• 02.12.2015, 18:05:32
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Kurz: EU muss Sicherung der Außengrenzen selbst in die Hand nehmen

Außenpolitischer Ausschuss plädiert für heimische Unterstützung beim Syrien-Friedensprozess

Utl.: Außenpolitischer Ausschuss plädiert für heimische
Unterstützung beim Syrien-Friedensprozess =

Wien (PK) - Die Europäische Union müsse glaubhaft vermitteln, dass
sie die Flüchtlingssituation nicht mehr bewältigen kann, dabei aber
eigenständig für die Sicherung seiner Außengrenzen sorgen, sagte
heute Außenminister Sebastian Kurz im Außenpolitischen Ausschuss des
Nationalrats. Andernfalls schüre man einerseits bei den Flüchtlingen
falsche Hoffnungen und mache sich andererseits erpressbar, meinte er
in Anspielung auf das Abkommen der EU mit der Türkei. Den Vorwurf von
Grünen-Asylsprecherin Alev Korun, er begrüße die drastischen
Maßnahmen der türkischen Behörden zur Flüchtlingsabwehr, wies Kurz
dezidiert zurück: "Die Türkei wird bezahlt, das zu tun, was Europa
nicht tun möchte", nämlich alle Flüchtlinge aufzuhalten. Solange die
EU nicht geeint in Sachen Flüchtlingsregistrierung und Grenzsicherung
auftrete, bleibe aber keine andere Möglichkeit, als mit der Türkei zu
kooperieren.

Im Zusammenhang mit den in Wien gestarteten Friedensverhandlungen zum
Syrien-Konflikt bemerkt der Ressortchef des Außenamts positiv, die
Verhandlungsparteien würden ihre starren Haltungen aufgeben, gerade
was das syrische Regime betrifft. "Der Kampf gegen den IS-Terror ist
der kleinste gemeinsame Nenner", beschrieb er die Gespräche dennoch
als große Herausforderung, schon aufgrund der Spannungen zwischen
Saudi Arabien und dem Iran. Vor dem Hintergrund des jahrelangen
Konflikts in der Region appellierte der Ausschuss einstimmig für eine
Weiterführung des Syrien-Friedensprozesses bzw. für humanitäre Hilfe
in den Krisengebieten Syriens und des Irak. Abgelehnt wurde hingegen
ein Antrag der Grünen, Asylsuchende schon an Botschaften ihr
Verfahren eröffnen zu lassen.

Den Einspruch Österreichs gegen den Beitritt Tadschikistans zum
Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von
der Beglaubigung trägt der Ausschuss einstimmig mit, einen FPÖ-Antrag
zum Selbstbestimmungsrecht Südtirols wollen die Abgeordneten im
eigens für Südtirol-Fragen eingerichteten Unterausschuss
weiterbehandeln. Den Außen- und Europapolitischen Bericht 2014 (III-
220 d.B.) nahmen bis auf die Freiheitlichen alle Ausschussmitglieder
zur Kenntnis.

Kooperation mit der Türkei soll Weiterreise von Flüchtlingen stoppen

Ziel des Türkei-Deals mit der EU sei, alle Flüchtlinge aufzuhalten,
egal ob sie aus Syrien oder aus anderen Ländern stammen, umriss
Außenminister Kurz auf Nachfrage von Christoph Vavrik (N) den
Aktionsplan zur Eindämmung der Flüchtlingsbewegungen nach Europa. Ob
das Geld, das die EU der Türkei zur Versorgung der Schutzsuchenden
zugesagt hat, tatsächlich bei den Flüchtlingen ankommt, darauf will
Kurz sich nicht zu "hundert Prozent" festlegen. Immerhin halte die
Türkei jedoch mit dem Abkommen ihr Versprechen, die Menschen von der
Weiterreise abzuhalten, wenn auch teilweise mit Mitteln wie Tränengas
und Schlagstöcken, was nicht den menschenrechtlichen Standards der EU
entspreche.

