- 14.10.2015, 17:44:15
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Arbeitsmarkt dynamisch oder erstarrt - welche Reformen sind nötig?
Dringliche Anfrage der NEOS im Nationalrat zu Arbeitsmarktpolitik, Arbeitsrecht, Lohnnebenkosten, flexiblen Arbeitszeiten und Asylwerber
Utl.: Dringliche Anfrage der NEOS im Nationalrat zu
Arbeitsmarktpolitik, Arbeitsrecht, Lohnnebenkosten, flexiblen
Arbeitszeiten und Asylwerber =
Wien (PK) - Eine "Partnerschaft des Stillstands", die Arbeitsplätze
vernichtet, konstatieren die NEOS und schlagen dabei eine Brücke zum
Budget, das heute von Finanzminister Schelling dem Nationalrat
präsentiert wurde. In ihrer Dringlichen Anfrage, eingebracht von
Sozialsprecher Gerald Loacker, werfen die NEOS der Regierung
Reformunwilligkeit vor, die nicht nur gegenwärtig Folgen habe,
sondern bis 2018 hinein wirke und die Arbeitslosigkeit weiter in die
Höhe schnellen lasse. Die Zahl der Arbeitslosen werde in Kürze
400.000 erreichen, prognostiziert Loacker.
Der Zusammenhang zwischen arbeitsmarktpolitischen Rahmenbedingungen,
wirtschaftlichen Impulsen, die daraus entstehen können, und einer
möglichen Budgetkonsolidierung lägen auf der Hand. Die steigende
Arbeitslosigkeit übe durch niedrigere Steuereinnahmen massiven Druck
auf den Bundeshaushalt aus, sie verschärfe das Budgetproblem, womit
budgetäre Spielräume für Zukunftsinvestitionen nicht vorhanden seien.
Dafür stiegen vergangenheitsbezogene Ausgaben weiter an. Der
Regierung fehle jegliches Konzept, um eine Trendwende einzuleiten,
die Regierung wälze die Verantwortung auf die Sozialpartner ab, deren
einzige Leistung darin bestehe, jegliches Reformvorhaben im Keim zu
ersticken, so der Vorwurf der NEOS. Loacker sprach in seinen
Ausführungen von einem "Doppelspiel zwischen Regierung und
Sozialpartnern". Die Regierung setze keine Erwerbs- und
Leistungsanreize, Mehrarbeit rentiere sich nicht, beklagte Loacker in
seiner Begründung. Auch bei der Mindestsicherung sehe er keinen
Erwerbsanreiz. Vielmehr würden diejenigen, die arbeiten, zu "Deppen
gemacht", so sein Resümée.
NEOS drängen auf umfangreiche Reformen am Arbeitsmarkt und im
Arbeitsrecht und verlangen eine Senkung der Lohnnebenkosten
In ihrer umfangreichen Anfrage an Sozialminister Rudolf Hundstorfer
setzen die NEOS der Regierungspolitik ihre eigenen Reformüberlegungen
entgegen. Demnach müssten im Sinne einer aktiven Arbeitsmarktpolitik
die Mittel "sinnvoller und flexibler" eingesetzt werden, insbesondere
dann, wenn die Mittel knapper werden, sagte Loacker. Außerdem seien
Maßnahmen gefragt, um die Nachfrage am Arbeitsmarkt zu erhöhen.
Qualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen für Personen über 50
machten durchaus Sinn, meinte Loacker, die finanzielle Konzentration
auf eine einzige Problemgruppe am Arbeitsmarkt sei aber falsch und
wirke sich negativ auf die Zahl der Langzeitarbeitslosen aus. Die
NEOS stoßen sich vor allem auch an der geblockten Altersteilzeit, die
in ihren Augen nichts anderes als eine durch das AMS finanzierte
Frühpensionierungsmöglichkeit ist. Weitere Kritikpunkte betreffen die
Teilpension, die eigentlich keine sei, sowie die aus Sicht der NEOS
mangelnde Treffsicherheit der Bildungskarenz. Letztere sei dort
notwendig, wo die Gefahr von Arbeitslosigkeit besteht, sie werde aber
großteils von jenen mit höherer Qualifikation genützt, merkte Loacker
an. Ein Dorn im Auge sind den NEOS auch das Senioritätsprinzip und
der erhöhte Kündigungsschutz, weil diese die Beschäftigung älterer
ArbeitnehmerInnen behinderten. Sie plädieren daher für einen
flexibleren Übergang zwischen Erwerbsleben und Pension. Loacker
zufolge sollte es auch möglich sein, nach einer längeren Krankheit
nicht gleich voll arbeiten zu müssen, sondern ein Modell der
"Teilarbeitsfähigkeit" in Anspruch nehmen zu können.
