- 30.03.2016, 19:15:19
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Bundesheerthemen im Rechnungshofausschuss
Mängel beim Kauf des Funksystems CONRAD und am Übungsplatz Allentsteig
Utl.: Mängel beim Kauf des Funksystems CONRAD und am Übungsplatz
Allentsteig =
Wien (PK) - Im Vorfeld der heutigen Sitzung des
Rechnungshofausschusses befasste sich der Rechnungshof (RH) mit
Themen der Landesverteidigung. Im Rahmen der Gebarungsüberprüfung
untersuchte er die Anschaffung des Truppenfunksystems CONRAD sowie
die Erfüllung von Führungsaufgaben am Truppenübungsplatz Allentsteig.
Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil stand den Mitgliedern des
Rechnungshofausschusses zu den Prüfungsergebnissen Rede und Antwort.
RH-Kritik an Beschaffung des Truppenfunksystems CONRAD
Das Verteidigungsministerium schloss im Jahr 2007 einen Kaufvertrag
über ein neues Truppenfunksystem CONRAD (Combat Net Radio) um 76,02
Mio. € ab. Die Kaufabwicklung wurde nun vom Rechnungshof überprüft,
der zu dem Schluss kam, dass der gesamte budgetäre Aufwand bis
September 2013 mindestens 85,87 Mio. € betrug (III-179 d.B.). Kritik
übte der Rechnungshof sowohl an der mangelnden Vertragserfüllung als
auch an einem fehlenden Gesamtkonzept des Ministeriums. Zudem
stellten die Prüfer keinen konkreten Bedarf an dem System in der
beschafften Ausprägung fest. Auch der Beschaffungsablauf und das
angewandte Vergabeverfahren wiesen Mängel auf, insbesondere die
Wiederaufnahme eines ausgeschiedenen Bieters in das Vergabeverfahren
war auch Sicht des Rechnungshofs nicht nachvollziehbar. Weitere
Kritik galt einer durch Lieferverzögerungen begründeten
Vertragsstrafe in Höhe von 1,55 Mio. €, die durch zusätzliche
Leistungen kompensiert wurde, deren Bedarf nicht nachvollziehbar
gewesen sei. So blieben die finanziellen Ressourcen im
Landesverteidigungsressort, statt in das allgemeine Bundesbudget zu
fließen, zeigte RH-Präsident Moser auf. Zudem wurde vom Ministerium
eine Gegengeschäftsvereinbarung über 55 % österreichischer
Wertschöpfung abgeschlossen, deren Nachweise Widersprüche aufweisen
und deren Höhe bis zur Erstellung des Prüfberichts nicht erreicht
wurde, informierte RH-Präsident Moser die Mitglieder des Ausschusses.
Der Rechnungshof empfahl daher, ein Gesamtkonzept zu erstellen und
künftig Beschaffungen erst nach Vorliegen der erforderlichen
Budgetmittel einzuleiten. Das Ministerium soll die Erfüllung von
Pflichtforderungen in der Leistungsbeschreibung aller Angebote
überprüfen und objektive Kriterien für die nachträgliche Beiziehung
von Unternehmen definieren. Darüber hinaus soll bei Vergaben die
Preisangemessenheit der beschafften Leistung nachgewiesen werden. In
Richtung Bundesminister Doskozil riet RH-Präsident Moser, aktuelle
EU-konforme Vergabenormen einzuhalten.
CONRAD ist ein digitales Funksystem, das funktioniert, wenn andere
Systeme ausfallen, betonte Minister Doskozil und erläuterte die
Anpassung des Systems im Zuge des Kaufs an die Anforderungen des
Heeres. Auch künftig sind Updates notwendig, erklärte der Minister
auf die Frage von Norbert Sieber (V), warum die Lebenszykluskosten
bei der Vergabe nicht bekannt waren. Derzeit befinden sich 100 Geräte
im internationalen Einsatz; 80% der Altgeräte wurden bereits
veräußert, antwortete Doskozil Norbert Sieber.
Als "Kauf ohne Plan" bezeichnete Gabriela Moser (G) die Beschaffung
des Funksystems CONRAD und forderte den Verteidigungsminister dazu
auf, künftig Schritte zur Bekämpfung des Lobbyismus zu setzen.
Fraktionskollege Werner Kogler erkannte Möglichkeiten für
Provisionäre in diesem Geschäft. Für Abgeordnete Waltraud Dietrich
(T) war eine österreichische Wertschöpfung nicht nachvollziehbar.
Verwunderlich sei auch, dass das Funksystem nicht abhörsicher sei,
was der Verteidigungsminister dementierte.
