- 31.05.2016, 21:46:07
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Bundesrat gegen vorläufige Anwendung von CETA und TTIP
EU-Ausschuss beschließt einstimmig Stellungnahme
Utl.: EU-Ausschuss beschließt einstimmig Stellungnahme =
Wien (PK) - Der EU-Ausschuss des Bundesrats sprach sich heute in
einem einstimmig beschlossenen Antrag auf Stellungnahme - eingebracht
von den Bundesräten Edgar Mayer (V/V) und Stefan Schennach (S/W) -
gegen eine vorläufige Anwendung von CETA und TTIP aus. Die
LändervertreterInnen folgen damit einer einheitlichen
Länderstellungnahme der Landeshauptleutekonferenz vom 11. Mai 2016,
in dem sich die Bundesländer darüber hinaus kritisch zur
regulatorischen Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA
aussprechen. Ferner treten sie dafür ein, dass Harmonisierungen und
wechselseitige Anerkennungen auf Basis des Vorsorgeprinzips und unter
Einbeziehung der Legislative erfolgen sollen. Der Ausschuss des
Bundesrats fordert nun die Bundesregierung auf, diese Anliegen der
Bundesländer auf europäischer Ebene zu berücksichtigen.
Die Anträge der FPÖ und der Grünen wurden jeweils mit den Stimmen von
ÖVP und SPÖ mehrheitlich abgelehnt. Auch die FPÖ spricht sich in der
Initiative von Monika Mühlwerth (F/W), Christoph Längle (F/V) und
Bernhard Rösch (F/W) gegen eine vorläufige Anwendung von CETA aus und
Heidelinde Reiter, Grüne Bundesrätin aus Salzburg, drängt seitens
ihrer Fraktion darauf, CETA auf europäischer Ebene abzulehnen,
solange die einheitliche Länderstellungnahme nicht umgesetzt ist.
Minister sehen in CETA gemischtes Abkommen
Wie der im Ausschuss anwesende Vertreter des Wirtschaftsministeriums
berichtete, hätten bei der letzten Tagung des Handelsministerrats am
13. Mai 2016 alle Minister die Auffassung bekräftigt, dass es sich
bei CETA um ein gemischtes Abkommen handelt, das den nationalen
Parlamenten zur Ratifizierung vorgelegt werden muss. Breite
Zustimmung habe es auch zum Verhandlungsergebnis im Hinblick auf den
Investitionsschutz gegeben, betonte er.
Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner habe in
einer Protokollerklärung aus österreichischer Sicht drei Punkte
festgehalten: Zu einem habe er auf den Beschluss der Bundesländer vom
11. Mai 2016 hingewiesen, in dem sich diese gegen eine vorläufige
Anwendung des Abkommens aussprechen. Weiters habe der Minister
unmissverständlich klar gemacht, dass die hohen europäischen
Standards aufrechtzuerhalten sind, und schließlich habe er
festgestellt, CETA sei als gemischtes Abkommen abzuschließen. In
diesem Zusammenhang übte Stefan Schennach (S/W) harsche Kritik an
Kommissarin Cecilia Malmström, die seiner Meinung nach alles gegen
die Behandlung als gemischtes Abkommen unternommen hat.
Breite Front gegen vorläufige Anwendung
Die im Ausschuss am 11. Mai vertagten Verhandlungen zu CETA, dem
Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada, wurden heute wieder
aufgenommen (siehe Meldung der Parlamentskorrespondenz 485/2016).
In der Debatte war man sich einig, dass es sich um ein gemischtes
Abkommen handelt, jedoch war eine breite Skepsis gegenüber einer
vorläufigen Anwendung zu registrieren. "Die Parlamente werden sich in
Zukunft eine vorläufige Anwendung nicht mehr gefallen lassen", sagte
Stefan Schennach (S/W). Einem Vergleich mit anderen Abkommen hält er
sachlich für nicht gerechtfertigt, da das Abkommen eine neue Qualität
habe. Damit war er einer Meinung mit Monika Mühlwerth (F/W), die eine
vorläufige Anwendung überhaupt als verfassungswidrig betrachtet.
Ähnlich argumentierten die Vertreterinnen des österreichischen
Gewerkschaftsbundes und der Arbeiterkammer, die demokratiepolitische
Bedenken äußerten und meinten, eine vorläufige Anwendung würde den
Druck auf die nationalen Parlamente erhöhen und eine öffentliche
Diskussion behindern. Der freiheitliche Bundesrat Bernhard Rösch
(F/W) sprach sich in diesem Zusammenhang dagegen aus, die
Mehrheitsmeinung der Bevölkerung zu negieren. Wenn man das
durchpeitsche, sei die Sozialpartnerschaft tot, meinte er.
