• 12.11.2015, 10:21:12
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Nachhaltig Bauen & Sanieren ist ungesund – oder doch nicht?

Ideale Wohntemperatur & Raumluft - Geringere Schadstoffe durch Wohnraumlüftung – Frischer Neubau hat deutlich höhere Belastung - Ungesundes Dämmen?

Utl.: Ideale Wohntemperatur & Raumluft - Geringere Schadstoffe durch
Wohnraumlüftung – Frischer Neubau hat deutlich höhere
Belastung - Ungesundes Dämmen? =

Wien (OTS) - Schadstoffbelastung, Schimmel, schlechte Wohnraumluft –
Nach wie vor gibt es Vorurteile, nachhaltiges Bauen und Sanieren wäre
ungesund. Doch längst haben Studien und Untersuchungen belegt, dass
genau das Gegenteil der Fall ist: Wer nachhaltig baut, profitiert
auch durch gesünderen Wohnraum und gesteigertes Wohlbefinden. Die
Medienstelle für Nachhaltiges Bauen hat sich dem Thema angenommen und
bringt neue Erkenntnisse sowie die Fachmeinung namhafter,
österreichischer Experten.

Die detaillierte Gesamtfassung mit allen Texten, Grafiken,
Pressefotos und Studien finden sie auf der Webseite der Medienstelle
unter www.nachhaltiges-bauen.jetzt.

Gesundheitsförderndes Bauen

„Wenn wir Zukunft positiv gestalten wollen, impliziert das den
Beitrag des Bauens zu einer gesunden Lebensweise. Nachhaltiges Bauen
und Sanieren muss gesund sein, - ansonsten würde „Etikettenschwindel“
betrieben“, stellt Renate Hammer, Institute of Building Research &
Innovation, klar. Sie plädiert für ein gesundheitsförderndes Planen,
wie auch Peter Holzer, IPJ Ingenieurbüro P. Jung: „Bauen wir unsere
Häuser unbedingt klimaschützend und ressourceneffizient, weil das die
notwendige Basis für die bloße Chance auf eine wünschenswerte Zukunft
der Gesellschaft ist. Und bauen wir sie mit der gleichen Empathie
gesundheitsförderlich, also aus sich heraus behaglich und
gleichzeitig dem Außenraum angebunden. Wenn nur eins davon fehlt,
fehlt die Nachhaltigkeit ganz.“

Thermischer Komfort & Raumluft

Wer von Wohlbefinden im Wohnraum spricht, kommt am Thema thermischen
Komfort nicht vorbei. Energieeffiziente Gebäude sind klar im Vorteil:
In ihnen kann hoher Komfort, Behaglichkeit und angenehmes Wohnklima
bei minimalem Energieaufwand erreicht werden. Die Studie „Behagliche
Nachhaltigkeit – Untersuchungen zum Behaglichkeits- und
Gesundheits-Wert von Passivhäusern“ analysiert die wesentlichen
Faktoren für gesundes Wohnen: „Im Passivhaus bedingen die hohen
Innenoberflächentemperaturen im Winter ein Strahlungsklima, welches
als sehr behaglich empfunden wird. Diese hohe Behaglichkeit wird bei
Häusern, die nicht mit dem Energiestandard eines Passivhauses
errichtet sind, nur mit Heizkörpern unter dem Fenster, einer
Wandheizung oder einer Fußbodenheizung erreicht.“

Ähnliches gilt für die Raumluft: Auch sie hat starken Einfluss auf
die Gesundheit des Menschen. Die Studienautoren: „Ohne Austausch mit
der Außenluft steigt die CO2-Konzentration in bewohnten Räumen
schnell an. Ab bestimmten Konzentrationen können
Befindlichkeitsstörungen wie Müdigkeit, Konzentrationsprobleme,
Unwohlsein und Kopfschmerzen sowie Beeinträchtigungen von
Leistungsfähigkeit auftreten. Eine Zusammenschau von Studien zu
gesundheitlichen Wirkungen von Kohlendioxid zeigt, dass sich mit
abnehmender CO2-Konzentration die sogenannten Sick-Building-
Syndrom-assozierten Beschwerden (z.B. Reizungen und Trockenheit von
Schleimhäuten, Müdigkeit, Kopfschmerzen) ebenfalls verringern.“

Vorteile kontrollierte Wohnraumlüftung

„Ohne Lüftungsanlage müssten zumindest alle zwei Stunden die Fenster
kurz geöffnet werden, um die CO2-Rate auf Werte unter den
hygienischen Grenzwert (1.500 ppm) zu senken, ein in der Praxis – vor
allem während der Nacht – undurchführbares Unterfangen“, erklärt die
Studie. Zusätzlich sorgt die manuelle Fensterlüftung im Winter für
einen erhöhten Energie- und Wärmeverlust, Zugluft und
Lärmbelästigung.

Trotz offensichtlich nützlicher Funktionalität wird die kontrollierte
Wohnraumlüftung aber teils noch immer skeptisch beäugt. Die Studie
„Lüftung 3.0: Bewohner-Gesundheit und Raumluft-Qualität in neu
errichteten, energieeffizienten Wohnhäusern“ vom Österreichisches
Institut für Baubiologie und Bauökologie IBO klärt auf: „Diverse
Ansichten zu „Zwangslüftungsanlagen“ wie z.B. Schimmelbefall,
vermehrtes Auftreten von gesundheitlichen Beschwerden oder verstärkte
Luftzugerscheinungen wurden in der vorliegenden Studie nicht
bestätigt. Generell wurden in Objekten mit Wohnraumlüftungsanlagen
verglichen mit Objekten mit ausschließlicher Fensterlüftung im
Durchschnitt deutlich geringere Schadstoffkonzentrationen in der
Innenraumluft nachgewiesen.“

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Lüftungsart - mit oder
ohne Wohnraumlüftungsanlage - einen hochsignifikanten Einfluss auf
die Konzentration von Flüchtigen Organische Verbindungen (VOC) in der
Raumluft hat und dass in Objekten mit ausschließlicher Fensterlüftung
häufiger Richtwertüberschreitungen vorkamen. Ein signifikanter bzw.
wesentlicher Einfluss wurde in Bezug auf die Konzentration an
Formaldehyd, Kohlenstoffdioxid, Radon sowie bei Schimmelpilzsporen
festgestellt. Keinen Einfluss hat die Art der Wohnraumlüftung bei
Staubmilbenallergenen. Das Fazit zur Wohnraumlüftung: „Behauptungen,
dass in Wohnobjekten mit Wohnraumlüftungsanlagen vergleichsweise mehr
negative Effekte auf Gesundheit und Wohlbefinden auftreten, konnten
nicht gestützt werden. Die deutlich niedrigeren
Schadstoffkonzentrationen in Wohnobjekten mit Wohnraumlüftungsanlagen
lassen vermuten, dass sich diese Technologie langfristig positiv auf
Gesundheit und Wohlbefinden auswirkt.“

Pro Wohnraumlüftung

Aus eigener 15-jähriger Erfahrung als Passivhaus-Bewohner berichtet
Günter Lang, Passivhaus Austria: „Während wir in herkömmlichen Bauten
immer das Bedürfnis haben, bei offenem Fenster zu schlafen - trotz
Straßenlärm, Staubbelastung, Geruchsbelästigung von Auto- und
Mopedabgasen sowie Zugerscheinungen – haben wir im Passivhaus dank
der Komfortlüftung das Bedürfnis nach offenen Fenstern überhaupt
nicht. Ganz im Gegenteil stellen wir fest, dass wir in der Früh viel
ausgeschlafener und kreativer sind – also im Passivhaus einen
gesunden Schlaf im wahrsten Sinne des Wortes genießen.“ Die Vorteile
der Wohnraumlüftung bestätigt auch Franziska Trebut, Gesellschaft für
Umwelt und Technik ÖGUT: „Im Passivhaus kann eine Komfortlüftung mit
Wärmerückgewinnung sogar die konventionelle Heizung ersetzen. Diese
durchaus effizienzsteigernde Tatsache verstellt in Punkto
Lüftungsanlage allerdings den Blick auf das Wesentliche: Es ist dies
eine Anlage, um ausreichend Frischluft in dichten Innenräumen
bereitzustellen.“

Frischer Neubau: deutlich höhere Belastung

Die IBO-Studie zur Wohnraumlüftung bestätigt aber auch die Sorge vor
Schadstoffen im Wohnraum. Insbesondere stellt sie ein erhöhtes Ausmaß
an VOC-Emissionen bei neuerrichteten Gebäuden fest: „Gründe dafür
sind einerseits vermutlich die Verwendung von Lösungsmitteln bei
Bau-Chemikalien und Materialien der Innenausstattung als auch
sekundär die zu niedrigen Zuluftvolumenströme in den Räumen. Mehr
Gewicht muss daher auf eine Emissionsreduktion durch die Auswahl
wenigemittierender, schadstoffgeprüfter Baustoffe und Materialien
gelegt werden.“ Zusatz: „Nicht in allen Fällen reicht der Betrieb der
Wohnraumlüftungsanlage als alleinige Maßnahme zur
Expositionsreduktion aus.“

Wolfgang Kradischnig, IG Lebenszyklus Hochbau, generell zu gesundem
Raumklima: „Es ist eine grundlegende Aufgabe von Architekten, bei
Bauherren und Nutzern ein Bewusstsein für diese Thematik zu schaffen.
Wichtig ist z.B. zu verstehen, welche weitreichenden Auswirkungen die
Baustoffwahl darstellt. Es geht dabei um viel mehr als nur um Optik,
Haptik oder den Preis. Es geht auch um die gesundheitlichen
Auswirkungen dieser Entscheidungen.“

Ungesundes Dämmen?

Für gesundheitliche Bedenken sorgten kürzlich auch das Verbot des
Brandschutzmittels HBCD, das u.a. in Dämmstoffen verwendet wird, aber
auch die Verwendung von künstlichen Mineralfasern als Dämmstoff.
Erfreulich ist, dass die meisten österreichischen EPS-Hersteller
bereits mit Jänner 2015 den Umstieg auf das alternative
Flammschutzmittel pFR abgeschlossen haben. Heimische EPS-Produkte der
Güteschutzgemeinschaft Polystyrol-Hartschaum (Marken Austrotherm,
Austyrol, Bachl, Modrice, Röhrnbach, Brucha, EPS Industries, Flatz,
Hirsch, Steinbacher, Swisspor) sind damit HBCD-frei. Ein aktueller
Prüfbericht des Umweltbundesamtes über zehn übermittelte Proben liegt
der Medienstelle vor. Allerdings: Rund 15 Prozent der in Österreich
erhältlichen EPS-Platten werden importiert.

Dazu Robert Lechner, Österreichisches Ökologie-Institut ÖÖI und
Österreichische Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen ÖGNB: „Auch wenn
Inhaltsstoffe von Dämmstoffen wie HBCD oder die grundsätzliche
physikalische-chemische Beschaffenheit von Dämmmaterialien wie
Mineralwolle in der Vergangenheit für einige besorgniserregende
Erkenntnisse gesorgt haben, muss festgehalten werden, dass Panikmache
fehl am Platz ist. Niemand in einem mit EPS oder Mineralwolle
gedämmten Haus muss sich akut Sorgen um die Gesundheit machen. Sowohl
die Gesetzgebung als auch die Industrie haben reagiert; als
gefährlich oder bedenklich eingestufte Materialien wurden sukzessive
aus dem Verkehr genommen und durch unbedenklichere Materialien
ersetzt. Grundsätzlich muss bei allem Optimismus das Vorsorgeprinzip
gelten: Wichtig sind mehr denn je zur Vermeidung von unbekannten
Folgen deshalb alle nur erdenklichen Maßnahmen einer objektiven
Technikfolgenabschätzung. Dieses Vorsorgeprinzip sollte aber für alle
Lebensbereiche gelten, von der Ernährung über die Medizin,
Telekommunikation, Bekleidung bis hin zum Bauwesen – Dämmstoffe
brauchen dabei keine besondere Würdigung.“

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | GNB

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