Das Problem der Gegengeschäftsvereinbarungen sei künftig im
Wirtschaftsausschuss zu diskutieren, so Elmar Mayer (S), der bei der
Beschaffung Anzeichen von Korruption erkannte. Seitens der NEOS
unterstrich Claudia Gamon, die budgetäre Deckung sei vor Abschluss
eines Vertrages sicherzustellen. Bei Bundesbeschaffungen gebe es
immer wieder dieselben Mängel, kritisierte Christian Lausch (F) und
wies auf die Aufnahme eines bereits ausgeschlossenen Bieters ins
Vergabeverfahren hin. Zudem bemängelte der Abgeordnete, der
"Bestbieter" habe bis März 2014 nicht alle vereinbarten Leistungen
erbracht. Kritisch sah er auch die Abgeltung des vereinbarten Pönales
in Form weiterer Beschaffungen.
Die Wiederaufnahme des Bieters in das Vergabeverfahren wurde auf
Empfehlung der Rechtsabteilung durchgeführt, teilte der Minister mit,
dadurch sei ein günstigerer Gesamtpreis erzielt worden. Das
entsprechende Vergabegesetz wird eingehalten, hielt Doskozil
gegenüber Rechnungshofpräsident Josef Moser fest. Zu der Kritik des
Rechnungshofs, die Vertragsstrafe mit weiteren Anschaffungen zu
kompensieren, erklärte Doskozil die Vorgangsweise seines Ressorts und
wies auf die Kürzungen im Heeresbudget seit dem Jahr 2000 hin.
Die vereinbarte Wertschöpfung von 55% durch österreichische
Unternehmen sei nun sichergestellt, dies wurde durch das
Wirtschaftsministerium bestätigt, ließ der Verteidigungsminister die
Abgeordneten wissen und verwahrte sich gegen jeden behaupteten
Korruptionsverdacht bei dieser Beschaffung. Der Rechnungshofausschuss
nahm den Prüfbericht einstimmig zur Kenntnis.
Organisationsmängel beim Truppenübungsplatz Allentsteig
Der 15.700 Hektar große Truppenübungsplatz (TÜPL) Allentsteig im
Waldviertel dient dem Bundesheer als Ausbildungs- und Schießstätte,
umfasst aber auch land- und forstwirtschaftliche Flächen, Jagdreviere
und Steinbrüche. Kritik des Rechnungshofs an der Erfüllung
wirtschaftlicher Aufgaben an diesem TÜPL war Thema am Schluss seiner
heutigen Sitzung des Rechnungshofes. Die auf militärische Ziele hin
ausgerichtete Organisation des Übungsplatzes, dessen Personal im März
2009 von 411 auf 325 Arbeitsplätze reduziert wurde, sei auf
wirtschaftliche Aufgaben nicht vorbereitet gewesen, stellte der
Rechnungshof in seinem Prüfbericht (III-203 d.B.) generell fest. So
orteten die Prüfer in Allentsteig gravierende Mängel in der Kosten?
und Leistungsrechnung. Bei einem zunehmend negativen Saldo (Ausgaben:
13,4 Mio. €; Einnahmen: 3,4 Mio. €) war es 2013 nicht möglich, Kosten
und Leistungen den Bereichen Forst, Jagd, Landwirtschaft und
Steinbrüche zuzuordnen. Daten für die wirtschaftliche Steuerung
fehlten ebenso wie eine bundesweite Planung des militärischen Schieß-
und Übungsbetriebs zur besseren Auslastung aller Truppenübungsplätze.
Rechnungshof für optimale Nutzung öffentlichen Eigentums
RH-Präsident Josef Moser empfahl eine organisatorisch und fachlich
einheitliche Führung aller Wirtschaftsbereiche des
Truppenübungsplatzes Allentsteig unter Einsatz eines geeigneten
Rechnungswesens sowie eine Ausgliederung der Forst? und Jagdaufgaben
an die Bundesforste samt Reduktion des diesbezüglichen Personals im
Verteidigungsressort. In die Führung des TÜPL sollte eine fachlich
ausgerichtete Struktur implementiert und Führungskräfte auch nach
rechtlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgewählt werden.
Kontrolle und Steuerung seien effektiver wahrzunehmen. Die Bereiche
Forst, Jagd, Landwirtschaft, Landschaftspflege und Steinbruch sollten
aufgrund getrennter Kosten? und Leistungsrechnungen effektiver
gesteuert werden. Für die Schieß? und sonstigen Übungen des
Bundesheeres schlägt der Rechnungshof eine jährliche Gesamtplanung
vor, um die Auslastung der Kapazitäten zu optimieren.
Allentsteig - mehr Effizienz in Land- und Forstwirtschaft, Jagd und
Steinbruch
Der Truppenübungsplatz brauche einen mittelfristigen Managementplan
für eine nachhaltige Forstwirtschaft. Schlägerungen sollten aufgrund
des Bundesvergabegesetzes 2006 vergeben und Holzverkäufe
ausgeschrieben werden, empfiehlt der Rechnungshof. Der Abbau in den
Steinbrüchen sei besser zu planen, der Personaleinsatz zu
dokumentieren und das Überstundenpauschale zu reduzieren.
