• 19.02.2016, 09:30:01
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  • OTS0028 OTW0028

Bericht über Kindesmissbrauch – Presserat fordert mehr Zurückhaltung

Wien (OTS) - Der Senat 2 des Presserats bewertete den Artikel „Pater
(73) hatte Sex mit Zwölfjährigem“, erschienen auf Seite 14 der
Tageszeitung „Österreich“ vom 09.11.2015, als Verstoß gegen den
Ehrenkodex für die österreichische Presse.
In dem Artikel wird berichtet, dass ein 73-jähriger Ex-Pater vor
Gericht stehe und ihm der sexuelle Missbrauch eines Unmündigen
vorgeworfen werde. Zudem wird angemerkt, dass er den Minderjährigen
„für ein heißes Date“ bezahlt haben solle. Darüber hinaus wird der
Zwölfjährige als „Stricher“ und „Lustknabe“ bezeichnet. Ein Leser
sieht in der Bezeichnung „heißes Date“ eine schwere Verharmlosung von
sexueller Gewalt gegenüber Minderjährigen.

Der Senat hält fest, dass der Zwölfjährige nicht identifizierbar ist.
Den Missbrauch eines Zwölfjährigen allerdings neutral als „Sex“ und
in der Unterüberschrift stark verharmlosend als „heißes Date“ zu
bezeichnen, hält der Senat für unzulässig und für einen Verstoß gegen
Punkt 2 des Ehrenkodex (Genauigkeit), insbesondere gegen Punkt 2.1.,
wonach Gewissenhaftigkeit und Korrektheit bei der Wiedergabe von
Nachrichten oberste Verpflichtung von Journalistinnen und
Journalisten sind.

Weiters ist der Senat der Auffassung, dass die abwertende Bezeichnung
des zwölfjährigen Opfers als „Stricher“ und „Lustknabe“ die Gruppe
jener Minderjährigen, die in dieses Milieu abgerutscht sind und
sexuell missbraucht und ausgebeutet werden, pauschal verunglimpft und
diffamiert. Als Opfer von Straftaten ist diese Gruppe besonders
schutzwürdig. Daher verstößt der Artikel auch gegen Punkt 7 des
Ehrenkodex (Schutz vor Pauschalverunglimpfungen und Diskriminierung).

Der Senat fordert die Medieninhaberin der Tageszeitung „Österreich“
auf, die vorliegende Entscheidung freiwillig zu veröffentlichen.

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINES LESERS

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen
Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und
Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des
Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.

Im vorliegenden Fall führte der Senat 2 des Presserats aufgrund der
Mitteilung eines Lesers ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren
aufgrund von Mitteilungen). In diesem Verfahren äußert der Senat
seine Meinung, ob ein Artikel den Grundsätzen der Medienethik
entspricht. Die Medieninhaberin der Tageszeitung „Österreich“ hat von
der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch
gemacht.

Die Medieninhaberin der Tageszeitung „Österreich“ hat sich der
Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht unterworfen.

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | OPR

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