Innsbruck (OTS) - Der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union vor
nunmehr 21 Jahren bedeutete einen drastischen Einschnitt für die im
europäischen Vergleich kleinstrukturierte heimische Landwirtschaft.
Zuerst erhielt der ehemalige Landwirtschaftsminister und spätere
EU-Agrarkommissar Franz Fischler für seine Vision vom Feinkostladen
Europas als Chance für die österreichischen Bauern Beifall, später
wurde er dafür belächelt. Anfangs euphorisch, fielen die Landwirte
nämlich rasch in alte Produktionsmuster zurück. Ihnen fehlte
schlichtweg der lange Atem, der Aufwand war zu groß, der Ertrag zu
gering. Es wurde wieder intensiviert und in die Menge vertraut. So
gab es Ende der 1990er-Jahre in Tirol noch rund 5000 biologisch
wirtschaftende landwirtschaftliche Betriebe, heute sind es 2200.
Doch die Zahl ist langsam wieder im Steigen begriffen. Denn der
Markt zwingt die Bauern zur Innovation. Das Russland-Embargo und der
Preisverfall bei der konventionellen Milch wirken sich heuer
dramatisch auf die Einkommen der Grünlandbauern wie in Tirol aus. Im
Vorjahr haben die Landwirtschaftsbetriebe in Tirol durchschnittlich
16.700 Euro verdient, darin sind bereits rund 14.000 Euro an
Förderungen enthalten. Von den Produkterlösen können die Landwirte
aber schon längst nicht mehr leben, die öffentlichen Unterstützungen
werden in den nächsten Jahren ebenfalls nicht mehr steigen und machen
schon jetzt für die Tiroler Bauern 145 Mio. Euro jährlich aus. Auf
Sicht bleibt also die landwirtschaftliche Produktion jener
Einkommensbestandteil, der letztlich steigerungsfähig ist.
Die Chance für die Landwirtschaft heißt deshalb Bio. Ökologisch
erzeugte Lebensmittel boomen. 21 Prozent der Österreicher greifen
mittlerweile sehr häufig zu Bio-Nahrung, acht Prozent aller
Frischeprodukte werden in Bio-Qualität gekauft. Salzburgs Agrarier
gelten hier als Vorreiter, bereits die Hälfte wirtschaftet
biologisch. Tirol hat zweifellos Nachholbedarf, obwohl von 300
Millionen Kilo angelieferter Milch bereits 150 Millionen Bio-, Heu-
oder Spezialmilch sind.
Die Landwirtschaftspolitik und die bäuerliche Interessenvertretung
können das Umdenken lediglich erleicherten und forcieren, gefordert
ist allerdings die seit Jahren ebenfalls strapazierte Vorstellung vom
Unternehmen Bauernhof. Mit Verspätung könnte 2016 der Feinkostladen
aber doch noch Realität werden, weil vielen Bauern nichts anderes
übrig bleibt. Was die Politik jahrelang vergeblich versucht hat,
regelt jetzt der Markt. Auch in der Landwirtschaft.
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