- 29.10.2015, 14:30:35
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Familienpolitik in Österreich: Bilanz und Ausblick
Aktuelle Stunde mit Familienministerin Sophie Karmasin im Bundesrat
Utl.: Aktuelle Stunde mit Familienministerin Sophie Karmasin im
Bundesrat =
Wien (PK) - Viel Lob für Familienministerin Sophie Karmasin gab es
heute im Bundesrat im Rahmen der Aktuellen Stunde seitens der ÖVP und
der SPÖ. Die Debatte stand unter dem Titel "Familie und Jugend:
Weichen für die Zukunft"
Die RednerInnen beider Fraktionen hoben hervor, dass in den letzten
zwei Jahren in der Familienpolitik viele positive Schritte gesetzt
worden seien und die ÖsterreicherInnen ihr Land als
familienfreundlich bewerten. Tenor war gleichzeitig, dass noch vieles
zu tun sei. Anerkennung zollten der Ministerin auch die Grünen,
Kritik äußerten sie aber daran, dass es bislang noch nicht gelungen
sei, die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften
abzuschaffen. Ein negatives Bild der Familienpolitik der letzten zwei
Jahre zeichneten hingegen die Freiheitlichen und das Team Stronach.
Ihnen zufolge sind Familien Verlierer der Steuerreform, im
Vordergrund müsste stehen, dass Familien tatsächlich frei entscheiden
können, ob sie ihr Kind selbst betreuen wollen oder in eine
Kinderbetreuungseinrichtung geben.
Neue oberösterreichische BundesrätInnen, Grüne behalten
Fraktionsstatus
Vor Beginn der Debatte wurden jedoch nach der Oberösterreichischen
Landtagswahl die neuen BundesrätInnen angelobt. Neue MandatarInnen
sind Michael Lindner (S/O), Michael Raml (F/O), Thomas Schererbauer
(F/O), Rosa Ecker (F/O) und David Stögmüller (G/O). Wiedergewählt
wurden Gottfried Kneifel (V/O), Klaus Fürlinger (V/O), Ferdinand
Tiefnig (V/O), Peter Oberlehner (V/O) und Ewald Lindinger (S/O).
Neues Mitglied in der Länderkammer aus Niederösterreich ist Sandra
Kern (V/N).
Nach einem einstimmigen Beschluss behalten die Grünen auch weiterhin
ihren Fraktionsstatus, obwohl sie nur über vier MandatarInnen
verfügen.
Wirtschaft- und Familienpolitik sind kein Gegensatz
Sie wolle Österreich bis zum Jahr 2025 zum familienfreundlichsten
Land machen, bekräftigte Familienministerin Sophie Karmasin in ihrer
Stellungnahem vor dem Bundesrat und zeigte sich zuversichtlich, dass
dies auch zu schaffen sei. Dass die Schritte, die seit 2014 gesetzt
wurden, auch von den Menschen gespürt werden, untermauerte die
Ministerin mit dem Hinweis auf den Familienfreundlichkeitsmonitor,
wonach 63% der Bevölkerung Österreich als familienfreundlich
einstuft. Der diesbezügliche Prozentsatz habe sich verdoppelt, damit
liege man an zweiter Stelle in Europa, sagte Karmasin. Auch habe das
Familienministerium die meisten zusätzlichen Mittel aus dem Budget
erwirken können, konnte sie berichten.
Die Ressortchefin schlug aber auch einen Bogen zur
Wirtschaftspolitik, indem sie die Bedeutung familienfreundlicher
Rahmenbedingungen für die Wettbewerbsfähigkeit und den Standort
hervorhob. Familienfreundliche Betriebe ziehen Familien an und halten
Menschen länger im Betrieb, so Karmasin. Die von ihrem Ministerium im
März diesen Jahres ins Leben gerufene Initiative für mehr
Familienfreundlichkeit habe zum Ziel, familienfreundliche
Arbeitsbedingungen und Lebensräume zu schaffen. Die dafür eigens
eingerichtete Online-Plattform biete ein Netzwerk, um sich
auszutauschen und Best-Practice-Modelle vorzustellen. Derzeit würden
sich 138 Unternehmen daran beteiligen. Auch das staatlich Gütezeichen
für familienfreundliche Unternehmen und Institutionen habe Wirkung
gezeigt.
