• 07.03.2016, 10:46:47
  • /
  • OTS0071 OTW0071

30 Jahre Tschernobyl: Gesundheitliche Auswirkungen der Katastrophe dramatischer als ursprünglich angenommen

Umweltstadträtin Sima und GLOBAL 2000 fordern Unterstützung für humanitäre Hilfsprojekte und Reform der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO).

Utl.: Umweltstadträtin Sima und GLOBAL 2000 fordern Unterstützung
für humanitäre Hilfsprojekte und Reform der Internationalen
Atomenergie-Organisation (IAEO). =

Wien (OTS) - 30 Jahre nach Tschernobyl sind die Auswirkungen des
schwersten Reaktorunfalls aller Zeiten noch lange nicht ausgestanden:
Eine neue, unabhängige wissenschaftliche Untersuchung der
gesundheitlichen Auswirkungen des Tschernobyl-Super-GAUs kommt zum
Ergebnis, dass in Summe mindestens 40.000 Todesfälle weltweit durch
die Reaktorkatastrophe zu beklagen sein werden. „Die dramatischen
Ergebnisse zeigen einmal mehr, wie totbringend die Atomkraft ist und
daher kämpfen wir als Stadt Wien gemeinsam mit vielen NGOs für ein
atomkraftfreies Mitteleuropa“, so Ulli Sima, Stadträtin für Umwelt
und Wiener Stadtwerke. Reinhard Uhrig, Atomsprecher der
österreichischen Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 ergänzt: „Auch
30 Jahre nach Tschernobyl sind die zerstörerischen Auswirkungen von
Atomkraft spürbar. Nach Weißrussland war Österreich mit 13 Prozent
seiner Gesamtfläche weltweit am zweitstärksten von der hohen
Cäsium-Belastung (über 40.000 Zerfälle in der Sekunde pro
Quadratmeter) vom Tschernobyl -Fallout betroffen, auch radioaktives
Jod traf Österreich stark.“

Anlässlich des 30. Jahrestages der Katastrophe beauftragte die
Wiener Umweltanwaltschaft, gemeinsam mit der österreichischen
Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000, den renommierten britischen
Radiologen, Dr. Ian Fairlie, mit einer Aktualisierung seiner Studie
„The other report on Chernobyl“ zu den gesundheitlichen Folgen der
Tschernobyl-Katastrophe, insbesondere zu den Auswirkungen auf
Österreich. Die Ergebnisse machen die dramatischen Auswirkungen von
Atomkraft sichtbar:

o Langfristig werden 40.000 tödliche Krebserkrankungen prognostiziert
o Fünf Millionen Menschen in Weißrussland, der Ukraine und Russland
leben noch heute in radioaktiv hoch belasteten Regionen
o 37 Prozent des Tschernobyl-Fallouts fielen auf Westeuropa, 42
Prozent der Fläche Westeuropas wurden über 4.000 radioaktive Zerfälle
pro Quadratmeter kontaminiert (Österreich 83 Prozent)
o Bisher wurden schon 6.000 Schilddrüsenkrebsfälle diagnostiziert,
weitere 16.000 werden erwartet
o Erhöhte Inzidenz von Leukämie, Herzkreislauferkrankungen und
Brustkrebs registriert
o Erhöhte Fehlbildungsrate bei Neugeborenen, vermehrt psychische
Störungen und Diabetes
o Kinder in verseuchten Gebieten sind häufiger krank

Besonders die Freisetzung von radioaktivem Jod 131 wird in der
Studie zum ersten Mal in einen internationalen Kontext gestellt: die
Ostregion Österreichs wurde in den Tagen nach dem 26. April 1986
stark von einer Wolke mit radioaktivem Jod getroffen, das sich in der
Schilddrüse besonders von Kindern und Jugendlichen ablagert und dort
Schilddrüsenkrebs verursachen kann. Die Auswirkungen zeigen sich laut
dem Studienautor genauso deutlich wie in anderen betroffenen Regionen
weltweit: Verstärkte Überwachung, Diagnose und medizinische
Expositionen zu radioaktivem Jod sind teilweise die Ursache, aber
acht bis 40 Prozent der erhöhten Schilddrüsenkrebsfälle in Österreich
nach 1990 sind wahrscheinlich von Tschernobyl verursacht.

