrag wurde mehrheitlich vertagt.
Integration an Schulen beginnt zu Hause
Großen Nachholbedarf orten die NEOS bei der Sozialarbeit an
heimischen Schulen. Dabei seien hier gerade zur Integration von
SchülerInnen mit Migrationshintergrund mehr Ressourcen nötig. In
seinem Antrag dazu schlägt Bildungssprecher Strolz unter anderem vor,
prinzipiell zu ermöglichen, dass SozialarbeiterInnen oder
spezialisierte BeratungslehrerInnen Eltern, die sich in Schulbelangen
unkooperativ zeigen, daheim besuchen (1049/A(E)). "Das ist zeitgemäße
Sozialarbeit", sagte Strolz im Ausschuss. Auch nach Meinung Harald
Walsers von den Grünen zeigt der NEOS-Antrag Defizite auf. Für ihn
stellt sich aber die Frage der Finanzierung, es handle sich hierbei
nämlich um eine klassische Aufgabe des Sozialministeriums. Der
Freiheitliche Walter Rosenkranz verwies wiederum darauf, dass es
LehrerInnen bereits jetzt möglich ist, sich an das Jugendamt oder
SozialarbeiterInnen zu wenden.
Die ÖVP erachtete hier einmal mehr eine Vertagung für angebracht, der
Koalitionspartner schloss sich dieser Sichtweise an. (Schluss
Unterrichtsausschuss) rei/keg
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