• 15.04.2016, 08:35:43
  • /
  • OTS0012 OTW0012

PRAEVENIRE Gesundheitsforum Seitenstetten: Im Zeichen von Public Health und Impfschutz

v. l. n. r.: Dr. Armin Fidler, Univ.-Prof. Dr. Ursula
Wiedermann-Schmidt, Cristian Baeza, MD, MPH und Prof. Seppo Meri

Seitenstetten (OTS) - Im Rahmen des PRAEVENIRE Gesundheitsforums
wurde „Public Health“ am 14. April, als erster von vier
Themenschwerpunkten, umfassend diskutiert. Unter dem Titel „Public
Health – Vaccination“ verfolgten die Experten das Ziel, international
erfolgreiche Lösungen zu diskutieren und auf Basis von
österreichischen Beschlüssen ein Modell zur konkreten Umsetzung in
der niederösterreichischen Marktgemeinde Pöggstall zu entwickeln. Der
Fokus lag auf dem Public Health-Teilbereich Impfschutz. Eine
Videobotschaft des österreichischen Finanzministers Dr. Hans Jörg
Schelling stimmte die Teilnehmer des PRAEVENIRE Gesundheitsforums auf
den Tag ein. Er wünschte ihnen konstruktive Diskussionen und viel
Erfolg bei der Erarbeitung konkreter Projektpläne zur Umsetzung in
den PRAEVENIRE-Gemeinden.

Der von der London School of Economics (LSE) publizierte Bericht
„Public Health in Austria – An Analysis of the Status of Public
Health” des Jahres 2011 zeigte Problemfelder und
Optimierungspotenziale im Public Health-Sektor in Österreich auf. Ein
daran angelehnter von der PERI Group in Zusammenarbeit mit dem
Management Center Innsbruck (MCI) veröffentlichter Report
kritisierte, dass noch immer keine einheitliche Übersetzung des
Begriffs ins Deutsche existiert, wodurch verschiedenste Assoziationen
entstehen. Zudem fehlt es in Österreich an einer leitenden Public
Health-Institution, wie es sie in skandinavischen Ländern,
Großbritannien oder der Schweiz bereits gibt. Ein weiterer
Kritikpunkt ist die Verteilung von Geldern nach dem
„Gießkannenprinzip“.

In seiner Einleitung zum Themenschwerpunkt verwies Cristian Baeza,
MD, MPH, Professor of Global Health und Director for Health Systems
at the Institute for Health Metrics and Evaluation an der University
of Washington, auf globale Erfahrungen zum Public Health-Sektor und
Veränderungen in diesem Bereich in Chile. Im Vergleich der Daten zur
Gesundheitsbelastung in seinem Heimatland stellte er fest:
„Vergleicht man die Gesundheitsdaten des Jahres 1990 mit jenen des
Jahres 2010 in Chile, weisen sie eine negative Entwicklung auf. Die
Risikofaktoren zur Gesundheitsbelastung des Jahres 1990 waren
dieselben, wie sie es auch heute noch sind - z. B. Bluthochdruck,
mangelnde Bewegung oder falsche Ernährung. Sie unterscheiden sich
kaum von jenen in Österreich. Er hob Punkte hervor, die nicht nur für
Chile, sondern auch für Österreich zur Verbesserung des öffentlichen
Gesundheitswesen gültig sind: „Es werden mehr und bessere Daten
benötigt. Die Gesundheitsvorsorge soll von der Gesundheitsfürsorge
hin zu Gesundheit als ganzheitlichen Begriff geführt werden.
Sozioöknomische Entwicklungen und mehr Effizienz im Gesundheitswesen
sind nötig, reichen aber alleine nicht aus um die öffentliche
Gesundheitsversorgung zu verbessern. Für ein gelungenes Public
Health-System werden zudem Institutionen benötigt, die Fortschritte
im Gesundheitssystem, vor allem im Präventionsbereich, vorantreiben
und den Menschen nutzbar machen. Wir benötigen darüber hinaus
verstärkt multidisziplinäre Zugänge”, so Cristian Baeza. In einer
abschließenden Betrachtung des österreichischen Gesundheitswesens
hielt Christian Baeza fest: „Es gibt in Österreich
Optimierungspotenziale. Insgesamt kann das Land aber stolz auf sein
Gesundheitswesen sein!“