Noch ist viel zu tun
Karmasin räumte ein, dass man noch mit vielem nicht zufrieden sein
könne, man arbeite aber mit Nachdruck daran, die gesetzten Ziele auch
zu erreichen. So sei die die Geburtenrate mit 1,46 Kinder pro Frau zu
gering, es sei aber ein leichter Anstieg zu verzeichnen. Auch bei der
Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei man noch nicht dort
angelangt, wo man hinmüsse, aber es sei gelungen, die Kinderbildungs-
und Kinderbetreuungsangebote auszubauen. Für die Beschleunigung des
Ausbaus der institutionellen Angebote stelle der Bund in den Jahren
2014-2017 305 Mio. € zur Verfügung. Bisher seien 8.500 neue Plätze
geschaffen worden. Auch die Verlängerung des verpflichtenden
Gratiskindergartenjahres werde mit dem heutigen Beschluss des
Bundesrats besiegelt, freute sich die Ministerin. Es hapere
allerdings noch bei den Öffnungszeiten, stellte sie fest und
unterstrich gegenüber kritischen Wortmeldungen, dass es keineswegs um
eine Verpflichtung gehe, Kinder in Betreuungseinrichtungen zu geben,
sondern um Optionen. Derzeit arbeite man an einem Qualitätskompass
für Kindergärten. Die unter wissenschaftlicher Begleitung dafür
maßgeblichen Parameter würden derzeit ausgearbeitet und Anfang
nächsten Jahres vorgestellt, berichtete sie.
Als viel zu gering stufte die Ministerin die Väterbeteiligung bei der
Kindererziehung ein, was dramatische Konsequenzen für beide
Elternteile habe. Partnerschaft schaffe einfach mehr Lebensoptionen,
konstatierte sie und fügte mit Bedauern hinzu, dass der Anteil der
Frauen in Führungspositionen nur im Schneckentempo steige.
Karmasin zieht kurze Bilanz über Familienleistungen
Karmasin zog auch eine kurze Bilanz über die verbesserte monetäre
Unterstützung der Familien und erinnerte an die Erhöhung der
Familienbeihilfe in drei Schritten sowie an die Erhöhung des
Zuschlags für erheblich behinderte Kinder. Das seien in Summe 827,8
Mio. € mehr Mittel für die Familien. Die Ministerin knüpfte an diese
stufenweise Erhöhung die Hoffnung, dass man diesen Weg konsequent
fortsetzen werde. Die Steuerreform mit der Verdoppelung des
Kinderfreibetrags von 220 auf 440 € jährlich bringe den Familien eine
Entlastung von rund 100 Mio. €, womit die steuerliche Entlastung für
Familien rund 1.545 bis 1.630 € jährlich betrage. Durch die
Familienleistungen habe sich auch das Risiko von 26%
armutsgefährdeter Familien auf 14% verringert, hielt Karmasin fest,
ohne dabei Zufriedenheit ausdrücken zu wollen.
Als eine wesentliche Erleichterung für Familien und Verwaltung
bezeichnete sie die Einführung er antragslosen Familienbeihilfe und
zeichnete damit ein Bild eines geglückten Schrittes zur
Verwaltungsreform. Seit 1. Mai 2015 seien 32.000 Fälle ohne Fehler
abgewickelt worden, die Durchlaufzeit bei der Erledigung im Finanzamt
betrage rund 2,47 Tage, in 42% der Fälle weniger als einen Tag.
Karmasin kündigt Familienbetreuungsgeld-Konto an
Karmasin teilte die in der Diskussion vorgebrachten Einwände
hinsichtlich der unterschiedlichen Kinderbetreuungsgeldvarianten. Sie
kündigte daher die Einrichtung eines Kinderbetreuungsgeld-Kontos an,
wodurch individuelle und flexible Entscheidungen der Eltern weiterhin
gewährleistet bleiben, die derzeitigen Pauschalvarianten jedoch
vereinfacht werden sollen. Ziel sei es vor allem, bei
unterschiedlichen Varianten gleiche Beträge auszubezahlen. Es werde
auch einen Partnerschaftsbonus geben, um die Väterbeteiligung
anzuheben.
Neue Medien halten Einzug in die Familienpolitik
Abschließend wies die Ministerin auf das umfangreiche digitale
Angebot für Familien hin. So können mit der "FamilienApp" Eltern
interessante Tipps und Hinweise abrufen. Ein weiteres Angebot ist das
Erziehungsmagazin "ElternTipps" sowie die Website www.eltern-
bildung.at. Um die Medienkompetenz zu stärken, wurde das Konzept
"digi4family" ins Leben gerufen, unter anderem können Eltern
sogenannte Webinare nutzen. Auch werden ab nächstem Jahr E-Books
zusätzlich zu den gedruckten Schulbüchern kommen.
Karmasin ging auch kurz auf die Beratungsstelle Extremismus ein, die
bislang 790 Anrufe entgegengenommen hat. Das Konzept umfasst nicht
nur die Hotline sondern auch Hilfe in Form von einem mobilen
Beratungsteam sowie einem Angebot an Fort- und Weiterbildung.
