• 23.02.2016, 09:45:02
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Ausstellung „As Rights Go By“ im freiraum Q21 INTERNATIONAL/MQ

Nikita Kadan Procedure Room, 2010 Installation, 8
Teller bedruckt (Detail)

Wien (OTS) - Wie hängen Einschränkungen von Bürgerrechten und die
Rechtlosigkeit von Flüchtlingen zusammen? Ökonomische Interessen
sowie Rendite- und Sicherheitsversprechungen unterminieren zunehmend
von der Verfassung garantierte Rechte – Rechte, die Flüchtlingen gar
nicht erst zugestanden werden. Die Ausstellung „As Rights Go By –
Über Rechtsverlust und Rechtlosigkeit“, kuratiert von Sabine Winkler,
im freiraum Q21 INTERNATIONAL/MuseumsQuartier untersucht Aspekte
rechtlicher, sozialer und emotionaler Veränderungen im Verhältnis von
BürgerInnen, Politik, Ökonomie und Gewalt. Eröffnung ist am 14.
April, 19h, ein Presserundgang findet am Mittwoch, 13. April, 10h
statt.

Postdemokratische Entwicklungen haben sich im letzten Jahrzehnt
beschleunigt: Unregulierte Finanzmärkte, die zunehmend politische
Agenden dominieren, sowie unkontrollierte Massenüberwachung, die
zukünftiges (Verkaufs-)verhalten vorhersagen und beeinflussen will,
prägen unsere Realität. Im aktuellen hochexplosiven Szenario lohnt
vor allem ein Blick auf die Ursachen und Folgen der mit zunehmender
ökonomischer Ungleichheit verbundenen rechtlichen Ungleichheiten. Die
behauptete Notwendigkeit, dass sich die Politik den Interessen des
Marktes unterordnen müsse, führt zu einer Verschiebung von Rechten zu
Gunsten von Investoren. Schulden und Handelsabkommen sind
Instrumentarien mit denen Ungleichheit festgeschrieben und
institutionalisiert wird. Die Radikalisierung und Globalisierung der
Märkte wiederum führt zu einer Verschärfung sozialer und rechtlicher
Ungleichheit zwischen reichen und armen Ländern, im Kampf um billige
Rohstoffe und Arbeitskräfte. Neokolonialistische Vorgehensweisen, die
mit ein Grund für die Migrationsbewegungen sind.

Die in der Ausstellung gezeigten künstlerischen Arbeiten untersuchen
diese Folgewirkungen von Globalisierung, Finanzialisierung, und
Massenüberwachung auf Bürgerrechte und Menschenrechte sowie damit
verbundene soziale und rechtliche Ungleichheiten. Die Frage nach der
Rechteverteilung stellt sich auch innerhalb des Systems der Kunst.
Das Kunstsystem spiegelt die in der Gesellschaft zu beobachtenden
sozialen und rechtlichen Ungleichheiten wider. Innerhalb ästhetischer
Praxen spielt die Reflexion der eigenen Handlungsweise und
Positionierung eine entscheidende Rolle, um rechtliche, soziale oder
gesellschaftliche Asymmetrien in den Produktionsbedingungen sichtbar
zu machen.

So untersuchen Lorenzo Pezzani und Charles Heller (Forensic
Architecture) in ihrem Video „Liquid Traces – The Left-to-Die Boat
Case“ ein Flüchtlingsbootunglück im Jahre 2011. Sie bedienen sich
forensischer Methoden um den Verlauf des tragischen Ereignisses zu
rekonstruieren und damit die Verantwortlichen zu ermitteln. Die
beiden Künstler hinterfragen, inwieweit das durch
Überwachungstechnologie erlangte Wissen bei unterlassener
Hilfeleistung nicht ein Indiz dafür ist, dass Behörden gegen die
Menschenrechtskonventionen verstoßen.

Nikita Kadan bezieht sich in seiner Arbeit „Procedure Room“ auf
Folterpraxen der Ukrainischen Polizei. Seine Zeichnungen von
Foltermethoden auf Porzellantellern im Stil des „Popular Medical
Dictionary“ der Sowjet-Ära verweisen auf die ideologische Darstellung
von Folter als Behandlungsmethode im Sinne eines „notwendigen
Eingriffes“, um staatliche Gewalt zu legitimieren. Rechtsverlust wird
als Notwendigkeit für das Gemeinwohl oder als Freiheitszugewinn
deklariert.