Impfschutz in Finnland

Die Brücke zum Public Health-Teilbereich „Vaccination“ wurde im
anschließenden Vortrag geschlagen. In seinem Impulsstatement stellte
Prof. Seppo Meri, Head of the Haartman Institute, Department of
Bacteriology and Immunology der University of Helsinki, das nationale
Impfprogramm in Finnland vor: „Finnland verfügt mit seinen 5,4
Millionen Einwohnern über ein aktiv betreutes zentrales Impfprogramm.
Verantwortlich zur Umsetzung und regelmäßigen Evaluierung der
Maßnahmen ist das National Institute for Health and Wellfare.
Vorschläge zur Adaptierung werden von unabhängigen Expertengruppen
analysiert, der Beschluss zur Aufnahme in das Impfprogramm erfolgt
durch das finnische Ministerium für Soziales und Gesundheit.
Grundlage für die Aufnahme neuer Impfstoffe sind ihre Auswirkung auf
die Krankheitslast, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit.“

In seinem Impulsvortrag sprach Prof. Meri auch die wirtschaftliche
Komponente des Impfschutzes an: „Durch die Aufnahme neuer Impfstoffe
in das nationale Impfprogramm Finnlands haben sich die jährlichen
Programmkosten auf rund 20 Millionen Euro nahezu verdoppelt. Dem
gegenüber stehen mit einer geschätzten jährlichen Einsparung von 30
bis 100 Millionen Euro an Gesundheitskosten und der erheblichen
Verringerung der Anzahl an Todesfällen und schweren Infektionen große
Vorteile. Die Durchimpfungsrate in Finnland ist konstant hoch,
Impfungen werden elektronisch erfasst und analysiert, das Vertrauen
der Öffentlichkeit zu Impfstoffen wird mit Hilfe von sachlichen,
faktenbasierten Informationen aktiv gefördert.“

Impfwesen in Österreich

Im Vergleich hinkt Österreich dem „Musterschüler“ Finnland hinterher.
Der globale OECD-Bericht „Health at a Glance 2015“ ergab, dass
Österreich bei der Impfrate gegen Masern noch hinter Ländern wie
Costa Rica, Chile oder Mexiko platziert ist. Univ.-Prof. Dr. Ursula
Wiedermann-Schmidt, Leiterin des Instituts für Spezifische Propyhlaxe
und Tropenmedizin der Medizinischen Universität Wien, ging im Rahmen
ihres Impulsvortrags „Impfen im österreichischen Alltag“ auf die
Thematik ein. Als vier wichtigste Ziele des Impfens nannte sie den
Individualschutz, den Kollektivschutz, die Verminderung der
Erkrankungsinzidenz sowie die Elimination und Eradikation von
Krankheiten.

„In Österreich ist ein kontinuierlicher Anstieg von Krankheiten wie
Masern oder Keuchhusten festzustellen. Auch die hohe Anzahl an
Influenza- und damit assoziierten Todesfällen sowie die steigende
Anzahl an Impfskeptikern machen deutlich, dass zusätzliche
Überzeugungsarbeit erforderlich ist. Impfungen stellen eine der
wirksamsten Präventionsmöglichkeiten zum Individual- und
Kollektivschutz dar. Wer geimpft ist, schützt nicht nur sich, sondern
auch seine Mitmenschen. Besonders vulnerable Personen haben ein
erhöhtes Infektionsrisiko und sind auf den sogenannten Herdenschutz
angewiesen. Dieser ist jedoch nur bei hohen Durchimpfungsraten
gegeben. Bei den hochansteckenden Masern muss eine Durchimpfungsrate
von 95% erreicht werden um die Ausbreitung der Erkrankung erfolgreich
zu verhindern – davon sind wir aber immer noch weit entfernt.
Österreich hat die zweithöchste Inzidenzzahl bei Masern und die
dritthöchste Fallzahl zu dieser Erkrankung in Europa“, so Univ.-Prof.
Dr. Wiedermann-Schmidt.

In ihrem Vortrag verwies sie auf den nachweislichen Rückgang von
Krankheiten durch Impfschutz, wodurch unnötiges Leid bei Betroffenen
verhindert und das Gesundheitssystem durch eine Reduktion von
Therapiekosten und Hospitalisierungsraten entlastet wird. Zur
Erhöhung der Durchimpfungsraten bei Erwachsenen verwies Univ.-Prof.
Dr. Wiedermann-Schmidt auf die Notwendigkeit, den Zugang zu
erleichtern, etwa durch Impfungen am Arbeitsplatz. Die Mitgründerin
der unabhängigen Impfinitiative „Geimpft – Geschützt – Sicher“
(geimpftundsicher.at) engagiert sich zudem bei der Umsetzung des
Projektmodells zum Themenblock in der niederösterreichischen
Marktgemeinde Pöggstall.

