- 24.11.2015, 11:25:24
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Junge Industrie zum Pensionssystem: Wieviel Umverteilung ist leistbar?
JI-Vorsitzende Niss: Brauchen Transparenz sowie echten Automatismus im Pensionssystem – EcoAustria-Chef Schuh: Zuschussbedarf für Pensionen aus Steuermitteln beträchtlich
Utl.: JI-Vorsitzende Niss: Brauchen Transparenz sowie echten
Automatismus im Pensionssystem – EcoAustria-Chef Schuh:
Zuschussbedarf für Pensionen aus Steuermitteln beträchtlich =
Wien (OTS/PdI) - „Nach Steuern und Bildung hat die Bundesregierung
angekündigt, sich Anfang kommenden Jahres des Themas Pensionen
anzunehmen – das ist auch dringend notwendig, denn von Nachhaltigkeit
kann in unserem Pensionssystem schon lang keine Rede mehr sein“, so
die Bundesvorsitzende der Jungen Industrie (JI), Dr. Therese Niss,
heute, Dienstag, bei der Präsentation der Studie „Verteilungswirkung
der Steuermittel in der gesetzlichen Pensionsversicherung“ mit dem
Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes EcoAustria, Dr. Ulrich
Schuh. „Gerade aufgrund der großen Kosten unseres Pensionssystems ist
es eigentlich erschreckend, wie gering und intransparent die
Faktenbasis ist, über die wir bei den Pensionen diskutieren“, so
Niss. Dadurch könnten manche „regelmäßig und beinahe unwidersprochen“
etwa behaupten, Österreich habe nur ein Problem bei „Sonderpensionen“
– die Regelpensionen seien hingegen größtenteils durch eigene
Beiträge gedeckt. „Das ist ein Mythos. Das Pensionssystem verteilt
massiv über die bezuschussten Steuermittel um. Wir stellen die Frage,
inwieweit die Politik und die Öffentlichkeit sich dieser Effekte und
ihres Ausmaßes überhaupt bewusst sind“, wie Niss betonte. Daher habe
die JI das Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria beauftragt, die
Umverteilungseffekte des Pensionssystems zu durchleuchten. Die
Ergebnisse sollten „einmal als Diskussionsgrundlage mit Blick auf den
Februar 2016 dienen. Aus Sicht der JI sollten sie zudem zur
„Einführung eines echten Nachhaltigkeitsautomatismus in Österreich
führen“, wie Niss ausführte. Zudem sollte „das Pensionskonto dazu
genutzt werden, um auch transparent darzustellen, wieviel der
erwartbaren Pensionen aus Steuermitteln kommen – die starke
Umverteilung im System mag politisch gewünscht sein, sie muss aber
für jede und jeden jederzeit nachvollziehbar sein. Alles andere wäre
unfair“, so Niss.
Ein Viertel der Ausgaben für Pensionen
„Öffentliche Pensionsleistungen nehmen mehr als ein Viertel der
gesamten Staatsausgaben ein und tragen zu einem Fünftel zum
verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte bei“, so der Ökonom
Schuh. „Ein beträchtlicher Zuschuss zu den öffentlichen
Pensionsleistungen erfolgt jährlich über Steuermittel. Sowohl von den
Pensionsleistungen insgesamt als auch von den Zuschüssen aus Steuern
und Abgaben gehen bedeutende Einflüsse auf die Einkommensverteilung
aus“, so Schuh. „Angesichts der Größendimensionen ist erstaunlich,
wie wenig Evidenz bis dato über die (Um-)Verteilungswirkung des
öffentlichen Pensionssystems in Österreich vorliegt“, wie Schuh
betonte. Methodisch gehe die Studie von folgender Überlegung aus:
Ausgehend von der Pensionshöhe einer Bezieherin bzw. eines Beziehers
einer Neupension kann für die betreffende Person der Gegenwartswert
der Pension (über die erwartete Bezugsdauer = Restlebenserwartung)
bestimmt werden. „Das heißt in anderen Worten: Welches Vermögen
müsste die betreffende Person angespart haben, um aus diesem Kapital
den Leistungsbezug bis zum Lebensende zu finanzieren“, so Schuh
weiter. Dem ermittelten Vermögenswert des Pensionsanspruchs könne
dann die (aufgezinste) Summe aller geleisteten
Pensionsversicherungsbeiträge der betroffenen Person
gegenübergestellt werden. „Die Differenz aus Pensionsvermögen und der
Summe der Beiträge des bzw. der Versicherten entspricht dem
Zuschussbedarf, der aus Steuermitteln über die gesamte Bezugsdauer
finanziert werden muss.“
Deckung durch Beiträge gering
Insgesamt ergebe die Studie klar, dass der Deckungsgrad durch eigenen
Beiträge in Österreich relativ gering sei, wie Schuh ausführte: „Für
repräsentative Beispielfälle reicht die Bandbreite bei der
Beitragsdeckung von nur 26 Prozent bis maximal 66 Prozent, der Rest
wird somit durch Zuschüsse des Staates gedeckt. Die Unterschiede
zwischen den einzelnen Pensionsarten sind relativ groß“, so Schuh.