Dem gegenüber stellte der Experte des Wirtschaftsministeriums fest,
eine vorläufige Anwendung präjudiziere die Ratifizierung nicht, sie
könne auch nur dann erfolgen, wenn das Europäische Parlament dem
Vertrag zustimmt. Der Rat dürfe darüber hinaus nur jene Teile einer
vorläufigen Anwendung zuführen, die in die alleinige Kompetenz der EU
fallen. Auch seitens der Wirtschaftskammer konnte man der Kritik an
einer etwaigen vorläufigen Anwendung des Abkommens nichts abgewinnen.
In den Verhandlungen mit Kanada habe man viel erreicht, eine
Verschiebung der Umsetzung wäre für die Wirtschaft schlecht, warnte
sie.
Investitionsschutz definiert erstmals "gerechte und billige
Behandlung", bleibt aber dennoch umstritten
Ein großes Thema bleibt weiterhin der Investitionsschutz, obwohl
dieser im Sinne der EU reformiert wurde und es sich nun um ein
ordentliches Gericht mit unabhängigen RichterInnen handelt, wie
Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) unterstrich. Die Skepsis war
im Ausschuss unüberhörbar groß. So meinte die Vertreterin der
Arbeiterkammer, es geben keinen direkten Effekt zwischen
Investitionsschutz und Investitionsflüssen, außerdem sieht sie keine
volkswirtschaftlichen Vorteile. Inländische Investoren würden
diskriminiert, Unternehmen könnten die Gesetzgebung mit hohen
Schadenersatzklagen unter Druck setzen. Seitens der ÖGB führte man
ins Treffen, mit dem Investitionsschutz würde die nationale
Gerichtsbarkeit umgangen.
Dem hielt der Vertreter des Wirtschaftsministeriums entgegen,
ausländische Investoren müssten geschützt werden, da sie in einer
fremden Rechtsordnung tätig sind. Dieses Problem haben inländische
Investoren nicht, es komme daher zu keiner materiell rechtlichen
Diskriminierung. Außerdem seien erstmals in einem Handelsabkommen
Parameter für eine "gerechte und billige Behandlung" definiert
worden, das heißt Diskriminierung finde bei Rechtsverweigerung, einer
grundlegenden Verletzung des rechtsstaatlichen Prinzips, bei
manifester Willkür, bei gezielter Diskriminierung aus offensichtlich
ungerechtfertigten Gründen und bei missbräuchlichem Verhalten, wie
etwa Zwang, statt.
Sorge um die Daseinsvorsorge und die Nachhaltigkeit
Die Arbeiterkammer sieht auch die Daseinsvorsorge gefährdet und
kritisiert wie der ÖGB die regulatorische Kooperation. Für sensible
Bereiche, wie etwa Gesundheits- und Umweltschutz gebe es keine
Ausnahmen, argumentierten die beiden Arbeitnehmervertreterinnen.
Außerdem seien die Arbeitnehmerstandards nur unverbindlich verankert.
Der ÖGB tritt daher dafür ein, Sanktionen für das
Nachhaltigkeitskapitel vorzusehen.
Dazu meinte man seitens des Wirtschaftsministeriums, Kanada habe sich
bereit erklärt, die Nachhaltigkeit im Abkommen selbst zu regeln. Mit
CETA sei man daher in dieser Frage sehr weit gekommen, sagte der
Experte des Resorts, was auch von Stefan Schennach (S/W) anerkannt
wurde. Auch die Wirtschaftskammer hält die regulatorische Kooperation
für wichtig, weil man noch nicht für alle Bereiche zufriedenstellende
Ergebnisse erzielen konnte und die Behörden daher besser kooperieren
müssen.
Was die weitere Vorgangsweise betrifft, so wird der Text des
Abkommens nach Vorliegen aller Sprachfassungen dem Rat wahrscheinlich
Mitte Juni von der Kommission vorgelegt. Nach Beratung in den
zuständigen Ratsausschüssen könnte eine formelle Annahme im Herbst
erfolgen und dann im Oktober bei einem EU-Kanada-Gipfel unterzeichnet
werden. Eine allfällige vorläufige Anwendung ist erst nach Zustimmung
durch das Europäischen Parlament möglich. Dann kann auch der
Ratifizierungsprozess in den nationalen Parlamenten erfolgen.
(Fortsetzung EU-Ausschuss des Bundesrats) jan
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