Moderiert wurde der erste Themenblock von Dr. Armin Fidler,
Vorsitzender des PRAEVENIRE-Boards. Er hielt zusammenfassend fest:
„Gerade wenn wir den internationalen Vergleich betrachten, etwa heute
am Beispiel Finnlands, wird klar, dass wir in Österreich beim
Impfschutz deutlich hinterher hinken. Wir benötigen im Impfwesen mehr
Surveillance und elektronische Immunisation Records. Die Inzidenz von
immunpräveniblen Erkrankungen ist inakzeptabel und sowohl eine
menschliche als auch ökonomische Fehlentwicklung.“

Podiumsdiskussion und Projektentwicklung

Im Rahmen der Podiumsdiskussion zum ersten Themenbereich des
PRAEVENIRE Gesundheitsforums verwies Prof. Seppo Meri auf das
elektronische Datensammelsystem in Finnland, welches zu einer
erheblichen Verbesserung der Impfsituation in Finnland führte. Bei
Erwachsenen findet der Zugang zu Impfungen in vielen Fällen über den
Arbeitsplatz statt. Cristian Baeza wiederum strich die Wichtigkeit
von Daten hervor, welche vor allem auch überzeugend kommuniziert
werden müssen um die Akzeptanz zu öffentlichen Gesundheitsmaßnahmen
zu erhöhen. Er strich neben dem Impfschutz im Public Health-Sektor
hervor, dass ein vermehrter Fokus auf Risikofaktoren wie etwa
Übergewicht, Bluthochdruck oder negativen Verhaltensweisen, wie etwa
Nikotinkonsum, gelegt werden muss. Univ.-Prof. Dr. Ursula
Wiedermann-Schmidt wiederum verwies auf die Schwierigkeit der
Erfassung korrekter Impfdaten in Österreich und plädierte für die
Einführung eines elektronischen Impfpasses. Zur Verbesserung der
Impfsituation in Österreich verwies sie auf die Notwendigkeit von
vermehrter Aufklärung um Impfskepsis und Unwissenheit abzubauen. Alle
Teilnehmer des Panels waren sich einig, dass Aufklärungs- und
Präventionsmaßnahmen möglichst frühzeitig, im Schulalter, beginnen
müssen.

Auf Basis von österreichischen Beschlüssen und des in den Vorträgen
gesammelten Wissens entwickelten die Teilnehmer des PRAEVENIRE
Gesundheitsforums im Rahmen von Workshops ein Projektmodell zur
konkreten Umsetzung in der niederösterreichischen Marktgemeinde
Pöggstall. Unter dem Motto „Pöggstall sucht den Impfkalender“ umfasst
das Projektmodell die Stärkung der Gesundheitskompetenz, die
Erfassung des Impfstatus und der Durchimpfungsrate sowie die Erhöhung
der Durchimpfungsrate durch Impfaktionen vor Ort.

Über Praevenire

Von 13. bis 16. April findet im Benediktinerstift Seitenstetten die
Premiere des PRAEVENIRE Gesundheitsforums statt. Ziel des PRAEVENIRE
Gesundheitsforums ist es, vorhandenes Wissen in Zusammenarbeit mit
nationalen und internationalen Experten in Programme zu übersetzen,
deren Umsetzung einen direkten Nutzen für die Bevölkerung stiften.
Die Erfolgsindikatoren der Umsetzung werden gemeinsam von Experten
und den Vertretern der Gemeinde bestimmt. Die Umsetzung der Projekte
erfolgt in 4 österreichischen Gemeinden: Bruck an der Mur, Haslach,
Pöggstall und Satteins.

Über das Gesundheitsforum wird an allen Veranstaltungstagen auch via
Liveticker berichtet. Zum Liveticker gelangen Sie über die Rubrik
„PRAEVENIRE“ auf: presse.welldone.at

Die in diesem Pressetext verwendeten Personen- und
Berufsbezeichnungen treten der besseren Lesbarkeit halber nur in
einer Form auf, sind aber natürlich gleichwertig auf beide
Geschlechter bezogen.

Bild(er) zu dieser Aussendung finden Sie im AOM / Originalbild-Service
sowie im OTS-Bildarchiv unter http://bild.ots.at

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | WDM

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel