• 22.04.2016, 09:30:01
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Diskriminierung der Befreiten des KZ Mauthausen in Zeitschrift „Die Aula“

Wien (OTS) - Der Senat 3 des Presserats beschäftigte sich mit dem
Artikel „Mauthausen-Befreite als Massenmörder“, erschienen in der
Zeitschrift „Die Aula“ von Juli & August 2015. Nach Meinung des
Senats ist der Artikel ein schwerer Verstoß gegen den Ehrenkodex für
die österreichische Presse.

Der Artikel ist eine Rezession zu dem Buch „Werwölfe im Waldviertel?
Das Jahr 1945 im Granithochland“. In dem Buch wird erwähnt, dass im
Mai 1945 acht minderjährige Hitlerjungen (wahrscheinlich sogenannte
Werwölfe) von zwei ehemaligen Insassen des Konzentrationslagers
Mauthausen ermordet worden seien. Diese Tat wird in dem Artikel als
„Massenmord an acht Hitlerjungen“ bezeichnet.

Der Artikel trägt die Überschrift „Mauthausen-Befreite als
Massenmörder“ und beginnt mit dem Satz „Die Tatsache, daß (sic!) ein
nicht unerheblicher Teil der befreiten Häftlinge aus Mauthausen den
Menschen zur Landplage gereichte, gilt für die Justiz als erwiesen
und wird heute nur noch von KZ-Fetischisten bestritten.“ Weiter unten
findet sich die Passage „Auf einen Schlag waren über 18.000
registrierte Häftlinge frei [aus Mauthausen, Anm.], dazu noch eine
unbekannte Anzahl nicht erfaßter (sic!) Insassen. Raubend und
plündernd, mordend und schändend plagten die Kriminellen das unter
der ‚Befreiung‘ leidende Land. Eine Horde von 3.000 Befreiten wählte
den Weg ins Waldviertel im Nordwesten von Niederösterreich und
wetteiferte dort mit den sowjetischen ‚Befreiern‘ in der Begehung
schwerster Verbrechen.“

Der Chefredakteur des Magazins „Die Aula“ bringt vor, dass der Autor
des Artikels dazu neige, hart bis spöttisch zu schreiben, dieser gehe
aber immer der Sache auf den Grund. Die Überschrift entspreche dem
Inhalt des Buches, dass zwei befreite Häftlinge acht Hitlerjungen
umgebracht haben – ab vier Morden könne man von einem Massenmord
sprechen.

Der Autor habe außerdem nur einen Teil der KZ-Befreiten gemeint. Die
Passage über die „raubenden und plündernden Kriminellen“ sei
unscharf. Allerdings sei im Satz danach von Kriminellen die Rede,
nicht von allen KZ-Befreiten.
Der Senat bezweifelt es nicht, dass es in Einzelfällen zu kriminellen
Übergriffen durch befreite KZ-Häftlinge gekommen ist.
Selbstverständlich ist es auch möglich, darüber zu berichten.

Trotzdem erkennt der Senat in der vorliegenden Veröffentlichung eine
klare Pauschalverunglimpfung. Schon durch die Überschrift
„Mauthausen-Befreite als Massenmörder“ kommt es zu einer deutlichen
Diskriminierung von befreiten KZ-Insassen. Gleiches gilt für den
ersten Satz des Artikels, laut dem „ein nicht unerheblicher Teil der
befreiten Häftlinge aus Mauthausen“ nach Meinung des Autors „den
Menschen zur Landplage gereichte.“

Besonders verwerflich empfindet der Senat jene Passage, in der
zunächst auf alle Mauthausen-Befreiten Bezug genommen wird und
unmittelbar im Anschluss davon die Rede ist, dass „die Kriminellen
raubend und plündernd, mordend und schändend das unter der
‚Befreiung‘ leidende Land plagten.“

Dem Autor ging es offensichtlich darum, die KZ-Opfer generell als
Verbrecher zu stigmatisieren, ähnlich wie es das NS-Regime bereits
vor Ende des zweiten Weltkriegs versucht hatte.

Der Senat erkennt darin eine Täter-Opfer-Umkehr. Der staatlich
organisierte Massenmord, der im KZ Mauthausen stattgefunden hat,
findet in dem Artikel mit keinem Wort Erwähnung.

Der Artikel ist auch nicht damit zu rechtfertigen, dass offenbar eine
Gruppe von acht Hitlerjungen, die wahrscheinlich als sogenannte
Werwölfe gegen die Alliierten auch noch nach Kriegsende Widerstand
leisten wollten, von zwei KZ-Insassen umgebracht wurden. Dieser
Vorfall darf nicht dazu missbraucht werden, die befreiten Insassen
aus dem KZ Mauthausen generell zu verunglimpfen.

Der Senat hält zusammenfassend fest, dass in dem Artikel die
Befreiten des KZ Mauthausen auf eine grobe Art und Weise verunglimpft
worden sind und stellt daher einen schweren Verstoß gegen Punkt 7 des
Ehrenkodex fest (Schutz vor Pauschalverunglimpfungen und
Diskriminierung).
Der Senat fordert die Medieninhaberin auf, die Entscheidung
freiwillig in der Zeitschrift „Die Aula“ zu veröffentlichen.

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUS EIGENER WAHRNEHMUNG

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen
Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und
Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des
Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.

Im vorliegenden Fall führte der Senat 3 des Presserats auf eigene
Initiative ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aus eigener
Wahrnehmung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob
ein Artikel oder ein journalistisches Verhalten den Grundsätzen der
Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin des Magazins „Die Aula“
hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, Gebrauch
gemacht.

Die Medieninhaberin des Magazins „Die Aula“ hat sich der
Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht unterworfen.

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