Die Querschnittsanalyse liefere einige bemerkenswerte Befunde:
Pensionsleistungen aus vorzeitigen Pensionsantritten (insbesondere
Langzeitversichertenregelung und Schwerarbeiterpension führen zu den
höchsten Werten beim Pensionsvermögen und auch zu sehr hohem
steuerlichem Zuschussbedarf. Die deutlich niedrigeren
Pensionsleistungen von Frauen würden sich nur teilweise in den
Gegenwartswerten des Pensionskapitals widerspiegeln. „Aufgrund der
deutlich höheren Lebenserwartung und des niedrigeren
Regelpensionsalters sind die Steuerzuschüsse und damit das
Pensionsvermögen von Frauen vergleichsweise hoch“, so der Ökonom.
Der absolute Zuschussbedarf zu den Pensionsleistungen werde von
der Art der Pensionsleistung bestimmt. „Insbesondere die
Langzeitversichertenregelung führt zu außerordentlich hohen
Zuschüssen aus Bundesmitteln. Diesbezüglich ist anzumerken, dass
diese Pensionsleistungen gleichzeitig die höchsten Leistungen bei
Männern und Frauen aufweisen“, so der Ökonom. Der relative
Zuschussbedarf weiche deutlich vom absoluten Zuschussbedarf ab und
werde insbesondere von der Bezugsdauer bestimmt. „Insbesondere
Invaliditätspensionen weisen einen hohen Finanzierungsanteil aus
Steuermitteln auf. Dies ist auf die sehr lange Bezugsdauer
zurückzuführen“, erläuterte Schuh. „Dies ungeachtet der Tatsache,
dass unterstellt wird, dass die Restlebenserwartung von Bezieherinnen
bzw. Beziehern von Invaliditätspensionen deutlich unter der
durchschnittlichen Restlebenserwartung zu liegen kommt.“ Bei Frauen
führe vor allem der vergleichsweise frühe Pensionsantritt und die
höhere Lebenserwartung zu einer sehr niedrigen Beitragsdeckung.
Fakten auf den Tisch
„Seitens der JI haben wir immer wieder echte Pensionsreformen
gefordert. Heute soll es aber nicht in erster Linie um unsere
Vorstellungen gehen: Wir rufen vielmehr die Bundesregierung selber
dazu auf, im Vorfeld der Debatten über das Pensionssystem klar auf
den Tisch zu legen, was sie wollen. Ist die aktuelle Umverteilung im
Pensionssystem politisch gewünscht? Wenn ja, dann muss dies auch mit
der Bevölkerung diskutiert werden“, so die Bundesvorsitzende Niss.
Nicht akzeptabel sei hingegen das absolute Verweigern von jeglichen
Debatten über die Pensionen: „Wir bekommen immer nur zu hören, man
solle sich nicht aufregen, es gehe sich eh alles aus. Und es würden
alle, die auch nur an Pensionsreformen denken, die Menschen
verunsichern“, wie Niss ausführte, um zu fragen: „Was ist mit der
Verunsicherung der Jungen? Die Kosten für das Pensionssystem werden
ebenso steigen, wie die Ausgaben für Soziales und die
Arbeitsmarktpolitik – das ist allein aufgrund der Demografie
unumgänglich. Gleichzeitig fehlen die Mittel bei Bildung, Forschung
und Entwicklung und der Schuldenberg steigt. Auch die Jungen haben
ein Recht darauf, dass diese Doppelbelastung für die Zukunft sachlich
und offen diskutiert wird. Hier darf niemand Tabus formulieren.“
Eine Folge der „teilweise willkürlichen Umverteilung zwischen
verschiedene Pensionsarten“ solle aus Sicht der JI jedenfalls die
Einführung eines echten Nachhaltigkeits-Automatismus sein, wie Niss
forderte: „Es geht dabei nicht darum, wie manchmal befürchtet, das
Pensionssystem einem ‚seelenkalten Automaten‘ anzuvertrauen. Es geht
nur darum, gewisse Faktoren, wie die Beitragshöhe oder das
Pensionsantrittsalter direkt und automatisch an die Entwicklung der
Lebenserwartung sowie die Kosten des Pensionssystems zu koppeln.“
Damit ließe sich das „ewige Parteien-Hickhack samt fauler Kompromisse
und ähnlicher, ‚österreichischer‘ Lösungen‘ vermeiden“, so Niss. Die
JI werde zwar weiterhin für den „Systemwechsel hin zu einem rein
beitragsorientierten Pensionssystem eintreten“, so Niss, aber „wir
sind realistisch genug, dass wir im Februar 2016 keinen großen Wurf
erwarten dürfen. Aber zumindest sollten alle Herausforderungen im
Pensionsbereich offen und transparent diskutiert werden. Ein
einfaches ‚es geht sich eh alles aus‘ darf uns nicht mehr reichen!“
Im Sinne von mehr Transparenz sollte zudem das Pensionskonto dazu
genutzt werden, auch aufzuschlüsseln, zu welchem Prozentsatz die
jeweilige Pension durch eigene Beiträgen gedeckt sei – „denn den Rest
zahlen wir alle gemeinsam über unsere Steuern – und zu wissen, was
genau mit den Steuern passiert, ist das gute Recht eines jeden.“
Die Studie als Download: http://www.jungeindustrie.at/b929
Rückfragehinweis:
Dr. Ulrich Schuh
EcoAustria – Institut für Wirtschaftsforschung
Tel.: 0664-8873 9623
Mail: ulrich.schuh@ecoaustria.at
Web: www.ecoaustria.at
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