Zudem sprechen sich die NEOS für eine Senkung der Lohnnebenkosten,
etwa durch die Halbierung der Kammerumlagen, aus. Die Kammern legen
an Fett auf Kosten der Erwerbstätigen zu, formulierte Loacker spitz.
Sozialversicherungen Beitragssenkungen aufzuerlegen, würde zu den
notwendigen Strukturmaßnehmen führen, zeigte er sich überzeugt. Die
Unfallsversicherungsbeiträge seien um 40 % gestiegen, während die
Arbeitsunfälle sinken, nannte Loacker eine weitere
Einsparungsmöglichkeit. Das geplante Bonus-Malus-System würde eine
Erhöhung der Lohnnebenkosten bedeuten, ebenso wie eine sechste
Urlaubswoche, kritisierte der Sozialsprecher der NEOS. Die Erhöhung
der Höchstbeitragsgrundlage im Zuge der Steuerreform führe zu
weiteren Lohnnebenkosten.
Auch beim Familienlastenausgleichfonds sehen die NEOS
Einsparungspotential, da dieser heute unzählige versicherungsfremde
und teilweise familienfremde Leistungen finanziere, wie etwa die
Schülerfreifahrt. Diese stelle eine Umwegförderung des
Regionalverkehrs dar, hielt Loacker fest. Außerdem würde seiner
Meinung nach ein transparenter Lohnzettel bzw. die Zusammenführung
von Dienstgeber- und Dienstnehmerbeiträgen Kostenwahrheit bringen und
den sozialversicherungsrechtlichen Reformdruck entsprechend erhöhen.
Streng ging Loacker auch mit der Wohnbauförderung ins Gericht, weil
aufgrund der nicht vorhandenen Zweckbindung das Geld teilweise in
andere Kanäle fließe und es eine Umverteilung von unten nach oben
gebe.
Ein weiterer Reformbedarf besteht in den Augen der NEOS beim
Arbeitsrecht. Dieses sollte modernisiert werden und einen "Rahmen für
flexibleren Ressourceneinsatz im Sinne von Vertrauensarbeitszeit,
aber auch Jahresarbeitszeitmodelle und Zeitkonten erlauben". Derzeit
sei die Arbeitszeitflexibilität "zum Weinen" sagte Loacker. Das
Arbeitszeitgesetz stamme aus dem Jahr 1969 und sei nicht auf die
moderne Arbeitswelt abgestimmt. Die Elternteilzeit qualifizierte er
als "überschießend".
Die größte gesellschaftliche und soziale Herausforderung sei die
Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen. Die NEOS drängen daher
darauf, Maßnahmen gegen die Dequalifizierung während der langen
Wartezeit zu setzen. So sollte etwa der "Kompetenzcheck" schon
während des Asylverfahrens einsetzen und der Arbeitsmarktzugang
bereits nach sechs Monaten eröffnet werden.
All diese Reformvorschläge wurden in 92 Detailfragen an den
Sozialminister herangetragen. Zudem fordern die NEOS in weiteren fünf
Fragen Informationen über den angekündigten Arbeitsmarktgipfel ein.
Hundstorfer: Arbeitsmarkt ist dynamisch, Regierung konnte
Massenarbeitslosigkeit verhindern
Er setze dem bisher Gesagten eine positive Grundhaltung entgegen,
konterte darauf Sozialminister Rudolf Hundstorfer und appellierte,
mit dem Jammern aufzuhören, denn das würde auch das Vertrauen der
Wirtschaft und der Investoren stärken. Das Problem sei kein
arbeitsmarktpolitisches, sondern ein konjunkturelles, sagte er. Die
Wirtschaftskrise sei auch nach sieben Jahren nicht überstanden, das
Umfeld sei daher weiter schwierig. Die Regierung habe aber eine
Massenarbeitslosigkeit in Österreich verhindern können, indem sie mit
richtigen Maßnahmen - wie Kurzarbeit, Steuersenkungen und
öffentlichen Investitionen - gegengesteuert habe. Im Kampf gegen die
Jugendarbeitslosigkeit nehme man sogar eine Vorreiterrolle ein. Der
Sozialminister erinnerte zudem daran, dass die Lohnnebenkosten bei
der Unfallversicherung und beim Insolvenzentgeltfonds um jeweils 100
Mio. € gesenkt worden seien, außerdem habe man über den Pflegefonds
in den Ausbau der Sozialwirtschaft investiert und zahlreiche neue
Arbeitsplätze geschaffen.