„Dr. Fairlie empfiehlt weitere Untersuchungen, insbesondere auch
zu den Schilddrüsenkrebsfällen in Österreich, um die Ursachen für den
Anstieg und die Zusammenhänge mit der radioaktiven Freisetzung besser
erforschen zu können“, sagt Dr. Reinhard Uhrig, Atom-Sprecher von
GLOBAL 2000. „Dies hat riesige Implikationen für die Auswirkungen von
radioaktiven Freisetzungen, z.B. im japanischen Fukushima, wo die
Behörden und die Internationale Atomenergie-Organisation weiter
leugnen, dass ein Zusammenhang zwischen Atomunfall und den über 160
bestätigten Schilddrüsenkrebsfällen besteht.“

Dr. Uhrig sieht wie Dr. Fairlie eine Unvereinbarkeit der Rolle der
IAEO als „Wachhund“ für die Kontrolle militärischer Atomanlagen und –
laut ihrer Statuten – gleichzeitige Werberin für die zivile Nutzung
von Atomkraftwerken wie Tschernobyl-4 und Fukushima Daiichi. Dieser
schizophrene Auftrag macht die Organisation blind für die
katastrophalen Auswirkungen der Atomkraft. „Es ist jetzt an der Zeit,
die verharmlosende Darstellung des Reaktorunglücks von Tschernobyl
durch die IAEO zu überarbeiten, die immer noch von nur 52 direkten
Todesfällen und in Summe weltweit 4.000 Toten ausgeht“, betont Uhrig.

GLOBAL 2000 startet daher eine Petition an die österreichische
Bundesregierung, Reform-Schritte innerhalb der IAEO zu setzen. Hier
geht’s zur Petition:
www.global2000.at/schluss-mit-werbung-für-atomkraft

Wien aktiv gegen Atomkraft

Umweltstadträtin Ulli Sima zeigt sich entsetzt über die
Ergebnisse. Sie bestärken sie in ihrem jahrelangen Kampf gegen
Atomkraftwerke. „Wir kämpfen seit langem auf allen Ebenen gegen
grenznahe AKWs und daher freue ich mich sehr über die Kooperation mit
GLOBAL 2000. Gemeinsam können wir viel erreichen und wir werden hier
nicht locker lassen. Solch traurige Jahrestage wie 30 Jahre
Tschernobyl oder fünf Jahre Fukushima sollen die Öffentlichkeit
wieder ein wenig wachrütteln. Wien unterstützt seit langem auch die
Tschernobylkinder-Aktion von GLOBAL 2000, in dem wir
Wasseraufbereitungsanlagen für besonders betroffene Regionen in der
Ukraine finanzieren“, so Sima.

Die Stadt Wien lobbyiert auf allen Ebenen für den Atom-Ausstieg.
Sima hat 2011 ein europäisches Städtenetzwerk gegründet, das rund 30
europäische Partnerstädte umfasst, darunter u. a. Dublin, München,
Zagreb, Nicosia, Mailand und Korfu. Durch das gemeinsame Auftreten
des Netzwerks gegen die Pläne der Europäischen Kommission zur
Förderung neuer Kernkraftwerke und das intensive Engagement gegen die
Förderung von Strom aus Kernenergie setzt das Netzwerk CNFE (Cities
for a Nuclear Free Europe) deutliche Zeichen. Die Stadt setzt auf
Erneuerbare Energieträger, der städtische Energieversorger Wien
Energie hat auch keinen Atomstrom im Netz.

The other report on Chernobyl:
www.global2000.at/torch-der-andere-bericht-über-tschernobyl

Nähere Informationen zum GLOBAL 2000 Projekt Tschernobylkinder
finden Sie unter www.global2000.at/tschernobylkinder

rk-Fotoservice: www.wien.gv.at/pressebilder

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | NRK

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel