• 21.10.2015, 10:46:49
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Menz: Einbruch bei Investitionen bedeutet nachhaltige Schädigung des Wirtschaftsstandorts

Statt Zuwächsen, Investitionsquote minus 60 Prozent seit 2000 – Auswirkungen auf Export mit starken Handelsnachteilen für Österreich

Utl.: Statt Zuwächsen, Investitionsquote minus 60 Prozent seit 2000
– Auswirkungen auf Export mit starken Handelsnachteilen für
Österreich =

Wien (OTS) - "Warnrufe hat es in der Vergangenheit viele gegeben. Nun
zeigt die vorliegende WU-Studie, dass die Netto-Investitionsquote in
den letzten Jahren regelrecht eingebrochen ist. Von
Ersatzinvestitionen allein kann keine Branche leben. Damit stehen wir
vor einem echten Problem: Denn, wo keine Investitionen, auch kein
technischer Fortschritt, zu geringe Arbeitsproduktivität und eine
sinkende Nachfrage", betonte heute, Mittwoch, der Obmann der
Bundessparte Industrie, Sigi Menz. Dadurch, dass die Industrie
exportabhängiger als je zuvor sei, bedeute die vorliegende
Entwicklung eine nachhaltige Schädigung der Betriebe, die dazu führe,
dass Österreich echte Handelsnachteile erlebe.

"Die Tatsache, dass sich die EU bzw. der OECD -Raum deutlich
schwächer erholt als nach früheren Krisen bedeutet bereits eine große
Einschränkung. Österreich selbst hat sich aber von dieser Entwicklung
zusätzlich abgekoppelt, die Investitionsschwäche ist hier besonders
signifikant ausgeprägt", konstatiert Studienautorin Prof. Eva Pichler
(WU Wien). Die Daten zeigen, dass in erster Linie die Investitionen
der privaten Unternehmen sowie der privaten Haushalte, nicht jene des
öffentlichen Sektors, zurückbleiben, der trotz hoher Verschuldung und
hoher Steuerquote weiter kräftig investiert. Bauinvestitionen sind
stark betroffen, aber auch Investitionen in Maschinen stagnieren seit
2011 bzw. sind real sogar rückläufig. Sogar das Wachstum der
Investitionen in F&E kam im Jahr 2014 zum Stillstand.

80 Prozent der Bruttoinvestitionen sind Abschreibungen

Im Zeitraum 2000-2014 ist die Nettoinvestitionsquote
(Bruttoinvestitionsquote abzüglich Abschreibungen, bezogen auf den
Bruttoproduktionswert) der Unternehmen von 13,5% auf 5,2%
eingebrochen, also um mehr als 60 Prozent! "Problematisch ist die
Tatsache, dass diese Entwicklung keinen kurzfristigen Rückgang
darstellt, wir erleben einen langfristig sinkenden Trend bei den
Investitionen. Das heißt: Schwaches Wirtschaftswachstum, hohe
Lohnstückkosten und der sinkende Trend selbst verursachen immer
weiter sinkende Investitionen. Dies weist auf ein Problem der
Standortqualität Österreichs hin. Die niedrigen Zinsen haben momentan
einen nur sehr schwachen positiven Einfluss auf die Investitionen",
analysiert Pichler.

Evident sei zudem, dass die Unternehmen bis 2007 stark investiert
haben und nun auf hohen Kapitalstockkosten sitzen. Das bedeutet
wiederum, dass aufgrund der niedrigen Investitionen der Kapitalstock
nur mehr sehr langsam wächst und auch technischer Fortschritt -
selbst wo dieser zur Verfügung stände - nicht genutzt werden kann, da
nicht in die dazu erforderliche Technologie investiert wird. Damit
fehlt auch die Basis für zukünftiges Wachstum. So entsprechen die
Abschreibungen inzwischen 80% der Bruttoinvestitionen, so Pichler.
Mit anderen Worten werden 4 von 5 Euro der Investitionskosten nur
dazu verwendet, den bestehenden Kapitalstock zu erhalten. Die
Abschreibungen haben als einzige Komponente der Investitionen einen
deutlichen Aufwärtstrend. Dies ist problematisch, da ein größer
werdender Teil der Bruttowertschöpfung der Unternehmen nicht mehr zur
Verteilung zur Verfügung steht. Gründe sind einerseits
Strukturverschiebungen der Investitionen in Richtung F&E, geistiges
Eigentum, andererseits die teils zu hohen Investitionen, welche die
Unternehmen bis zum Jahr 2007 in allzu großem Optimismus getätigt
haben. In den Jahren zwischen 1995 und 2015 kostet dieser Effekt 3
Prozent der Bruttowertschöpfung des Unternehmenssektors zusätzlich!
Auch in Bezug auf das gesamte BIP wachsen die Abschreibungen, im
Zeitraum 1995-2014 um ca. 2 Prozent. Das entspricht aktuell ca. 7
Mrd. Euro, betont Pichler. Es wäre zu überlegen, ob man bei
verschiedenen Verteilungsfragen vom Konzept des BIP auf ein
Nettokonzept wechseln sollte.

"Ich warne eindrücklich davor, dem heimischen Industriestandort das
Wasser abzugraben und ihn weiter zu schwächen. Die Exportzahlen sind
(trotz zunehmender Marktanteilsverluste auf den Exportmärkten) noch
gut, aber höhere Auslandsumsätze gepaart mit geringeren
Inlandsinvestitionen bedeuten, dass wir es mit einem echten
Strukturproblem in Österreich zu tun haben. Wir wollen weiter von
Österreich aus exportieren und nicht im Ausland produzieren", so
Menz. "Es ist wie ein Wechselspiel zu unseren Ungunsten: Sinkende
Gewinne verursachen Investitionsrückgänge, sinkende Investitionen
verursachen wiederum Gewinnrückgänge. Das ist in den Unternehmen
schon konkret spür- und messbar", konstatiert der Industrie-Obmann.
Pichler bestätigt die letztere Aussage mithilfe eines ökonometrischen
Tests: Auch dieser zeigt, dass sinkende Investitionen die Gewinne
senken, was wiederum einen negativen Rückkopplungseffekt auf die
Investitionen auslöst.