Große Zweifel am Funktionieren des Aktionsplans hegen Grüne, NEOS und
Team Stronach. Tanja Windbüchler-Souschill (G) und Christoph Vavrik
(N) sehen die Menschenrechtsverletzungen der türkischen Regierung
gegenüber der kurdischen Minderheit als Argument gegen eine
Zusammenarbeit, die auch die Wiedereröffnung der EU-
Beitrittsverhandlungen umfasst. Für Aygül Berivan Aslan (G) ist
ungewiss, welche Schritte die türkische Regierung setzen wird, um der
Terrororganisation IS ihre Finanzierungsquelle, sprich Öl-Einnahmen,
trocken zu legen. Christoph Hagen (T) vermisst ein Vorgehen Ankaras
gegen den Handel mit gefälschten Pässen für Flüchtlinge und Alev
Korun (G) hinterfragte, inwieweit sicherzustellen sei, dass die
österreichischen 57 Mio. € als Teil der 3 Mrd. €-Hilfe der EU bei den
Flüchtlingen in der Türkei ankommen, wo derzeit über 80% der
Schutzsuchenden menschenunwürdig untergebracht seien. Details über
die Kontrolle des Mitteleinsatzes wisse er noch nicht, so Kurz, er
betonte aber, das Abkommen bestätige, dass die EU die Sicherung ihrer
Außengrenzen selbst in die Hand nehmen muss - denn "je schwächer wir
agieren, desto mehr solcher Maßnahmen werden kommen".

Bewegung bei den Syrien-Gesprächen

Einer Meinung mit Josef Cap (S) und Reinhold Lopatka (V) ist Minister
Kurz, letztendlich müssten die Ursachen für die Flüchtlingsströme
nach Europa behoben werden. Bei den Friedensverhandlungen zu Syrien
arbeiteten daher drei Arbeitsgruppen Konzepte für Hilfsleistungen vor
Ort aus. Österreich beteilige sich an diesen Überlegungen,
versicherte er Andreas Schieder (S). Als Grundlage für die weiteren
Verhandlungen werde nun unter Federführung von Jordanien und Saudi
Arabien eine Liste erstellt, welche Oppositionsparteien Verhandlungen
mit dem Regime von Baschar al-Assad aufnehmen sollen. Wichtig sei
dabei, eine Definition der terroristischen Gruppen zu finden. An der
Schlüsselrolle, die Saudi-Arabien dabei zugestanden wird, stieß sich
allerdings Peter Pilz (G), der das Land nicht als Teil der Lösung
bezeichnete, sondern als zentral verantwortlich für die Ausbreitung
radikalislamischer Ideologien. Wie FPÖ-Mandatar Werner Neubauer
kritisierte Pilz in Verbindung damit massiv das saudi-arabische König
Abdullah Zentrum in Wien, da es kaum den kulturellen Dialog fördere.
Kurz hielt dem zwar entgegen, das Zentrum habe die Terroranschläge
von IS deutlich verurteilt, er räumte aber ein, die
Menschenrechtslage in Saudi-Arabien bei seinem kürzlichen Besuch dort
problematisiert zu haben. Grundsätzlich gab Kurz zu bedenken, ein
plötzlicher Regime-Wechsel ziehe selten eine Verbesserung der
gesellschaftlichen Lage nach sich, wie die jüngste Vergangenheit
gezeigt habe.

Anders als der Außenminister erwartet sich Johannes Hübner (F) keine
substanziellen Änderungen durch die Syrien-Gespräche, habe sich die
Situation doch infolge der Bombardements durch die internationale
Anti-IS-Allianz weiter verschärft. Mangels Durchsetzung einer fairen
Flüchtlingsverteilung in der EU hält der Freiheitliche vor diesem
Hintergrund ein Festhalten am Dublin-Abkommen für unabdingbar.. Kurz
bestätigte dies zu einem gewissen Grad, so lange keine andere
Regelung geltendes Recht sei, müsse am Dublin-System festgehalten
werden. Dazu sei nicht zuletzt der Druck auf Griechenland
beziehungsweise auf die EU-Kommission zu erhöhen, nach der Maxime
"wie bringt man Griechenland dazu, sich helfen zu lassen?", um den
automatischen Weitertransport von Flüchtlingen zu unterbinden. Ein
stärkeres Auftreten der EU erwartet Kurz außerdem gegenüber Libyen,
wobei die Rettung von Bootsflüchtlingen, die von der libyschen Küste
über das Mittelmeer unterwegs sind, jedenfalls mit einer Rückführung
dieser Personen zu verbinden sei.

Aufruf den Syrien-Friedensprozess weiterzuführen

Rückenwind beim Engagement für eine rasche, zukunftsträchtige und
friedliche Regelung des Syrien-Konflikts erhält Außenminister Kurz
durch eine Initiative von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS (1459/A(E)).
Deutlich machen damit die Abgeordneten Josef Cap (S), Reinhold
Lopatka (V), Tanja Windbüchler-Souschill (G) und Christoph Vavrik
(N), nicht nur die Weiterführung des mit den Gesprächen in Wien
begonnenen Friedensprozesses sei von Österreich aktiv zu
unterstützen. Die Bundesregierung solle sich überdies gemeinsam mit
anderen EU-Staaten nachdrücklich gegen Geld- und Waffenlieferungen an
den IS einsetzen und im Rahmen der UNO an humanitären Hilfsprogrammen
für die Menschen in Syrien und im Irak beteiligen. Letzteres Anliegen
präzisieren SPÖ, ÖVP und Grüne in einem weiteren Antrag, der auf die
Wiederherstellung der Sicherheit vor allem in den umkämpften Städten
Shingal (Nordirak) und Kobanê (Nordsyrien) abzielt. Konkret ersuchen
die Abgeordneten Andreas Schieder (S), Reinhold Lopatka (V) und Aygül
Berivan Aslan (G) den Außenminister, sich mit den Vereinten Nationen
sowie auf EU-Ebene und in bilateralen Kontakten mit aller Kraft für
die lokale Zivilbevölkerung einzusetzen. Insbesondere Kurden, Jesiden
und Christen als Minderheiten in den betroffenen Gebieten bedürften
ausreichend Schutz und Versorgung (1463/A(E)).

Während diese beiden Anträge einhellige Zustimmung im Ausschuss
fanden, konnten sich die Grünen mit einem weiteren Vorstoß nicht
durchsetzen: mit der Forderung von Asylsprecherin Alev Korun (G),
Botschaftsverfahren zur Beantragung von Asyl wiedereinzuführen
(1328/A(E)). Koruns Argument, der Schlepperei sei nur beizukommen,
wenn Asylsuchende mittels Visum legal für ein Asylverfahren nach
Europa gelangen, hielt Josef Cap (S) entgegen, die EU-Hotspots als
Registrierungsstellen an den Außengrenzen leisteten hier viel bessere
Dienste.

Ausschuss bestätigt Vorbehalte gegen tadschikische Urkunden

Gegen den Beitritt Tadschikistans zum Übereinkommen zur Befreiung
ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglaubigung will
Österreich Einspruch erheben. Dieser Schrittes findet im
Außenausschuss einstimmige Billigung. Ziel dieser Maßnahme ist zu
verhindern, dass tadschikische Urkunden, die mit einer Apostille
versehen sind, ohne weitere Kontrolle der Echtheit und inhaltlichen
Richtigkeit in Verfahren von österreichischen Behörden als
Beweismittel zugelassen werden. Im Hinblick auf die hohe Korruption
in Verbindung mit dem niedrigen Einkommensniveau bestehe derzeit hohe
Urkundenunsicherheit, heißt es dazu in den Erläuternden Bemerkungen
zur entsprechenden Regierungsvorlage (780 d.B.). Es sei somit nicht
auszuschließen, dass Urkunden in Tadschikistan mit unrichtigem Inhalt
käuflich erworben werden können

Selbstbestimmung Südtirols weiter Thema der heimischen Außenpolitik

Mit Zustimmung der Stimmenmehrheit dem Südtirol-Unterausschuss des
Außenpolitischen Ausschusses zugewiesen wurde schließlich ein Antrag
der FPÖ (1280/A(E)), der ein klares Bekenntnis Österreichs zum
Selbstbestimmungsrecht Südtirols einmahnt. Besonders irritiert den
Südtirol-Sprecher der Freiheitlichen Werner Neubauer ein Passus im
Außenpolitischen Bericht 2013, wo es heißt, die Südtirol-Autonomie
beruhe völkerrechtlich auch auf dem Selbstbestimmungsrecht, das als
fortbestehendes Recht von Südtirol in Form weitgehender Autonomie
ausgeübt werde. Diese Formulierung sei bestenfalls unklar und
zweideutig, schlimmstenfalls bedeute sie aber eine Absage an die
völkerrechtlichen Prinzipien und den Willen der Südtiroler,
kritisiert Neubauer, der sein Anliegen deswegen im Außenpolitischen
Ausschuss und nicht im Unterausschuss behandelt wissen wollte.
(Schluss ) rei

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