- 13.04.2016, 17:40:17
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Mailath ehrt Zeitzeuginnen: „Respekt und Anerkennung für die Weitergabe von Erinnerung“
Wien (OTS) - „Erinnerung vermitteln, weitergeben und wachhalten ist
eine der schwierigsten Aufgaben. Die eigene Geschichte für junge
Generationen nachvollziehbar machen und nicht verdrängen oder
verschweigen, dafür gebührt größte Anerkennung, Respekt und Dank“,
sagte Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny heute, Mittwoch,
anlässlich einer bewegenden und berührenden Ehrenzeichenverleihung im
Wiener Rathaus an Zeitzeuginnen: Danuta Nemling erhielt das Goldene
Verdienstzeichen der Republik Österreich, Helga Kinsky das Goldene
Verdienstzeichen des Landes Wien und Tanja Eckstein das Silberne
Verdienstzeichen des Landes Wien.
„Danuta Nemling gibt heute Interviews und hält Vorträge an
Schulen. Sie ist eine unermüdliche Kämpferin für das Gute im
Menschen“, so Laudator Lothar Hahn.
„Helga Kinsky erzählt in Schulklassen, auf internationalen
Versammlungen und wissenschaftlichen Tagungen ihre Lebensgeschichte,
ganz ohne unterschwellige Anklage und Vorwürfe. Das ist heute wieder
mehr denn je notwendig, da sich Millionen Menschen wegen Krieg und
Terror auf der Flucht befinden und nicht wissen, wo sie Schutz finden
werden“, betont Peter Gstettner, ehemals Professor für
Erziehungswissenschaft an der Universität Klagenfurt, in seiner
Laudatio auf die Zeitzeugin.
„Tanja Eckstein hat an die siebzig Interviews mit Zeitzeuginnen
und Zeitzeugen geführt und diese in einer übersichtlichen
Online-Datenbank verfügbar gemacht. Sie organisiert Besuche in
Schulen und monatliche Treffen mit den von ihr interviewten
Menschen“, weiß Rita Dauber, Vizepräsidentin des WIZO-Österreich, der
Women’s International Zionist Organization. „Es geht dabei auch um
Wien, um Menschen, die hier aufwuchsen, vertrieben wurden,
zurückkehrten und heute hier ihren Lebensabend verbringen. Ecksteins
Interviews sind Beiträge für die Wissenschaft und tragen zu einem
besseren Verständnis für Geschichte bei“.
Zwt.: Biographie Danuta Nemling
Danuta Nemling, geboren 1930, überlebte als Jugendliche das
Konzentrationslager Ravensbrück. Später engagierte sie sich im Rahmen
des auslandspolnischen Vereins- und Verbandswesens in Österreich. So
war sie Präsidentin des Verbandes der Polen in Österreich „Strzecha“.
1894 gegründet, widmet sich der Verein vor allem dem kulturellen
Austausch zwischen Polen und Österreich.
Nemling war auch an der Gründung des Dachverbandes polnischer
Organisationen in Österreich, dem „Forum der Polen“ (Forum Polonii),
beteiligt. Die Hauptaufgabe des Forums liegt in der
Interessenvertretung der in Österreich ansässigen Polen. Diese
gemeinsame Vertretung soll die Interessen der Polen in ihren
Kontakten mit österreichischen, polnischen und internationalen
Institutionen umfassen, ohne dabei in die inneren Angelegenheiten
einzelner Vereine einzugreifen. Überdies strebt es die Pflege der
Muttersprache und der polnischen Kultur sowie die Entwicklung guter
Beziehungen zwischen den beiden Ländern und Völkern an.
Zwt.: Biographie Helga Kinsky
Helga Kinsky wurde 1930 in Wien als Kind jüdischer Eltern geboren.
Ihr Vater Otto Pollak führte das Café Palmhof in der äußeren
Mariahilferstraße, das er zu einem renommierten Künstler- und
Veranstaltungslokal entwickelte.