Im Gegensatz zu den NEOS hält der Sozialminister den österreichischen
Arbeitsmarkt für einen der dynamischsten, er sei keineswegs erstarrt.
Hundstorfer wies in diesem Zusammenhang auf die derzeitige
Rekordbeschäftigung trotz anhaltender Wirtschaftskrise hin. Jährlich
würden 1,5 Mio. Beschäftigungsverhältnisse neu gegründet. Es würden
immer wieder neue Angebote geschaffen, um Beruf, Familie und
Weiterbildung in Einklang bringen zu können, etwa die Teilpension,
Pflege- oder Bildungsteilzeit. Durch die Steuerreform würde die
Binnennachfrage gestärkt und die öffentlichen Investitionen etwa in
den Wohnbau, in die Infrastruktur und in Innovation erhöht. Dadurch
würden Arbeitsplätze geschaffen und der Wirtschaftsstandort gestärkt.
Budgetär habe man durch ein niedriges Zinsniveau profitiert und die
Aussichten seien auch solide, sagte Hundstorfer.
Der Sozialminister verteidigte vehement die Sozialpartnerschaft. Dass
es in Österreich so wenig Arbeitskämpfe gibt, liege daran, dass 97 %
der unselbstständig Beschäftigten einen Kollektivvertrag haben.
Hundstorfer verhehlte aber nicht, dass auch er sich mehr Dynamik
wünschen würde. "In manchen Situationen dauert das Gemeinsame länger.
Aber es ist dennoch immer der richtige Weg", unterstrich der
Minister.
Sozialminister gegen Leistungskürzungen für die Sozialversicherungen
In Beantwortung der 97 Fragen kündigte Hundstorfer einen baldigen
Arbeitsgipfel an, ohne jedoch ein konkretes Datum zu nennen. Ihm gehe
es in erster Linie um Inhalte, sagte er, konkrete Punkte nannte er
nicht, betonte aber, dass es konjunkturelle Maßnahmen geben werde.
Hundstorfer konnte auch die Kritik an der Teilpension nicht
nachvollziehen. Was sei denn schlecht daran, wenn Menschen
weiterarbeiten, und nicht in Pension gehen, fragt er. Die Teilpension
bringe allen Vorteile. Ebenso wenig teilte er die Kritik an der
Bildungskarenz, denn diese sei nicht auf eine Zielgruppe hin
konzipiert. Durch einen erleichterten Zugang habe man jedoch die
Attraktivität der Bildungskarenz für jene mit geringeren
Qualifikationen erhöht.
Er stehe voll zur steuerlichen Entlastung des Faktors Arbeit, sagte
er und bekräftigte, offen für Diskussionen zu sein. Jedenfalls
arbeite man daran weiter. Eine Leistungskürzung für die
Sozialversicherung stehe aber nicht in seinem Programm, erklärte
Hundstorfer und wies darauf hin, dass die Verwaltungskosten der
Sozialversicherung bei 2 % liegen, jene der privaten Versicherungen
bei 4 bis 5 %.
Ein Arbeitsrechtspaket stehe in Verhandlung, informierte Hundstorfer
weiter und bezeichnete die sechste Urlaubswoche als eine Frage der
Fairness. Durch die hohe Flexibilität am Arbeitsmarkt kämen viele
Beschäftigte derzeit nicht mehr in den Genuss einer sechsten
Urlaubswoche. Weitere Flexibilisierungen im Arbeitszeitrecht seien
aber derzeit nicht geplant, stellte er fest und widersprach damit
vehement den Forderungen der NEOS. Der Sozialminister machte in
diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass es in der Arbeitswelt
mehrere Realitäten gebe.
Dezidiert stellte Hundstorfer fest, dass die Lockerung des
Kündigungsschutzes für ArbeitnehmerInnen über 50 nicht zur Debatte
stehe. Hundstorfer fühlt sich in Bezug auf die Einführung eines
Bonus-Malus-Systems an das Regierungsprogramm gebunden, derzeit kommt
aber laut seiner Aussage keine Einigung darüber zustande.
Was die Öffnung des Arbeitsmarkts für Asylwerbende betrifft, so tritt
der Sozialminister für eine gesamteuropäische Lösung ein. Um
Verzerrungen zu vermeiden, müsse im Vorfeld ein Verteilungsschlüssel
fixiert werden, sagte er. Wichtig sei vor allem ein rasches
Asylverfahren. (Fortsetzung Dringliche Anfrage/Nationalrat) jan
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