Steigerung der Lohnstückkosten seit 2008 um 15,8 Prozent

Im Hinblick auf die traditionelle starke Exportsituation der
österreichischen Industrie - Exportanteil von bis zu 90 Prozent in
bestimmten Industriezweigen - führe die aktuelle Situation zu starken
Nachfragerückgängen und Kostennachteilen für die heimischen Betriebe.
Seit 2008 sind die Lohnstückkosten in Österreich um 15,8 % gestiegen
(EU: 10,2 %). Der Ruf nach höheren Lohnabschlüssen verschärfe dieses
Problem und gefährde die österreichische Arbeitsproduktivität, so
Pichler. Das zugrundliegende Problem ist, dass die
Arbeitsproduktivität seit 2010 nur um ein Prozent pro Jahr oder sogar
weniger wächst, und daher der Verteilungsspielraum sehr eng geworden
ist. Die Lohneinkommen entwickelten sich schwach, die Gewinneinkommen
jedoch noch schwächer: Seit 2007 fiel die Nettogewinnquote der
Nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften - ein Konzept der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, das nicht
betriebswirtschaftlichen Ziffern entspricht - um fast ein DritteI.
Insbesondere kamen die Unternehmen auch von den hohen
Abschreibungskosten unter die Räder. Ein Kernproblem der sinkenden
Arbeitsproduktivität, die den Wohlstand erodiere, könne daher mittels
Lohnforderungen oberhalb der Produktivität nicht gelöst werden, die
verstärke nur die bestehende Abwärtsspirale und führe mittelfristig -
über eine weitere Zurückdrängung der Investitionen - zu einem
weiteren Absinken der Arbeitsproduktivität, unterstreicht Pichler.

Neben steigenden Lohnstückkosten gibt es weitere Faktoren die dazu
beitragen, dass die Inflationsrate in Österreich inzwischen zu den
höchsten im Euroraum gehört. Diese sind - lt. OECD - steigende
Gebühren und Steuern sowie eine ungenügende Deregulierung bei
Dienstleistungsmärkten. Die relativ zum Euroraum Inflation reduziert
die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Unternehmen, da der
Wechselkurs nicht als Gegengewicht eingesetzt werden kann. In den
letzten Jahren blieb der Export österreichischer Unternehmen um ca.
ein halbes Prozent hinter dem Wachstum des globalen Exports zurück.
Die Wettbewerbsnachteile hoher Produktionskosten bestehen aber auch
im Inland. Als Folge dessen verschlechtert sich allmählich auch die
Zahlungsbilanz.

"Der Ruf nach Reformen liegt klar auf der Hand. Denn die nicht
realisierte Reformen der letzten Jahre kosten uns Geld - das ist
durch die ohnehin schon sehr hohe Steuer- und Abgabenquote nicht mehr
abdeckbar", kritisiert Menz. Pichler verweist in diesem Zusammenhang
auf die Abgabenquote, die aktuell 50 Prozent des BIP erreicht und
damit ein österreichisches All Time High markiert. Die Berechnungen
würden zeigen, dass bei künftig steigenden Zinsen sich dieser
Kostenfaktor mit etwa 3,5 Mrd. Euro pro Prozent Zinsdienst pro Jahr
zu Buche schlagen werde. Dabei könnten durch Vereinfachung des
Steuersystems und Deregulierungen von Dienstleistungssektoren laut
OECD jedes Jahr bis zu 0,5 % des BIP an zusätzlichem Wachstum
generiert werden, betont Pichler.

"Es ist Eile geboten: Produktivitätsorientierte Lohnpolitik,
Strukturreform bei der öffentlichen Verwaltung, Förderalismusreform,
Gesundheitswesen, Privatisierungen, Bildung (Facharbeiter, technische
Ausbildung) müssen jetzt mehr als nur Schlagworte sein", so Menz.
Eine Senkung der Lohnnebenkosten sei unabdingbar und ein erster
wichtiger Schritt. Und angesichts der Tatsache, dass die Staatsquote
nicht mehr gesteigert werden könne, gelte es intelligente
Investitionsanreize zu setzen - Rasche Umsetzung Wohnbau-Paket,
Lohnnebekostensenkung vor 2018 - der Zusammenhang zwischen sinkenden
Investitionen und dem Arbeitsmarkt sei evident, so der
Industrie-Obmann abschließend.

Auch die Vorstellung, F&E könne langfristig im Land gehalten werden,
wenn die kapitalintensiven Betriebe mit der Produktion ins Ausland
abwandern, ist eine Illusion, denn die österreichische Forschung ist
vom Schwerpunkt her anwendungsorientiert und damit produktionsnahe.

Investitionen binden Kapital langfristig und sind mit hohen Sunk
Costs verbunden. Eine zunehmende Unsicherheit der Investoren
bezüglich z.B. zukünftiger neuer steuerlicher Belastungen können
stark negative Effekte erzeugen. Österreichs Ranking im "Global
Competitiveness Report 2014-15" in Punkto "strength of investor
protection" liegt mit Rang 83/144 (!) bereits auf einem viel zu
schlechten Platz.

Pichler schließt mit der Aufforderung, das Investitionsklima in
Österreich rasch zu verbessern, um den sinkenden Trend der
Investitionsquote zu stoppen. (PWK790/us)

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