• 01.07.2015, 17:25:21
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TTIP: Opposition fordert Volksbefragung nach Verhandlungsabschluss

Verfassungsausschuss diskutiert über Investitionsschutzklauseln und Schiedsgerichte im geplanten EU-Freihandelsabkommen mit den USA

Utl.: Verfassungsausschuss diskutiert über
Investitionsschutzklauseln und Schiedsgerichte im geplanten
EU-Freihandelsabkommen mit den USA =

Wien (PK) - Seit 2013 werden die Vertragsbedingungen zwischen der
Europäischen Union und den USA für das geplante Transatlantische
Freihandelsabkommen, kurz TTIP, ausverhandelt. In einer breiten
Diskussion hat sich der Verfassungsausschuss heute insbesondere mit
den europaweit kontrovers diskutierten Investitionsschutzklauseln und
privaten Schiedsgerichten im Abkommen auseinandergesetzt. Während
SPÖ, FPÖ, Grüne und das Team Stronach in TTIP eine ernstzunehmende
Gefährdung für die Demokratie sowie für Sozial- und Umweltstandards
sehen, spricht die ÖVP von Wirtschaftspotentialen für ganz Europa.
Anlass für die Diskussion war ein Antrag von den Freiheitlichen und
dem Team Stronach. Beide Fraktionen wollen nach Abschluss der TTIP-
Verhandlungen eine Volksbefragung über das Freihandelsabkommen in
Österreich durchführen. Nicht begeistert darüber war die ÖVP, diese
geht ohnehin von einem sogenannten gemischten Abkommen aus, das
heißt, einer notwendigen Ratifizierung durch die nationalen
Parlamente. Die NEOS signalisierten prinzipiell Positives in Richtung
Volksbefragung, ohne Versachlichung der Debatte und umfassende
Information der Bevölkerung sei die Einsetzung eines
direktdemokratischen Instrumentes hier aber nicht sinnvoll, so der
Standpunkt der Oppositionspartei. Die Forderung auf eine TTIP-
Volksbefragung wurde schließlich vertagt, so wie alle anderen Anträge
der Opposition auf der Tagesordnung.

FPÖ, Grüne und das Team Stronach befürchten, dass das
Freihandelsabkommen ausschließlich internationalen Großkonzernen
dienen wird und Sozial- sowie Umweltstandards unter die Räder kommen.
Die Ängste der Opposition, wonach die geplanten
Investitionsschutzklauseln und privaten Schiedsgerichte eine
Gefährdung für die Demokratie darstellen, teilte zudem auch die SPÖ.
Bei TTIP sei eine Notbremse zu ziehen, meinte Albert Steinhauser von
den Grünen, der Freihandel mit den USA werde von den europäischen
Entscheidungsträgern komplett unterschätzt. Bereits innerhalb der
Europäischen Union sei sichtbar, dass Schutzmechanismen nicht
eingehalten werden.

Peter Wittmann von der SPÖ sprach insbesondere die mögliche
Gefährdung der Demokratie durch private Schiedsgerichte an. Diese
könnten nämlich in die nationale Gesetzgebung der Mitgliedsländer
massiv eingreifen, die Demokratie damit ausgehebelt werden, warnte
er. Investitionsschutzabkommen und Schiedsgerichtsverfahren im Sinne
des Freihandelsabkommens würden bedeuten, dass Staaten gegen Konzerne
antreten, so der Abgeordnete. Das könnte für einen Staat wiederum nur
zweierlei bedeuten: Entweder seinen Bankrott, oder aber globale
Konzerne nehmen Einfluss auf die Gesetzgebung. Mit horrenden
Bilanzsummen und wirtschaftlichem Druck würden so Staaten ausgeboten.
Grundsätzliches Bedenken äußerte er hinsichtlich der
verfassungsrechtlichen Möglichkeit, über TTIP eine Volksbefragung
abhalten zu können. "Ein gesundes Misstrauen ist angebracht", meinte
auch sein Fraktionskollege Josef Cap in Bezug auf das
Freihandelsabkommen.

Auf ein Negativbeispiel in Sachen Freihandelsabkommen mit den USA
machte Christian Lausch (F) aufmerksam. In Mexiko habe ein
entsprechendes Abkommen zu massivem Maisbauernsterben geführt.
Ähnliche Szenarien befürchtet der Freiheitliche auch für die
österreichische Landwirtschaft. Sein Fraktionskollege Harald Stefan
warnte davor, nach Abschluss der TTIP-Verhandlungen vor vollendeten
Tatsachen zu stehen. Auch Wolfgang Zinggl von den Grünen sprach sich
dezidiert für eine Volksbefragung aus, da, wie er sagte, hinter
verschlossenen Türen etwas ausverhandelt werde, das die
österreichische Bevölkerung massiv betrifft.

Christoph Hagen (T) thematisierte mögliche Wettbewerbsnachteile für
die EU gegenüber den USA. Aus seiner Sicht können europäischen
Betriebe durch TTIP nicht profitieren.

Die ÖVP und die NEOS sprachen sich für eine Versachlichung der
Debatte aus. Panikmache müsse hintangestellt werden, man dürfe das
Ziel nicht aus den Augen verlieren, dass Österreich als
exportorientiertes Land ein Freihandelsabkommen mit den USA braucht,
wie Michaela Steinacker (V) sagte. Da die ÖVP davon ausgeht, dass das
Abkommen auch den nationalen Parlamenten zur Genehmigung vorgelegt
wird, bedarf es aus Sicht der ÖVP auch keiner Volksbefragung.
Verteidigt wurde das geplante Freihandelsabkommen auch von Karlheinz
Kopf (V). Er sah darin enormes Wirtschaftspotential, gerade in einer
Zeit mit Wachstumsschwäche und steigender Arbeitslosigkeit, wie er
meinte. Dass Investoren Rechtssicherheit brauchen, ist aus seiner
Sicht zudem selbstverständlich. Außerdem gebe es bereits jetzt
tausende bilaterale Abkommen, die Investitionsschutzklauseln
beinhalten. Ein Argument, das Andreas Schieder von der SPÖ so nicht
gelten ließ. Investorenschutz sei zwar kein neues Rechtsinstrument,
es bekomme aber eine andere Qualität, wenn es um zwei Kontinente mit
unterschiedlichen Rechtsniveaus geht. Ob ein von NGOs vorgeschlagener
Internationaler Investitionsgerichtshof in dieser Frage Abhilfe
schaffen kann, hängt laut Schieder von dessen Ausgestaltung ab. Er
selbst bezweifelt, dass damit alle Probleme aus der Welt geschaffen
werden können. Auch die Pro-TTIP-Argumente der ÖVP, wonach die Krise
in Europa nur durch ein Freihandelsabkommen mit den USA zu überwinden
ist, sind Schieder zufolge die falschen. Ungezügelte Märkte hätten
die Krise nämlich erst recht verursacht, so seine Einschätzung.

Nikolaus Scherak von den NEOS bekrittelte, dass es in der Diskussion
über TTIP immer nur um Chlorhühner und Genmais geht, das sei
unsachlich und undifferenziert. Grundsätzlich hält es Scherak für
richtig, das Volk in politischen Angelegenheiten zu befragen, ohne
sachliche Information sei das aber wenig sinnvoll.

Das ursprünglich Anliegen der Freiheitlichen und vom Team Stronach
(364/A[E]), nach Abschluss der TTIP-Verhandlungen eine Volksbefragung
abzuhalten, wurde wie die Forderung der FPÖ(584/A), rund um das
Freihandelsabkommen vorbeugend so die Verfassung zu ändern, dass die
Wasserversorgung in Österreich auch in Zukunft in öffentlicher Hand
bleibt, vom Verfassungsausschuss mehrheitlich vertagt.

Das Abkommen beschäftigt auch andere Ausschüsse des Nationalrats, so
hat der Petitionsausschuss vor kurzem ein umfangreiches
Expertenhearing abgehalten (siehe Parlamentskorrespondenz Nr.
725/2015).

Islamgesetz: FPÖ urgiert Evaluierungsbericht bis Ende Februar 2016

Vom Ausschuss vertagt wurde zudem ein Antrag der FPÖ, der auf die
Vorlage eines Evaluierungsberichts zum Islamgesetz durch
Kanzleramtsminister Josef Ostermayer und Innenministerin Johanna
Mikl-Leitner bis Ende Februar 2016 abzielt (983/A(E)). Abgeordneter
Harald Stefan will unter anderem wissen, ob neue islamische
Glaubensrichtungen und Glaubensgemeinschaften anerkannt wurden, wie
viele Moscheen-Vereine nach Inkrafttreten des Islamgesetzes aufgelöst
und wie viele Moscheen geschlossen wurden.

Nicht begeistert vom Anliegen der FPÖ war Wolfgang Zinggl (G). Diese
Art von Informationen könnten auch im Zuge einer parlamentarischen
Anfrage eingeholt werden, wie er meinte. Auf die formalen Probleme
des Antrags hinsichtlich der genannten Fristsetzung verwies Wolfgang
Gerstl (V). Nachdem die Umsetzungsphase des neuen Islamgesetzes noch
nicht abgeschlossen ist, könne man auch noch nicht mit der
Evaluierung starten. Die Regierung hat Gerstl zufolge außerdem
bereits angekündigt, sich die Umsetzung des Islamgesetzes genau
anzusehen.

Grüne fordern Wahlrecht für AusländerInnen

Ebenfalls vertagt wurde ein Entschließungsantrag der Grünen, in dem
sich Abgeordnete Daniela Musiol dafür ausspricht, allen ausländischen
Staatsangehörigen nach einer bestimmten Aufenthaltsdauer in
Österreich bei Gemeinderats- und Landtagswahlen sowie auf
Bezirksebene in Wien das Wahlrecht zu gewähren (569/A[E]). Anders als
in vielen anderen europäischen Staaten könnten in Österreich
erhebliche Teile der Wohnbevölkerung nicht einmal auf Gemeindeebene
wählen, kritisierte sie im Verfassungsausschuss. Genau genommen sind
es laut Musiol 12,5 %, die vom Wahlrecht ausgeschossen sind. 49 %
davon stammen dabei aus Ländern der Europäischen Union. Eine
Vorreiterrolle nehmen neben Dänemark oder Finnland die Niederlande
ein. Schon seit 1994 ist dort sowohl das aktive als auch das passive
Wahlreicht für Nicht-StaatsbürgerInnen auf kommunaler Ebene normiert,
sagte die Grünen-Abgeordnete.

Als "zukunftsträchtig" bezeichnete Harald Troch (S) das Anliegen der
Grünen. Es gehe hier immerhin um Menschen mit dauerhaften
Aufenthaltsgenehmigungen, um SteuerzahlerInnen und KonsumentInnen.
Dagegen wehrte sich Christoph Hagen (T). Damit müsse man auch jedem
Touristen, der in Österreich konsumiert, ein Wahlrecht geben, wie er
meinte. Er selbst sehe nicht ein, warum jemand, der sich nicht zum
Staat bekennt, Staatsbürgerrechte genießen sollte.

Asylverfahren: NEOS für Kompetenzänderung bei Grundversorgung

Schließlich vertagte der Verfassungsausschuss einen Antrag der NEOS
(930/A(E)), sämtliche Kompetenzen für die Grundversorgung von
AsylwerberInnen an den Bund zu übertragen, sowohl was die
Gesetzgebung als auch was die Vollziehung betrifft. Abgeordneter
Nikolaus Scherak erwartet sich davon eine mögliche Lösung in der
Asylfrage, die Kompetenzzersplitterung habe nämlich bisher nur dazu
geführt, dass die Verantwortung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden
hin- und hergeschoben wurde, bemängelt er. Er selbst habe
Flüchtlingsquartiere in Österreich besucht, in denen beispielsweise
für 282 AsylwerberInnen 4 Waschbecken zur Verfügung stehen, außerdem
müssten in Traiskirchen Asylsuchende unter freiem Himmel schlafen.
Deswegen braucht es nach Meinung Scheraks eine klare
Verantwortlichkeit.

Die von Scherak beschriebene Situation in Traiskirchen ist für
Wolfgang Zinggl (G) mit ein Grund, warum eine Zentralisierung aus
seiner Sicht nicht sinnvoll ist. Der Bund müsse die Sache nicht
selbst in die Hand nehmen, sondern nur regeln. Der Grünen-Abgeordnete
sprach sich zudem für einen "finanziellen Anreiz" für die Gemeinden
aus. "Menschenrechte einzuhalten kostet manchmal Geld", so Zinggl.
Für eine gesamtstaatliche Lösung sprachen sich Otto Pendl (S) und
Wolfgang Gerstl (V) aus. Diese Verantwortung müssten alle politischen
Ebenen gemeinsam übernehmen, meinte Pendl. NEOS-Abgeordneter Scherak
glaubt angesichts des letzten Asyl-Gipfels hingegen nicht mehr an
eine gesamtstaatliche Einigung. (Schluss Verfassungsausschuss) keg

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