Blindgänger, die bislang die Nutzung von Acker? und Grünlandflächen
behindern, seien zu räumen, "kampfmittelbelastete Zone" des
Truppenübungsplatzes in landwirtschaftliche Nutzflächen umzuwandeln
und die Pachtverträge zu optimieren. Einfachere Vorschriften und
Abläufe empfiehlt der Rechnungshof schließlich bei der Instandsetzung
von Heereskraftfahrzeugen. Sicherheitslücken auf Flächen, die von
Blindgängern gefährdetet sind, sollten durch Beschaffung geeigneter
Löschfahrzeuge geschlossen werden.
Um Wildbestand und Wildschäden am Truppenübungsplatz vertretbarem
Ausmaß zu halten, seien die Abschusspläne zu erfüllen, schreibt der
Rechnungshof und verlangt bei der Vergabe von Einzelabschüssen und
Gesellschaftsjagden mehr Transparenz. Bei der Einladung von
Privatpersonen zu unentgeltlichen "Riegeljagden" sollten allfällige
"wehrpolitische Interessen" begründet werden. Die Einrichtung von
Pirschbezirken sei zu regeln und bei der Vergabe nicht
gerechtfertigte Preisnachlässe auszuschließen. In der Debatte gingen
Team Stronach-Abgeordnete Waltraud Dietrich, Erwin Preiner (S),
Wolfgang Zanger (F), Andreas Hanger (V) und Sigrid Maurer (G) mit der
Kritik des Rechnungshofes konform und drängten auf die Umsetzung
seiner Empfehlungen. Sigrid Maurer mahnte angesichts der aufgezeigten
Missstände Sauberkeit und Transparenz bei der Führung des TÜPL ein
und schlug vor, den TÜPL von Kampfstoffen zu säubern, zu verkleinern
und die so gewonnen Flächen als Erholungsgebiet zu nutzen.
Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil hielt demgegenüber an
seiner Absicht fest, den TÜPL Allentsteig in erster Linie militärisch
zu nutzen. Der wirtschaftlich Nutzen komme für ihn erst an zweiter
Stelle. Die Empfehlung des Rechnungshofes nehme er sehr ernst, sagte
der Minister und berichtete über die Einrichtung einer Kommission zur
besseren Bewirtschaftung des TÜPL. Dabei bekannte sich Doskozil zur
Stärkung juristischer und ökonomischer Führungskompetenzen. Eine
Ausgliederung der Forstwirtschaft des TÜPL an die Bundesforste komme
für ihn nicht in Frage, weil er weitre Schnittstellen zwischen der
Bundesforste AG und militärischen Organen vermeiden wolle.
Rechnungshofpräsident Josef Moser hielt es in seiner Reaktion auf den
Verteidigungsminister für unverständlich, bei der Nutzung von
Wirtschaftsgütern im öffentlichen Eigentum darauf zu verzichten, mit
den Bundesforsten ein Unternehmen heranzuziehen, das ausreichend über
die nötigen Erfahrungen und Kenntnisse verfügten. Stattdessen würden
Schnittstellen zwischen militärischen Dienststellen geschaffen,
kritisierte Moser und wies auf Manipulationsgefahren durch Mängel in
der Buchhaltung und im Lieferscheinsystem der Forstbewirtschaftung,
auf Malversationen bei Holzlieferungen, auf nicht nachvollziehbare
Preisnachlässe, nicht dokumentierte Einzelabschüsse und nicht
sachgemäß eingerichtete Pirschbezirke hin. Moser sprach von
Verflechtungen, die eine klare Sicht auf wirtschaftliche
Notwendigkeiten verstellten und unterstrich seine Ansicht, es wäre
nicht zweckmäßig, militärische Organe mit wirtschaftlichen Aufgaben
zu betrauen, für die ihnen die notwendigen Kenntnisse fehlten.
Bundesminister Doskozil räumte Handlungsbedarf in juristischen und
ökonomischen Belangen des Truppenübungsplatzes ein, hielt aber fest,
er wisse nichts von Malversationen. Wer einen Verdacht habe, solle
ihn bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft anzeigen. Im Übrigen sei
sein Ressort durchaus in der Lage, einen TÜPL wirtschaftlich zu
führen - das werden künftige Rechnungshofprüfungen zeigen, sagtec der
Minister. Die Entfernung von Blindgängern sei im Gange, erfuhr
Abgeordnete Sigrid Maurer auf ihre diesbezügliche Frage.
Auf Ersuchen von Ausschussobfrau Gabriela Moser und Elmar Mayer (S)
erklärte RH-Präsident Moser die Vorgangsweise seines Hauses bei der
Feststellung strafrechtlicher Verdachtsmomente. Der Rechnungshof
könne Wahrnehmungen erst der Staatsanwaltschaft übermitteln, wenn
auch die geprüften Stellen ihre Stellungnahmen abgegeben haben, wenn
beide Seiten gehört wurden, erklärte der RH-Präsident.
(Schluss)gro/fru
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