- 07.07.2015, 13:42:56
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NEOS: "Steuerreform gießt Öl ins Feuer der Arbeitslosigkeit"
Kanzler Faymann sieht das Fünfmilliarden-Entlastungspaket als Fortsetzung der richtigen Politik der Regierung
Utl.: Kanzler Faymann sieht das Fünfmilliarden-Entlastungspaket als
Fortsetzung der richtigen Politik der Regierung =
Wien (PK) - Österreich sei mit einem beängstigendem Tempo auf der
Verliererstraße unterwegs, lautete die Analyse von NEOS-Chef Matthias
Strolz in der heutigen Aktuellen Stunde des Nationalrats, die
Bundesregierung unternehme dagegen aber nichts. Für völlig verfehlt
hielt er die groß angekündigte Steuerreform, die seiner Meinung nach
die derzeit so hohe Arbeitslosenrate noch zusätzlich befeuere. Als
Gegenmaßnahmen schlug er die Senkung der Lohnnebenkosten sowie
umfassende Strukturreformen vor. Eine völlig andere Sicht der Dinge
hatte Bundeskanzler Werner Faymann, der davon überzeugt war, dass die
Steuerreform die richtige Antwort auf die aktuellen
Beschäftigungsprobleme sei. Auch renommierte WirtschaftsexpertInnen
erwarten sich durch das Entlastungspaket in der Höhe von 5 Mrd. €
positive Effekte für den Arbeitsmarkt, die Binnennachfrage und das
BIP, zeigte der Kanzler auf.
Strolz befürchtet einen rasanten Wohlstandsabbau in den nächsten
Jahren
Der Klubobmann der NEOS, Matthias Strolz, wies darauf hin, dass
Österreich derzeit die höchste Arbeitslosenrate seit 60 Jahren
aufweist und nur in wenigen Monaten von der EU-Spitze in diesem
Bereich auf den 6. Platz abgestiegen ist. Gegen Ende des Jahres
werden voraussichtlich 500.000 Menschen keinen Job mehr haben,
prognostizierte er. Das AMS befürchtet zudem, dass sich diese
negative Entwicklung in den nächsten Jahren weiter fortsetzen wird.
Besorgniserregend sei auch die Schuldenentwicklung, urteilte Strolz,
Österreich werde in manchen internationalen Medien bereits als
"Griechenland der Alpen" bezeichnet.
Dringend erforderlich wären daher entschlossene Gegenstrategien von
Seiten der Bundesregierung, die nach Ansicht von Strolz aber komplett
fehlen. Die so viel beschworene Steuerreform werde auch keine
positiven Effekte auf die Beschäftigung haben, weil damit die
Binnennachfrage nicht gestärkt werde. Es handle sich dabei nämlich um
einen Etikettenschwindel, da es 2019 bereits eine höhere Abgabenlast
geben werde als zu Beginn der Steuerreform. Überdies werde die
Lohnsteuerentlastung durch die Mehrwertsteuererhöhungen mehr als
ausgeglichen, gab Strolz zu bedenken. Dass auch die UnternehmerInnen,
die als einzige Arbeitsplätze schaffen können, skeptisch in die
Zukunft blicken, beweisen die Ergebnisse einer Umfrage, die seine
Fraktion vor kurzem gemacht habe. Knapp 80 % der Befragten sind der
Auffassung, dass die Probleme vor allem hausgemacht sind und die
Politik die Verantwortung dafür trägt. 71 % der Betriebe schätzen die
Steuerreform negativ bis sehr negativ ein und 98 % der Befragten
sehen darin keinen Anreiz, neue Arbeitsplätze zu schaffen, hob Strolz
hervor. Fast ein Viertel sehe sogar die Gefahr damit verbunden,
MitarbeiterInnen abbauen zu müssen. Dies sei eine Tragödie für das
Land, meinte der Klubobmann der NEOS, und Österreich werde in einem
noch nie dagewesenen Ausmaß Wohlstand abbauen. Aus seiner Sicht
müsste man vor allem mit folgenden Maßnahmen gegensteuern: Senkung
der Lohnnebenkosten sowie die Umsetzung von Strukturreformen auf der
Ausgabenseite in den Bereichen Pensionen, Gesundheit, Verwaltung und
Förderalismus.
Faymann: Steuerreform ist die Fortsetzung der richtigen Politik in
schwierigen Zeiten
Bundeskanzler Werner Faymann wehrte sich dagegen, die hart erkämpfte
Steuerreform schlecht zu reden. Es handle sich dabei um gemeinsame
Kraftanstrengung des Landes im Sinne der ArbeitnehmerInnen und der
UnternehmerInnen, betonte er, wobei einzelne Punkte manchen
Interessensgruppen nicht leicht gefallen sind. Der Kanzler konterte
seinem Vorredner mit dem Aufzeigen von harten Fakten, die von
anerkannten Wirtschaftsinstituten wie Wifo und IHS bestätigt werden.
In schwierigen Zeiten sei es gelungen, ein Entlastungspaket in der
Höhe von 5 Mrd. € zu schnüren, die etwa bei einem
Durchschnittseinkommen von 2.100 € brutto eine Reduktion der
Lohnsteuer um 30 % bringt. Das Wifo sprach von einem positiven
Zeichen, durch das 850 Mio. € zusätzlich für Konjunktur und
Beschäftigung bereit gestellt werden. Außerdem wurde prognostiziert,
dass sich die private Nachfrage um 2,5 Mrd. € (+ 1,4 %) erhöht, die
Wertschöpfung um 290 Mio. € und das BIP um 1,35 Mrd. € steigen und
dass 6.500 neue Jobs geschaffen werden. Unrichtig sei, dass sich die
Menschen diese Entlastung selbst finanzieren müssen, hielt Faymann
dem Klubobmann der NEOS entgegen, zumal bei der Mehrwertsteuer
Einnahmen von bloß 220 Mio. € veranschlagt wurden.
Er habe auch größten Respekt vor den Unternehmern in Österreich, die
ihre Steuern zahlen, die längst schon Registrierkassen haben und die
sich vor Betrugsbekämpfung nicht fürchten müssen, unterstrich der
Bundeskanzler. Gleichzeitig haben aber auch die ArbeitnehmerInnen ein
Anrecht darauf, dass ihre Steuern gesenkt werden, bekräftigte
Faymann. Die Regierung setze zudem bewusst auf eine qualitative
Beschäftigungspolitik und im Gegensatz zu manchen anderen Ländern
nicht auf den Niedriglohnsektor, wo nur Jobs geschaffen werden
könnten, von denen man nicht leben kann. In der Krise habe man
rechtzeitig Maßnahmen gesetzt, um effektiv gegenzusteuern, war der
Kanzler überzeugt, und verwies auf die Ausdehnung der Kurzarbeit, die
Schaffung einer Ausbildungsgarantie oder zusätzliche
Konjunkturmaßnahmen. Die Steuerreform sei nun die Fortsetzung dieser
richtigen Politik und werde Österreich weiter voranbringen, schloss
Faymann.
Unterschiedliche Sicht der Steuerreform: Konjunkturbelebung und
Beschäftigungsmotor oder falsches Instrument und Angriff auf die
Leistungsträger?
SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder bewertete die Steuerreform als das
bisher wichtigste Projekt in der aktuellen Gesetzgebungsperiode, und
zwar sowohl in volkswirtschaftlicher, als auch in verteilungs- und
sozialpolitischer Hinsicht. Mehr als sechs Millionen
ÖsterreicherInnen werden ab Jänner 2016 davon profitieren und
effektiv mehr Geld im Börserl haben. Die Sozialdemokraten haben sich
dafür eingesetzt, dass vor allem die unteren und mittleren
EinkommensbezieherInnen entlastet werden, betonte Schieder, und dies
sei auch gelungen: 91 % der Mittel fließen in die Gehälter unter
4.500 € brutto. Dieser Bewertung schloss sich auch sein
Fraktionskollege Wolfgang Katzian an, der insbesondere an die
Kampagne der Arbeiterkammer und des ÖGB "Lohnsteuer runter"
erinnerte. Er zeigte sich erfreut darüber, dass diese Initiative
erfolgreich war und dass mit dem heutigen Beschluss die Kaufkraft der
wahren LeistungsträgerInnen gestärkt werden könne.
Reinhold Lopatka von der ÖVP konnte die Kritik der NEOS nicht
nachvollziehen, da sie selbst immer ein deutliche Entlastung der
breiten Masse der SteuerzahlerInnen gefordert haben. Genau dies werde
mit der heute zu beschließenden Reform umgesetzt. Auch das Wifo
bestätige, dass die dahinterstehenden Bemühungen der Regierung,
Impulse für mehr Wachstum zu setzen und die Konjunktur zu beleben mit
dem vorliegenden Entlastungspaket erreicht werden können. Während in
anderen europäischen Ländern Notprogramme auf der Tagesordnung
stehen, werde in Österreich ein zukunftsträchtiger Weg beschritten,
um wieder an die Spitze zu kommen, nämlich die Umsetzung einer echten
Steuerentlastungsreform, konstatierte Andreas Zakostelsky (V). Es sei
aber klar, dass weitere Reformschritte, wie z.B. die Absenkung der
Lohnnebenkosten, Bürokratieabbau oder die Weiterentwicklung des
Pensionssystems, folgen müssen.
Er habe mittlerweile den Eindruck, erklärte FPÖ-Mandatar Herbert
Kickl, dass die Regierung das Ziel verfolge, den Optimismus, den
Fleiß der Menschen und die Freude am Unternehmertum aus dem Land zu
vertreiben. Das jüngste Projekt im Rahmen dieser Kraftanstrengung sei
die so genannte Steuerreform, die einen Mix aus Belastungen und
zusätzlichen Schikanen, Bürokratisierungen und Kriminalisierungen
bringe. Die versprochene Trendumkehr am Arbeitsmarkt werde man
dadurch sicher nicht erreichen, urteilte Kickl. Ähnlich pointiert
brachte es Hubert Fuchs (F) auf den Punkt, der Wachstumsimpulse nur
im Hinblick auf die Zunahme der Staatsschulden, der Bürokratie und
der Abgabenquote erkennen konnte. Die Reform werden nämlich mit einer
langen Liste an wirtschaftsfeindlichen Maßnahmen gegenfinanziert.
Abhilfe könne aber nur eine deutliche Entlastung der kleinen und
mittleren Betriebe, die das Rückgrat der heimischen Wirtschaft
darstellen, bringen, führte Fuchs ins Treffen. Alleine durch das
Streichen der Wohnbauförderungs- und der Kammerbeiträge könnte man
etwa Lohnnebenkosten von rund 1,8 Mrd. € im Jahr einsparen.
Es erkenne wohl jeder, dass Österreich nicht so schlecht da stehe,
wie es die NEOS beschreiben, stellte Werner Kogler von den Grünen
eingangs fest. Es sei aber richtig, dass rechtzeitig Weichen gestellt
werden müssen, um den Rückwärtstrend in einigen Bereichen zu stoppen.
Auch von der Steuerreform hätte er sich wesentlich mehr erwartet, wie
etwa eine viel stärkere Entlastung der Löhne und eine deutliche
Erhöhung der vermögensbezogenen Abgaben. Nachholbedarf gebe es
mittlerweile auch bei den Ökosteuern, wo Österreich zurückgefallen
sei. Auch Birgit Schatz (G) konnte keinen großen Wurf bei der
Steuerreform erkennen, zumal ja Wachstum, Beschäftigung und Kampf
gegen die Arbeitslosigkeit im Fokus standen. Da in den letzten zehn
Jahren das Ausmaß der bezahlten Arbeitsstunden zurückgegangen ist und
gleichzeitig immer mehr Menschen Jobs suchen, müsse endlich über
Themen wie Arbeitszeitverkürzung, Flexibilisierung und eine bessere
und gerechtere Verteilung der Arbeit geredet werden, plädierte
Schatz.
Waltraud Dietrich vom Team Stronach bezweifelte, dass durch die
Steuerreform ausreichend Anreize gesetzt werden, um Arbeitsplätze zu
schaffen. Damit wurde eine große Chance vertan, zumal die
Beschäftigungssituation drastischer denn je sei und schon sehr viele
Familien persönlich betroffen sind. Ebenso wie die NEOS vertrat sie
die Auffassung, dass die UnternehmerInnen, nicht motiviert werden,
neue MitarbeiterInnen einzustellen. Auch die ArbeitnehmerInnen
erhalten keine Geschenke, wie dies nun dargestellt werde, sondern sie
erhalten bloß jene Gelder zurück, die ihnen vorher weggenommen
wurden. Um eine Trendwende zu schaffen, müssten vielmehr die echten
Probleme angegangen und u.a. die Lohnnebenkosten gesenkt, die
überbordende Bürokratie abgebaut und die Rekordschulden reduziert
werden, forderte ihre Fraktionskollegin Kathrin Nachbaur. Schließlich
drängte sie noch auf eine Rücknahme der Sanktionen gegenüber
Russland, um nicht noch weitere Arbeitsplätze zu gefährden.
Abgeordneter Gerald Loacker bekräftigte noch einmal die Kritik der
NEOS und sprach von einer lächerlichen Tarifreform, die nur die
Arbeitslosigkeit befeuere. Den Menschen werde zudem bloß das Geld
zurückgegeben, das sie vorher durch die kalte Progression verloren
haben. Zusätzlich werde ihnen durch die so genannte Gegenfinanzierung
noch Geld aus der Tasche gezogen, zeigte sich Loacker empört. Dies
alles trage dazu bei, dass es keine Aufbruchstimmung im Land gibt und
die meisten Betriebe keine Möglichkeit sehen, neue ArbeitnehmerInnen
aufzunehmen, beklagte Beate Meinl-Reisinger. (Fortsetzung
Nationalrat) sue
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