Bei Kinderbetreuung ist in Gemeinden noch viel Bewusstseinsbildung zu
leisten
Seitens der ÖVP-RednerInnen wurden insbesondere die Fortschritte in
der Familienpolitik unter der Ära Karmasin hervorgehoben. Die
zusätzlichen Mittel für Familien in der Höhe von rund 828 Mio.€ seien
eine große Leistung angesichts der schwierigen budgetären Situation,
stellte Sonja Led-Rossmann (V/T) fest. Die Weichen für die Zukunft
seien gestellt, meinte auch ihr Fraktionskollege Edgar Mayer (V/V).
Es habe sich als zielführend erwiesen, ein eigenes
Familienministerium zu installieren, sagte er und unterstrich, von
der Steuerreform würden insbesondere die Familien des Mittelstands
profitieren.
Die Tiroler Bundesrätin Ledl-Rossmann wies zudem auf die
unterschiedlichen strukturellen Voraussetzungen der einzelnen
Regionen hin, daher gelte es auch gerade beim Ausbau der
Kinderbetreuung, für Kleinstgemeinden bis hin zu Ballungszentren
individuelle Lösungen zu finden. Sie verhehlte auch nicht, dass in
diesem Zusammenhang innerhalb der Gemeinden noch viel
Bewusstseinsbildung zu leisten sei und unterstrich, dass sich
Familien in erster Linie in kinderfreundlichen Gemeinden ansiedeln
werden.
Wie auch später Marco Schreuder (G/W) sprach die ÖVP-Mandatarin das
Thema Pflege an. Familienpolitik darf sich nach Meinung der beiden
nicht nur auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf konzentrieren,
sondern müsse auch die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege besonders
im Auge behalten. Derzeit sei die Betreuung der Älteren sowohl
beruflich als auch monetär schwer zu schaffen, sagte Schreuder.
Jahr der Jugendarbeit 2016
Edgar Mayer thematisierte zudem das geplante Jahr der Jugendarbeit
2016. Hier gehe es um Bildung und Beschäftigung, Lebensqualität und
Jugendbeteiligung. Ziel sei die Stärkung der Jugendpolitik und die
öffentliche Präsenz außerschulischer Jugendarbeit. Das Jahr der
Jugendarbeit sei gemeinsam mit den LandesjugendrätInnen beschlossen
worden, ergänzte Ministerin Karmasin. Einmal im Monat würden
ausgezeichnete Jugendprojekte einzelner Bundesländer vorgestellt. Die
Auftaktveranstaltung sei für den 15. November vorgesehen.
Bildung ein Mittel gegen Kinderarmut
Das Thema Armut beschäftigte vor allem die Burgenländische
Bundesräten Inge Posch-Gruska (S/B). 25% Prozent der Kinder und
Jugendlichen, das seien rund 408.000, haben das Risiko, in die Armut
abzurutschen. Das betreffe vor allem Alleinerziehende und
Migrantenfamilien, sagte sie. Für Posch-Gruska ist in diesem
Zusammenhang vor allem die soziale Integration, insbesondere durch
Sprache, Sport, Umwelt und Kultur maßgeblich, was durch den frühen
Besuch von Kinderbetreuungseinrichtungen geleistet werden könne. Hier
habe die Ministerin viel beigetragen, zollte sie Karmasin Anerkennung
und hoffte vor allem auf ganztägige Schulformen und ein Rahmengesetz
für die Kindergärten, um tatsächlich gleiche Chancen bieten zu
können. Als Bürgermeisterin einer Gemeinde ersuchte sie die
Ministerin, die Gebietskörperschaften nicht nur bei der Finanzierung
sondern auch bei den Konzepten zu unterstützen. Die Bedeutung der
Elementarpädagogik hob auch ihre Fraktionskollegin Daniela Gruber-
Pruner (S/W) hervor. Dabei gehe es nicht um Familie versus
Elementarpädagogik, sondern um ein Miteinander, stellte sie klar. Die
SPÖ-Politikerin sprach sich in diesem Zusammenhang für ein zweites
verpflichtendes Kindergartenjahr, die Aufwertung der
Elementarpädagoginnen und bessere Öffnungszeiten aus.
Sowohl Posch-Gruska als auch Gruber-Pruner wünschten sich einen
Kinderrechtsausschuss im Bundesrat. Bei der Durchsetzung der
Kinderrechte sei noch viel zu tun, meinte Gruber-Pruner mit Hinweis
auf Kinderarmut, Gewalt und Flüchtlingskinder.
Politik den geänderten Lebensrealitäten anpassen
Mit einer positiven Bewertung der Arbeit der Familienministerin ließ
auch Nicole Schreyer (G/T) von den Grünen aufhorchen. Es sei viel
erreicht worden, viel gebe es aber noch zu tun, sagte auch sie.
Schreyer thematisierte vor allem das geänderte Familienbild und
forderte, die Familienpolitik müsse sich besser auf die geänderten
Lebensrealitäten einstellen. Das betreffe vor allem die bessere
Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mit dem Ziel, die Väter mehr in
die Kindererziehung miteinzubeziehen und die
Kinderbetreuungsmöglichkeiten vor allem in den ländlichen Gebieten zu
verbessern. Schreyer meinte damit konkret einen bezahlten Papa-Monat
nicht nur im öffentlichen Dienst sondern auch in der
Privatwirtschaft, sowie den Rechtsanspruch auf einen Platz in der
Kindergrippe und flexible Öffnungszeiten. Wie die SPÖ-Bundesrätin
Gruber-Pruner forderte sie eine Aufwertung der
KindergartenpädagogInnen.
Karmasin will diskriminierende Aspekte bei gleichgeschlechtlichen
Paaren wegbekommen
Nicole Schreyer und ihr Klubkollege Marco Schreuder machten sich
besonders für Familien mit gleichgeschlechtlichen Elternteilen stark
und forderten, bestehende Ungleichbehandlungen zu beseitigen. Das
betrifft das Adoptionsrecht und die Öffnung der Ehe für alle.
Daraufhin bekräftigte Ministerin Karmasin, sie wolle diskriminierende
Aspekte bei gleichgeschlechtlichen Paaren wegbekommen.
Schreuder schlug in seiner Rede etwas kritischere Töne an, indem er
der Ministerin vorwarf, sich nach Äußerungen der MinisterInnen Kurz
und Mikl-Leitner nicht mehr für ausländische Familien und Kinder
eingesetzt zu haben. Er bedauerte zudem, dass das Familienministerium
zu wenig Kompetenzen hat.
Was heißt Wahlfreiheit in der Kinderbetreuung?
Eine ganz andere Sicht der Dinge zeichneten die RednerInnen von FPÖ
und Team Stronach. "Geschehen ist nicht wahnsinnig viel", fasste
Monika Mühlwert (F/W) ihre Beurteilung zusammen. Die Familien hätten
lediglich 5,50 € mehr in der Tasche, die Steuerreform bringe für die
Familien mehr Belastung, die Inflationsanpassung der Familienbeihilfe
lasse weiter auf sich warten, die Armutsrate bei Kindern und
Jugendlichen sei weiterhin hoch. Die Regierung habe etwa für
Flüchtlinge viel Geld, nur für die eigenen Leute nicht, sagte sie,
viele Familien wüssten nicht, wie sie über die Runden kommen sollen.
Wie auch Gerhard Dörfler (F/K) konnte sie sich nicht mit der Politik
zur Ausweitung der Kindergartenplätze anfreunden. Nicht nur
außerhäusliche Institutionen seien gut für die Kinder, meinte sie,
die Politik schaffe nicht wirklich Wahlfreiheit. Wahlfreiheit bedeute
vielmehr, es sich auch leisten zu können, zuhause zu bleiben oder
Teilzeit zu arbeiten. Wir benötigen eine Basisstruktur, wie sie die
Familien tatsächlich benötigen, assistierte ihr dazu Dörfler.
Familienfreundlichkeit sei kein ausschließliches Thema der
Kinderbetreuung, stellte er fest. Viel eher müssten die Arbeitszeiten
so gestaltet sein, dass die Kinder auch zuhause betreuet werden
können. Mama und Papa seien für Kleinkinder die besten Pädagogen.
Freiwilligkeit heiße, ob die Familienarbeit finanziert werden kann
oder nicht, so Dörfler.
Negativ fiel auch die Bilanz von Gerald Zelina (T/N) aus, der der
Regierung eine unverantwortliche Wirtschaftspolitik auf Kosten der
Kinder vorwarf. Jedes Kind komme mit 36.000 € Schulden auf die Welt,
man stehe einer hohen Arbeitslosenrate gegenüber, die durch
unkontrollierte Masseneinwanderung verschärft werde. Eine alternde
Bevölkerung mit zu geringer Geburtenrate habe negative Auswirkungen
auf Wirtschaft und Pensionen, skizzierte Zelina seine Auffassung. Er
forderte daher Investitionen in Kinder, Familie und Bildung, damit
Kinder auch leistbar seien. Das Team Stronach trete daher für eine
automatische wertgesicherte Inflationsanpassung der Familienbeihilfe
und ein günstigeres Familienbesteuerungsmodell ab dem zweiten Kind
ein. (Ende Aktuelle Stunde/Fortsetzung Bundesrat) jan
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