Lina Theodorous installative Arbeit „The amazing board games club“
lädt ein, griechische Krisenrealität fiktiv über Brettspiele
nachzuvollziehen. Das Finanz-Brettspiel „Pawnshop – Days of Mistrust“
ist als Persiflage des kapitalistischen Paradebrettspiels Monopoly
konzipiert während das Brettspiel „Save the Pensioner“ Element einer
fiktiven Pharmawerbekampagne ist, mit der die Bevölkerung darauf
vorbereitet werden soll 20 Jahre länger zu arbeiten und dabei fit zu
bleiben. Lina Theodorou verweist dabei auf die mit Schulden und
Austeritätsprogrammen verbundenen sozialen und rechtlichen
Konsequenzen, sowie auf die von Armut und Rechtsverlust
profitierenden Unternehmen.

In James Bridles animiertem Video „Seamless Transitions“ geht es um
das Sichtbarmachen von drei nicht zugänglichen Orten der
Urteilsfindung, Inhaftierung und Abschiebung von Einwanderern in
Großbritannien. Anhand von Planungsdokumenten und
Augenzeugenberichten schafft das Video eine architektonische
Visualisierung dieser physischen Räume, aber auch der komplexen
rechtlichen und sozialen Regelwerke.

Carey Young zeigt in ihrer Arbeit „Obsidian Contract“ einen
spiegelverkehrt geschriebenen Rechtstext, der durch die Reflexion in
einem schwarzen Spiegel öffentlichen Raum und Rechtsräume im
Ausstellungskontext imaginiert. In ihrem Video „Uncertain Contract“
führt ein Schauspieler ein Skript auf, das aus rechtlichen Begriffen
eines Handelsvertrages besteht. Bei der rechtlichen Aus- und
Aufführung bleiben die spezifischen Vertragsbedingungen ausgespart,
woraus sich ein „unsicherer“ Vertrag ergibt, dessen Bedeutung
Interpretationssache bleibt und die Funktion von Verträgen in der
Kunst reflektiert.

Yuri Pattison wiederum zeigt Aufnahmen des Hotelzimmers 1014 in Hong
Kong, in dem Edward Snowden 2013 sein NSA-Enthüllungsinterview gab
und kombiniert diese Bilder mit Aufnahmen von Hotelzimmerbewertungen
und Videoaufnahmen von Hollywood-Drehorten. Die Arbeit reflektiert
den schnellen Übergang von einem politischen Ereignis in den Bereich
der Unterhaltung und verweist im konkreten Fall auf die Aushöhlung
der x-fach von der NSA begangenen Rechtsbrüche durch das
Hollywoodkino.

In seinem Film „Sequence Error“ bezieht sich George Drivas auf den
Aphorismus von Karl Marx: „History repeats itself, first as tragedy,
then as farce” und adaptiert Teile von Reden von Che Guevara (1963)
und George Marshall (1947). Die Szenen spielen in einem
zeitgenössischen Unternehmensumfeld, das – von einer plötzlich
auftretenden Systemkrise betroffen – kollabiert. Das Unternehmen
steht stellvertretend für das kapitalistische System, die Krise für
die Ausnahme, die als Anlass benutzt wird um Rechte auszusetzen.
Widerstand formiert sich.

KünstlerInnen:

Silvia Beck* (DE), James Bridle (GB), Petja Dimitrova (BG/AT), George
Drivas (GR), Özlem Günyol*/Mustafa Kunt* (TR/DE), Nikita Kadan* (UA),
Vladimir Miladinović* (RS), Yuri Pattison (IE), Lorenzo Pezzani und
Charles Heller (IT, USA), Julien Prévieux (FR), Andrea Ressi (AT),
Judith Siegmund* (DE), Lina Theodorou* (GR), Carey Young (GB)

*Artist-in-Residence des Q21/MQ
Kuratorin: Sabine Winkler (AT)

„As Rights Go By“ wird in Kooperation mit dem Bundesministerium für
Europa, Integration und Äußeres organisiert.

As Rights Go By
Über Rechtsverlust und Rechtlosigkeit

Dauer: 15.04. bis 05.06., Di-So 13-16h & 16.30-20h, Eintritt frei
Eröffnung: Do 14.04., 19h
Presserundgang: Mi 13.04., 10h
Ort: freiraum Q21 INTERNATIONAL/MuseumsQuartier Wien
www.Q21.at

Direktor MuseumsQuartier Wien: Dr. Christian Strasser

Bild(er) zu dieser Aussendung finden Sie im AOM / Originalbild-Service
sowie im OTS-Bildarchiv unter http://bild.ots.at

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