- 07.10.2015, 18:20:30
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Suche nach Wachstumsstrategien für Österreichs Wirtschaft
Wirtschaftsausschuss diskutiert über Konjunktur und Wettbewerb
Utl.: Wirtschaftsausschuss diskutiert über Konjunktur und Wettbewerb =
Wien (PK) - Österreichs Wirtschaft befindet sich im europäischen
Vergleich nach wie vor auf der "Kriechspur". WIFO-Chef Karl Aiginger
bezifferte heute in einer aktuellen Aussprache des
Wirtschaftsausschusses zum Thema Konjunktur das Wirtschaftswachstum
für dieses Jahr mit 0,7% und rechnet für 2016 mit einer
Beschleunigung auf 1,4%. Es müsse gelingen, die Wachstumsrate wieder
mindestens auf den EU-Schnitt heranzuführen, mahnte er und drängte
vor allem auf gezielte Investitionen in Bildung und Forschung.
Kurzfristig erwartet sich Aiginger ebenso wie Wirtschaftsminister
Reinhold Mitterlehner Wachstumsimpulse durch die Steuerreform 2016.
Im weiteren Verlauf der Sitzung nahmen die Abgeordneten den aktuellen
Tätigkeitsbericht der Bundeswettbewerbsbehörde einstimmig zur
Kenntnis und verabschiedeten überdies eine Novelle zum
Elektrotechnikgesetz, die vor allem eine Harmonisierung der
entsprechenden Bestimmungen bezweckt. Auf der Tagesordnung standen
schließlich auch eine Reihe von Anträgen der Oppositionsparteien zu
den Themenblöcken Entbürokratisierung, Wirtschaftskammer und
Russland-Sanktionen, die jeweils mit den Stimmen der
Regierungsparteien vertagt wurden.
Ausfall des Exportturbos bedingt schwaches Wachstum
In der Debatte mit den Abgeordneten begründete Aiginger das niedrige
Wirtschaftswachstum vor allem mit dem Ausfall des Exportturbos, zumal
die wichtigen Märkte im Schwarzmeerraum - Ukraine und Russland -
weggebrochen seien. Grund zur Angst, man hätte an
Wettbewerbsfähigkeit verloren, bestehe aber nicht, verzeichne
Österreich doch mit 5 Mrd. € einen der höchsten
Leistungsbilanzüberschüsse Europas. Als problematisch sah Aiginger
jedoch das Ausbleiben von realen Einkommenssteigerungen, das er vor
allem auf die kalte Progression und die im europäischen Schnitt hohe
Inflation zurückführte. Unter diesen Umständen werde es auf Dauer
nicht gelingen, den Inlandskonsum aufrechtzuerhalten, warnte er,
erwartete sich aber eine Einkommenserhöhung im nächsten Jahr durch
die Steuerreform. Als weiteres Problemfeld bezeichnete der Wifo-Chef
die mangelnde Zuversicht der Unternehmer und die daraus resultierende
geringe Bereitschaft zu Investitionen. Erleichtert werde die
Situation auch nicht durch den Umstand, dass der Staat aufgrund der
aktuellen Budgetlage als Triebkraft für Wachstum ausfällt, gab er
weiters zu bedenken.
WIFO-Chef fordert mehr Investitionen in Bildung und Forschung
Aiginger drängte mit Nachdruck auf Investitionen in den Bildungs- und
Forschungsbereich sowie in die Qualifikation der Beschäftigten.
Anerkennend registrierte er in diesem Zusammenhang die Steigerung der
F+E-Quote. Verstärktes Augenmerk muss zudem seiner Meinung nach auch
der Inflationsbekämpfung geschenkt werden, dies vor allem durch mehr
Konkurrenz im Handel und Zurückhaltung bei den öffentlichen Gebühren.
Auch eine vernünftige Umweltpolitik kann nach den Worten Aigingers
durchaus ein Vorteil für die Wirtschaft sein. Hier gelte es
insbesondere, in neue Technologien zu investieren, die es
ermöglichen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Positiv schätzte Aiginger
auch Investitionen in den Wohnbau ein. Das Ziel müsse allerdings die
Errichtung von Null-Energie-Wohnungen sein, da Österreich seine
Klimaziele sonst niemals erreichen werde.
Zur Flüchtlingsfrage stellte Aiginger fest, hier habe nicht die
Ökonomie das letzte Wort. Die Vergangenheit habe aber gezeigt, dass
massive Einwanderung, so etwa die Migrationswellen aus Ungarn und aus
Bosnien, immer ein Vorteil für Österreichs Wirtschaft waren. Die
Aufnahme von 30.000 Personen sei nicht unbedingt ein Problem, wenn es
eine entsprechende Arbeitsmarkt- und Flüchtlingsstrategie gibt. Ein
Sperren der Grenze könne jedenfalls keine Antwort auf die
Flüchtlingskrise sein. Dies würde sich erst recht negativ auf den
Arbeitsmarkt auswirken und eine Rückabwicklung der europäischen
Integration bedeuten, warnte Aiginger.
Auch Mitterlehner setzt auf Steuerreform
Man sei auf einem guten Weg, stellte Wirtschaftsminister Reinhold
Mitterlehner fest und setzte dabei ebenfalls auf positive Wirkungen
der Steuerreform, um der Konsum- und Investitionsschwäche zu
begegnen. Als wesentlich bezeichnete der Ressortleiter zudem die
Diversifizierungsstrategie beim Export sowie eine rasche Umsetzung
der Verwaltungsreform mit dem Ziel einer Entbürokratisierung für die
Wirtschaft. In der Flüchtlingspolitik will Mitterlehner mit
entsprechenden Programmen, die vom Universitätsbereich bis hin zum
Arbeitsmarkt reichen, effiziente Integration ermöglichen.
Die Einschätzung der Abgeordneten
Seitens der SPÖ äußerte Christoph Matznetter seine Überzeugung, dass
die Steuerreform einen echten Impuls für die Kaufkraft auslösen
werde. Was die Beschäftigungswirkung einer Arbeitszeitverkürzung
betrifft, konnte er die negative Einschätzung der ÖVP-Abgeordneten
Kathrin Nachbaur nicht teilen. Sein Fraktionskollege Franz
Kirchgatterer richtete den Blick auf die Qualifizierung der
Lehrlinge, während Rainer Wimmer (S) den Wunsch nach größerer
Effizienz des Arbeitsmarktes äußerte.
Vor neuen Belastungen für die KMU warnte ÖVP-Mandatarin Angelika
Winzig, die sich in diesem Zusammenhang auch klar gegen eine sechste
Urlaubswoche aussprach. Für Brigitte Jank (V) wiederum ist es
entscheidend, Investitionsanreize zu setzen und die Zuversicht der
Wirtschaftstreibenden zu heben.
Kritik an der seiner Meinung nach hohen Steuerbelastung und den hohen
Lohnnebenkosten übte FPÖ-Abgeordneter Bernhard Themessl. Sein
Fraktionskollege Axel Kassegger drängte auf Aufhebung der Russland-
Sanktionen als Antwort auf den Wegfall des Exportturbos. Peter Wurm
(F) thematisierte die Kosten der Flüchtlingskrise und fand kritische
Worte für die Asylpolitik der Regierung.
Grünen-Wirtschaftssprecherin Ruperta Lichtenecker mahnte weitere
Anstrengungen in den Bereichen Forschung und Innovation ein, während
Matthias Köchl (G) zu mehr Wohnbauinvestitionen aufrief. Christiane
Brunner (G) forderte Mitterlehner auf, noch vor dem Klimagipfel in
Paris konkrete Signale zur CO2-Reduktion zu setzen.
Anliegen von NEOS-Abgeordnetem Nikolaus Alm waren die Lockerung der
Gewerbeordnung sowie die Sonntagsöffnung der Geschäfte. Für Leopold
Steinbichler vom Team Stronach schließlich stellte sich die Frage, ob
Österreich angesichts der hohen Arbeitslosenrate noch weitere
Flüchtlinge verkraften könne.
Lob für die Bundeswettbewerbsbehörde
Das Engagement der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) für faire
Marktbedingungen fand ungeteilte Anerkennung bei allen Fraktionen.
Die Abgeordneten stützten sich dabei auf den von Generaldirektor
Theodor Thanner präsentierten Tätigkeitsbericht 2014 (III-209 d.B.),
der vor allem die zunehmende Bedeutung von Hausdurchsuchungen und
Geldbußen im Kampf gegen Kartelle unterstreicht und eine Reihe
aktueller Fälle - von der Lebensmittelbranche über den
Dämmstoffhandel bis hin zu Hotel-Onlinebuchungssystemen -
herausgreift.
Wie Theodor Thanner in der Debatte gegenüber den Abgeordneten Franz
Kirchgatterer (S), Hermann Schultes (V) und Nikolaus Alm (N)
ankündigte, werden der Online-Handel sowie der Lebensmittelbereich
auch weiterhin die Schwerpunkte der Tätigkeit der
Bundeswettbewerbsbehörde darstellen. Man turne sich hier von einem
Fall zum nächsten Fall, wobei Verfahren meist durch Kronzeugen oder
durch Beschwerden in Gang gebracht werden. Was den von den
Abgeordneten Brigitte Jank (V) und Matthias Köchl (G) angesprochenen
Glücksspielbereich betrifft, wies Thanner auf Marktgespräche mit den
wesentlichen Playern hin. Zur Personalsituation teilte der
Generaldirektor dem Ausschuss mit, derzeit verfüge die BWB über 36
Planstellen. Aus dem Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen sollen
nun aber vorbehaltlich der Genehmigung durch das Finanzministerium
zehn zusätzliche Planstellen zur Bundeswettbewerbsbehörde kommen.
Novelle zum Elektrotechnikgesetz bringt EU-Harmonisierung
Einen weiteren Schritt zur Vertiefung des europäischen Binnenmarkts
setzte der Ausschuss mit der einhelligen Zustimmung zu einer Novelle
zum Elektrotechnikgesetz (806 d.B.), die vor allem im Lichte der
Notwendigkeit einheitlicher Marktbedingungen für elektrotechnische
Produkte zu sehen ist und darauf abzielt, nicht EU-konforme
Erzeugnisse im ganzen EU-Raum gleich zu behandeln. Konkret ist nun
vorgesehen, das Wirtschaftsministerium als notifizierende Behörde
einzurichten und dabei auch Regeln über das Notifizierungsverfahren
ins Gesetz aufzunehmen.
In einer Debatte mit sonst durchwegs positiven Wortmeldungen zur
Harmonisierung technischer Normen in Europa warnte Bernhard Themessl
(F) vor Belastungen der Wirtschaft mit Kosten, die durch eine
bedenkliche Regulierungswut der EU entstünden. Demgegenüber betonte
Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, die Gesetzesänderung werde
keinen Mehraufwand nach sich ziehen. Die Vorlage eines
Normengesetzes, das auf mehr Transparenz bei den technischen Normen
abziele, kündigte der Minister noch für das laufende Jahr an.
Opposition pocht auf Bürokratieabbau und Modernisierung der
Gewerbeordnung
Entbürokratisierung und Erleichterungen für die Wirtschaft sind die
zentralen Forderungen von Anträgen der Oppositionsparteien, die bei
der Abstimmung allerdings mehrheitlich vertagt wurden. So fordert
Grünen-Wirtschaftssprecherin Ruperta Lichtenecker in ihrer Initiative
(1348/A(E)) etwa die Einrichtung von One-Stop-Shops für
Unternehmensgründungen und Betriebsanlagengenehmigungen sowie eine
umfassende Verwaltungsreform. Die Gewerbeordnung sollte ihrer Meinung
modernisiert werden und nur noch das unbedingt notwendige Minimum an
Regulierung enthalten. In diese Richtung geht auch ein Vorstoß
(613/A(E)) der NEOS, in dem Josef Schellhorn ebenfalls die
Einrichtung von One-Stop-Shops vor Ort in allen Landeshauptstädten
vorschlägt, und zwar für sämtliche Fragen zu Genehmigungen,
Gewerbeberechtigungen, Förderungen, Steuernummer und
Firmenbucheintragung. In Sachen Bürokratieabbau wiederum (1319/A(E))
setzt der NEOS-Wirtschaftssprecher insbesondere bei Statistik- und
Berichtspflichten sowie bei den behördlichen Überprüfungen an und
fordert entsprechende Entlastungen.
In der gemeinsamen Debatte über die drei Anträge forderte Matthias
Köchl (G) einen Fahrplan für konkrete Maßnahmen auf dem Weg zu einem
"Gründerland Österreich" und Nikolaus Alm (N) die Befreiung der
Betriebe von administrativen Belastungen und einen Bürokratieabbau.
Bernhard Themessl unterstützte diese Anliegen und wies auf
gleichlautende Anträge seiner Fraktion hin. Ihre erfolgreichen
Vertagungsanträge begründeten Christoph Matznetter (S) und Brigitte
Jank (V) mit dem für 2016 geplanten Reformdialog. Christiane Brunner
(G) warnte davor, die behördliche Kontrolle bei der Einhaltung von
Umweltschutzvorschriften einzuschränken.
Grüne und NEOS drängen auf Reformen bei den Wirtschaftskammern
Vom Unbehagen der Opposition über das derzeitige System der
Wirtschaftskammern sind Initiativen der Grünen und der NEOS getragen,
die vom Ausschuss ebenfalls vertagt wurden. Matthias Köchl (G)
verlangt in einem Entschließungsantrag (1149/A(E)) eine schrittweise
Reduktion der Kammerumlage II mit dem Ziel ihrer gänzlichen
Abschaffung in fünf Jahren und verspricht sich davon vor allem eine
finanzielle Entlastung für die Unternehmen. Seitens der NEOS ortet
Josef Schellhorn demokratische Defizite beim
Wirtschaftskammerwahlrecht und erhebt die Forderung (1022/A(E)) auf
Direktwahl der Wirtschaftsparlamente und Zuteilung der Mandate nach
dem Verhältnissystem. Ein Austrittsrecht für Ein-Personen-Unternehmen
aus der Wirtschaftskammer bis 2019 und in weiterer Folge eine Opt-
Out-Möglichkeit für alle Betriebe wiederum sind die zentralen Punkte
eines Vorstoßes (756/A(E)) von NEOS-Mandatar Nikolaus Alm.
Gegen die Abschaffung der Kammerumlage II - schrittweise, wie es
Matthias Köchl (G) vorschlug oder möglichst rasch, wie Nikolaus Alm
forderte - argumentierte Christoph Matznetter (S), indem er sagte,
dieser Kammerbeitrag sei für die Finanzierung der
Außenhandelsorganisation der Wirtschaftskammer wichtig. Gegen eine
Opt-Out-Möglichkeit für Einzelpersonen-Unternehmen wiederum spreche
die Gefahr, dass diese Unternehmen letztlich ohne
Interessenvertretung dastünden. Für die Reform des Kammerwahlrechts
schlugen Christoph Matznetter und Franz Kirchgatterer (beide S) eine
umfassende Diskussion vor und beantragten gemeinsam mit Angelika
Winzig (V) die Vertagung der Anträge, die mit SPÖ-ÖVP-Mehrheit
erfolgte.
FPÖ will Aus für Russland-Sanktionen
Vertagt wurde schließlich auch ein Antrag (1277/A(E)) der FPÖ, in dem
Axel Kassegger die Regierung auffordert, sich auf EU-Ebene für die
Aufhebung der Russland-Sanktionen einzusetzen. Der Handelskonflikt
zwischen der EU und Russland habe zu dramatischen Exporteinbußen mit
negativen Auswirkungen auf Beschäftigung und Schuldenstand geführt,
argumentierte der FPÖ-Abgeordnete und stützte sich dabei auch auf
eine entsprechende Studie des WIFO.
Dieser Antrag stieß auf Sympathie bei den Abgeordneten Christoph
Matznetter und Cornelia Ecker (beide S) sowie bei Leopold
Steinbichler (T) - die Vertagung erfolgte im Hinblick darauf, dass
der Antrag zum außenpolitischen Ausschuss ressortiere, wie Matzneter
ausführte. (Schluss) hof/fru
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