• 25.04.2016, 13:08:48
  • /
  • OTS0133 OTW0133

Falter-Cover, das sexuelle Übergriffe in Köln zeigt, verletzt Ehrenkodex

Wien (OTS) - Der Senat 1 des Presserats beschäftigte sich in seiner
letzten Sitzung mit dem Titelbild der Falter-Ausgabe 1-2/16, auf dem
eine Zeichnung zu den sexuellen Übergriffen von in Gruppen
verabredeten Männern in Köln veröffentlicht ist. Nach Meinung des
Senats verstößt die Zeichnung gegen den Ehrenkodex für die
österreichische Presse.

In der Zeichnung sind fünf weinende Frauen dargestellt, die von einer
großen Anzahl von Männern sexuell belästigt werden sowie ein
Polizist, der weggedrängt wird.

Die Zeichnung ist in schwarz-weiß ausgeführt. Die fünf weinenden
Frauen haben eine helle Hautfarbe und helle Haare; sie werden von
etwa 40 – 50 Männern bedrängt und begrapscht. Die Männer haben alle
dunkle Haare und markante dunkle Augenbrauen, die meisten von ihnen
blicken grimmig drein. Die Gesichter der Männer unterscheiden sich
nicht wesentlich voneinander.

Ein Polizist mit hellen Haaren wird von einigen der Männer
weggedrängt.

Eine Leserin hat sich an den Presserat gewandt und kritisiert, dass
die Männer als „spezifisch nordafrikanisch portraitiert“ würden.
Alles Fremde würde dabei degradiert, Sexismus würde ausschließlich
als muslimisches und fremdes Problem gesehen.

Der Herausgeber und Chefredakteur des „Falter“ und die Zeichnerin
haben von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, an der Verhandlung
teilzunehmen.

Die Zeichnerin bringt vor, dass es eine Tatsache sei, dass es sich
bei den Vorfällen in Köln überwiegend um Nordafrikaner gehandelt
habe. Das sei so passiert und das müsse man so darstellen dürfen. Es
sei für jeden klar, dass sich das Cover genau auf diese Vorfälle
beziehe. Eine Pauschalverunglimpfung liege daher nicht vor. Die
Zeichnerin betont, dass es sich bei ihrem Werk nicht um eine
(überhöhende) Karikatur sondern um die Abbildung eines Sachverhaltes
in Form einer Illustration handle. Auf Fotos des Domplatzes in Köln
sei zu sehen, dass sich dort praktisch fast nur nordafrikanische
Männer aufgehalten hätten. Die Männer seien aber nicht als
„spezifisch nordafrikanisch“ portraitiert, dies sei einfach die Art,
wie sie zeichne. Sexismus und sexuelle Gewalt würden durch die
Illustration weder als fremdes, noch als ausschließlich muslimisches
Problem dargestellt und die Zeichnung sei auch nicht rassistisch.

Der Herausgeber weist den Vorwurf der Pauschalverunglimpfung und
Diskriminierung zurück und meint, dass es sich hier um eine
Illustration mit künstlerischem Anspruch handle, die sowohl die
Freiheit der Kunst als auch die Meinungsfreiheit für sich in Anspruch
nehmen könne und sich klar im Rahmen des Erlaubten befinde. Es sei
vollkommen klar gewesen, was passiert sei. Diese Tatsache sei in der
Illustration künstlerisch umgesetzt worden. Er sehe in der Kritik
eine Verunglimpfung des „Falter“, der als rassistisches Blatt
hingestellt werden solle, was er nicht sei. Alleine aufgrund der
Tatsache, dass es im „Falter“ erschienen sei, müsse klar sein, dass
hier keine „rassistische Propaganda“ gemacht werde.

Der Senat hält zunächst fest, dass das inkriminierte Bild am Cover
erschienen und somit als eigenständige Veröffentlichung zu bewerten
ist.

So wie die Zeichnerin wertet der Senat diese Darstellung nicht als
Karikatur, bei der das Recht auf Meinungsfreiheit und das Recht auf
Kunstfreiheit einen größeren Anwendungsbereich hätten.

Für die Beurteilung durch den Senat kommt es nicht auf die Absicht
an, die eine Zeichnerin mit dem Werk verfolgt, sondern vielmehr und
ausschließlich darauf, wie dies von den Lesern wahrgenommen wird.

Die Männer werden alle mit dem mehr oder weniger gleichen grimmigen
Gesicht, dunklen Haaren und markanten dunklen Augenbrauen
dargestellt. Dadurch wird – im Kontext mit den Vorfällen in Köln –
ein Prototyp eines Mannes aus dem nordafrikanischen bzw. arabischen
Raum konstruiert. Durch die Uniformität der Darstellung wird
suggeriert, dass es sich dabei nicht um einzelne Individuen, sondern
um eine homogene Gruppe handelt, bei der sich alle Mitglieder gleich
verhalten würden, so der Senat weiter. Dadurch kann bei den Lesern
der Eindruck entstehen, dass die sexuellen Belästigungen von Frauen
in Köln nicht nur Taten einzelner Personen oder Personengruppen
gewesen seien, sondern für Männer aus dem nordafrikanischen bzw.
arabischen Raum typisch seien.

Nach Ansicht des Senats weist die Zeichnung damit ein
generalisierendes Element auf. Es kann der Anschein erweckt werden,
als würden sich alle Männer aus dem nordafrikanischen Raum auch hier
in Europa Frauen gegenüber nicht entsprechend korrekt verhalten.
Darin erkennt der Senat eine Pauschalverunglimpfung und
Diskriminierung dieser Personen.

Für die Bewertung durch den Presserat ist nicht die generelle
politische Einstellung bzw. die Blattlinie einer Zeitung
ausschlaggebend, schon gar nicht, wenn es sich wie im vorliegenden
Fall um ein Cover handelt, das auch von Personen wahrgenommen werden
kann, die die Blattlinie der Zeitung nicht kennen.

Die Veröffentlichung des Titelbildes verstößt somit gegen Punkt 7
(Schutz vor Pauschalverunglimpfungen und Diskriminierung) des
Ehrenkodex.

Der Senat fordert die Falter Zeitschriften Gesellschaft m.b.H. auf,
die Entscheidung freiwillig im Falter zu veröffentlichen.

Selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung einer Leserin

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen
Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und
Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des
Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.

Im vorliegenden Fall hat der Senat 1 des Presserats aufgrund einer
Mitteilung einer Leserin ein Verfahren durchgeführt (selbständiges
Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der
Senat seine Meinung, ob ein Artikel den Grundsätzen der Medienethik
entspricht. Die Medieninhaberin der Wochenzeitung „Falter“ hat von
der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, Gebrauch gemacht.

Die Medieninhaberin der Wochenzeitung „Falter“ hat sich der
Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats unterworfen.

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | OPR

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel