- 13.08.2015, 09:56:43
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Offener Brief an BM DI Andrä Rupprechter
Wien, Innsbruck (OTS) - Sehr geehrter Herr Umweltminister!
Die Wasserrahmenrichtlinie ist neben der Flora-Fauna-Habitat - und
der Vogelschutzrichtlinie eine der größten Umwelt- und
Naturschutzerrungenschaften der Europäischen Union. Sie ermöglicht
den Mitgliedstaaten eine nachhaltige Nutzung, den Schutz sowie die
Wiederherstellung ihrer Gewässer. Diese Richtlinie sichert der
europäischen Bevölkerung nicht nur eine der wertvollsten
Lebensgrundlagen - nämlich einen intakten Wasserschatz - sondern
schafft auch ausgewogene, auf gemeinsamen europäischen Standards
basierende Wirtschafts- und Wettbewerbsbedingungen für Industrie,
Gewerbe und Landwirtschaft. Dies macht die EU-Wasserrahmenrichtlinie
zu einer zentralen, der nachhaltigen Entwicklung Rechnung tragenden,
Umweltrechtsnorm.
Der Vollzug europäischer Richtlinien führt immer wieder zu
unterschiedlichen Interpretationen und eine Präzisierung der
Auslegungsspielräume schafft oftmals erst der EuGH. So ist dies auch
- längst überfällig - in der Rechtssache C-461/13 (Weser-Urteil) in
Sachen "Verschlechterungsverbot" der Wasserrahmenrichtlinie
geschehen. Als Umwelt- und Naturschutzverbände begrüßen wir diese
Klärung, weil eine einheitliche Auslegung des
Verschlechterungsverbotes in Europa in der Praxis nicht gegeben war.
Auch in Österreich wurde das Verschlechterungsverbot sehr oft sehr
weit interpretiert. Dies hat, wie im Fall des Naturjuwels der
Schwarzen Sulm, auch zu entsprechenden unbefriedigenden Ergebnissen,
bis hin zu einem Vertragsverletzungsverfahren geführt.
Sehr geehrter Herr Bundesminister, angesichts der wichtigen Rolle der
Wasserrahmenrichtlinie für die Sicherung des österreichischen
Wasserschatzes erscheinen uns Ihre Äußerungen in den Medien (etwa der
Tiroler Tageszeitung vom 16. Juli 2015), in denen Sie das
Verschlechterungsverbot als verbesserungswürdig bezeichnen und eine
Initiative in Richtung EU Kommission ankündigen, als unangebracht.
Vielmehr bitten wir Sie, als den in Österreich für Umwelt und Wasser
zuständigen Bundesminister, für eine rasche Klarstellung und eine
präzise Anweisung an die entsprechenden Behörden auf Bundes- und
Landesebene zu sorgen, um eine rechtskonforme Umsetzung des
Verschlechterungsverbotes im Sinne des oben genannten Urteils zu
sorgen.
Wir erinnern in diesem Zusammenhang daran, dass es in Österreich
bereits fünftausend Wasserkraftwerke gibt und das zur Verfügung
stehende Wasserkraftpotenzial in Österreich bereits zu 70 % genützt
wird. Zwei Drittel aller Fließgewässer befinden sich etwa in einem
nicht zufriedenstellenden ökologischen Zustand. In Ihrem Heimatland
Tirol werden pro Saison 40 Millionen Kubikmeter Kunstschnee erzeugt
und auf Pisten aufgebracht; damit könnte eine vierspurige Autobahn
von Wien bis Madrid einen Meter hoch mit Schnee bedeckt werden.
Die Energiewende ist in Österreich nicht mit dem Ausbau der
Wasserkraft zu erreichen. Selbst der Totalausbau der Wasserkraft
deckt nur den Stromverbrauchszuwachs weniger Jahre ab. Eine
Abschwächung und Aufweichung der Wasserrahmenrichtlinie setzt damit
nicht nur unseren Wasserschatz aufs Spiel, sondern wird auch keinen
nennenswerten Beitrag zur Energiewende leisten.
Diese Fakten - und der von Ihrem Hause vorbereitete Nationale
Gewässerbewirtschaftungsplan - belegen eindrucksvoll, dass unser
Wasserschatz bereits stark genutzt wird, und dass diese Nutzungen zu
einem insgesamt unbefriedigenden Zustand unserer Gewässer geführt
haben. Einmal mehr wird - gerade auch für den Wasserkraftausbau -
sichtbar, wie immanent wichtig eine von Ihrem Haus koordinierte
strategische Planung bei der Nutzung und dem Schutz der heimischen
Gewässer nach nationalen Kriterien und Standards wären.
In Zusammenhang mit dem Weser-Urteil sehen wir die Notwendigkeit der
wohl verstärkten Anwendung des "Wasserkatalogs" beim Ausbau der
Wasserkraft sowie den Bedarf einer Überprüfung, ob und in welchem
Ausmaß Genehmigungsverfahren und andere Rechtsakte (etwa Rahmenpläne)
erlassen wurden, die mit der Urteil des EuGH nicht im Einklang stehen
und daher neu zu bewerten bzw. zu revidieren sind.
Hochachtungsvoll,
WWF Österreich / Mag. Christoph Walder
Österreicher Alpenverein / MMag. Liliana Dagostin
Umweltdachverband / Mag. Michael Proschek-Hauptmann
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