Nachdem am 20. Mai 1938 die „Nürnberger Rassengesetze“ in
Österreich in Kraft getreten waren, kehrte Helga Kinsky von ihrem
Sommerurlaub bei Verwandten im tschechischen Kyojov nicht mehr nach
Wien zurück. Otto Pollak kam im September 1941 von Wien zu seiner
Tochter nach Kyojov. Im Januar 1943 wurden die beiden schließlich
nach Theresienstadt deportiert, wo Helga im Mädchenheim L 410 in
einem Zimmer mit bis zu 30 anderen Mädchen untergebracht war. Am 23.
Oktober 1944 wurde sie in einem Viehwaggon nach Auschwitz deportiert,
wurde dort aber für den Arbeitsdienst in einer Chemiefabrik in
Sachsen ausgewählt und weitergeschickt. Die Befreiung durch die
Alliierten erlebte Helga Kinsky gemeinsam mit ihrem Vater in
Theresienstadt, wohin sie Ende April 1945 deportiert worden war.
1946 übersiedelte Helga Kinsky zu ihrer Mutter nach London. Dort
machte sie ihre Matura und besuchte das College. Sie heiratete 1951
Gerhard Max Kinsky, einen aus Ostpreußen stammenden jüdischen
Emigranten, mit dem sie zunächst in Bangkok, danach in Addis Abeba,
Äthiopien, lebte. 1957 übersiedelte die Familie nach Wien, wo Helga
Pollak-Kinsky bis heute lebt.
Ihre Bekanntheit als Zeitzeugin und Überlebende von Theresienstadt
gründet auf dem Tagebuch, das die 12- bis 14-jährige Helga in den
Jahren 1943 und 1944 auf Tschechisch führte. Als Zeitdokument dem
Tagebuch der Anne Frank vergleichbar schildert es den Alltag im Lager
Theresienstadt, das Zusammenleben Dutzender Mädchen in einem Zimmer,
die Angst vor der bevorstehenden Deportation nach Auschwitz und den
Verlust von Freunden und Verwandten.
Helga Kinsky engagiert sich seit 2002 als Vortragende und
Vorlesende zum Thema Holocaust.
Zwt.: Biographie Tanja Eckstein
Tanja Eckstein wurde 1949 in Berlin/Zehlendorf geboren und ist in der
Deutschen Demokratischen Republik aufgewachsen. Nach der Schule
arbeitete sie in Verlagen und im Buchhandel. 1984 emigrierte Eckstein
nach Wien, wo sie 15 Jahre als Buchhändlerin tätig war. Seit 2002
arbeitet sie für den Verein Centropa (Zentrum zur Erforschung und
Dokumentation jüdischen Lebens in Ost- und Mitteleuropa). Der Fokus
von Centropa liegt nicht auf dem Holocaust, sondern darauf, jüdische
Erinnerungen anhand von Interviews („Oral History“) und Familienfotos
zu bewahren.
Tanja Eckstein hat im Zuge ihrer Arbeit für Centropa an die 70
Lebensgeschichten von vor allem in Wien lebenden Juden, die den
Holocaust überlebten, dokumentiert. Im Jahr 2008 erschien im
Mandelbaum-Verlag das Buch „Wie wir gelebt haben. Wiener Juden
erinnern sich an ihr 20. Jahrhundert“, bei dem sie Mitherausgeberin
ist. Außerdem besucht Tanja Eckstein gemeinsam mit den ZeitzeugInnen
im Rahmen von Zeitgeschichte-Projekten Schulen.
Darüber hinaus leitet Tanja Eckstein das Café Centropa, den
größten jüdischen Seniorenclub Mitteleuropas. Sie organisiert nicht
nur die monatlichen Treffen, sondern auch kulturelle Veranstaltungen
und gemeinsame Ausflüge für die SeniorInnen.
„Pressebilder auf
https://www.wien.gv.at/gallery2/rk/run.php?g2_itemId=43452 abrufbar.“
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