• 01.07.2015, 16:29:05
  • /
  • OTS0280 OTW0280

Teilpension soll Menschen länger in Beschäftigung halten

Sozialausschuss beschließt Regierungsvorlage, Opposition bezweifelt Sinnhaftigkeit der Maßnahme

Utl.: Sozialausschuss beschließt Regierungsvorlage, Opposition
bezweifelt Sinnhaftigkeit der Maßnahme =

Wien (PK) - Wer alle Voraussetzungen für eine Korridorpension
erfüllt, aber noch einige Zeit in reduzierter Form weiterarbeiten
will und sich mit seinem Betrieb einigt, kann künftig eine
Teilpension in Anspruch nehmen. Der Sozialausschuss des Nationalrats
hat heute eine entsprechende Änderung des
Arbeitslosenversicherungsgesetzes gebilligt. Für Gehaltseinbußen ist
ein 50%-iger Lohnausgleich vorgesehen. Dem von Sozialminister Rudolf
Hundstorfer vorgeschlagenen Entwurf stimmten SPÖ, ÖVP und Team
Stronach zu, FPÖ, Grüne und NEOS zeigten sich unzufrieden und
sprachen von einer falschen Prioritätensetzung. Die Maßnahme sei Teil
eines Gesamtpakets, meinte Sozialminister Rudolf Hundstorfer, und
soll dazu beitragen, die Menschen länger im Erwerbsprozess zu halten.
Auf der Tagesordnung standen auch eine Reihe von Oppositionsanträgen,
die teilweise vertagt, teilweise abgelehnt wurden.

SPÖ und ÖVP: Teilpension ist weiteres wichtiges Puzzlestück in einem
Gesamtpaket

Erklärtes Ziel der Gesetzesnovelle ist es, ältere ArbeitnehmerInnen
zu motivieren, mit Erreichen der Korridorpension nicht aus dem
Arbeitsleben auszuscheiden, sondern mit einer reduzierten
Arbeitszeitverpflichtung bis zur Regelpension weiterzuarbeiten. Die
Arbeitszeit kann zwischen 40% und 60% reduziert werden, obere Grenze
für den Lohnausgleich ist die ASVG-Höchstbeitragsgrundlage. Dem
Arbeitgeber werden sowohl der Lohnausgleich als auch die Kosten für
die Weiterzahlung der vollen Sozialversicherungsbeiträge zur Gänze
ersetzt. Da es für Frauen aufgrund ihres früheren Pensionsalters
keine Korridorpension gibt, kommt die Regelung vorerst nur Männern
zugute.

Die Teilpension kann auch nahtlos an eine Altersteilzeit-Vereinbarung
anschließen, allerdings nur dann, wenn eine kontinuierliche
Arbeitszeitreduktion und nicht die Blockvariante der Altersteilzeit
gewählt wurde. Gemeinsame Höchstdauer für Altersteilzeit und
Teilpension sind fünf Jahre. Finanzieren soll sich die Teilpension
den Berechnungen des Sozialministeriums zufolge selbst, da den Kosten
für den Lohnausgleich Einsparungen durch eine geringere
Inanspruchnahme der Korridorpension gegenüber stehen.

Der Sozialsprecher der ÖVP, August Wöginger, hielt es für unbedingt
notwendig, ein langsames Ausgleiten aus dem Erwerbsleben zu fördern.
Durch die vorliegende Novelle sei gewährleistet, dass all jene, die
länger arbeiten wollen, dies auch können, und noch dazu zu besseren
Bedingungen sowohl für die ArbeitnehmerInnen als auch die
ArbeitgeberInnen. Von einer sehr positiven Maßnahme, die Teil eines
Gesamtpakets sei, sprach seine Fraktionskollegin Gertrude Aubauer.

SPÖ-Vertreter Markus Vogl gab zu bedenken, dass es sich um ein
freiwilliges Angebot handelt und dass man froh sein müsse, wenn
ArbeitgeberInnen bereit sind, diese Möglichkeit auch zu nutzen. Die
Regelung führe zu einer Win-Win-Situation, war Johann Hechtl (S)
überzeugt, und verhindere, dass ältere ArbeitnehmerInnen öfters in
den Krankenstand gehen müssen. Auf diese Weise haben die Mitarbeiter
die Möglichkeit, ihre Qualifikationen bis zur Erreichung der
Alterspension in den Betrieb einzubringen. Josef Muchitsch (S)
erinnerte daran, dass es das erklärte Ziel der Regierung sei, das
faktische Pensionsantrittsalter zu erhöhen. Da in wirtschaftlich
schwierigen Zeiten gerade ältere ArbeitnehmerInnen Probleme bekommen,
brauche es Anreize in diesem Bereich.

NEOS, Grüne und Freiheitliche: Falsches Instrument zur Lösung der
Probleme älterer ArbeitnehmerInnen

Gerald Loacker von den NEOS nahm einen sehr kritischen Standpunkt in
Bezug auf die geplante Teilpension ein, da es sich dabei seiner
Meinung nach um einen Etikettenschwindel handelt. Nur jene Personen,
die jetzt schon eine kontinuierliche Altersteilzeit in Anspruch
nehmen, werden die Regelung nutzen können, zeigte er auf. Aufgrund
der Altersgrenze seien davon zudem die Frauen ausgeschlossen. Er
hielt auch die vom Ministerium vorgelegte Kostenkalkulation für wenig
glaubwürdig und rechnete mit höheren Ausgaben, die wieder einmal die
junge Generation zu tragen hätte. Loacker trat in einem -
mehrheitlich abgelehnten - Entschließungsantrag seiner Partei auch
für die Abschaffung der Blockvariante der Altersteilzeit ein, die
lediglich eine subventionierte Frühpension darstelle, um das
statistische Pensionsantrittsalter zu erhöhen. In einem weiteren
Antrag, der vertagt wurde, plädierte der NEOS-Mandatar dafür, ältere
ArbeitnehmerInnen vom geltenden erhöhten Kündigungsschutz
auszunehmen, wenn sie zum Zeitpunkt ihrer Einstellung älter als 50
Jahre waren, um ihre Jobchancen am Arbeitsmarkt zu verbessern.

Abgeordneter Josef Muchitsch machte seinen Vorredner darauf
aufmerksam, dass es in manchen Branchen - wie etwa im Baugewerbe -
praktisch nicht möglich sei, geblockte Varianten der Altersteilzeit
zu wählen.

Judith Schwentner von den Grünen äußerte sich ebenfalls sehr
skeptisch zur Regierungsvorlage und sprach von einem falschen
Instrument zum jetzigen Zeitpunkt. Dermaßen hohe Mittel für eine
kleine Gruppe auszugeben sei verfehlt; vielmehr sollten andere
Maßnahmen ergriffen werden. Dieser Meinung schloss sich auch Birgit
Schatz (G) an, die eine falsche Prioritätensetzung beklagte. Außerdem
sei es zu spät, erst kurz vor der Pensionierung Angebote zu machen,
argumentierte sie. Ansetzen müsste man schon im Laufe des
Erwerbslebens, und zwar in Form von Sabbaticals, Bildungskonto,
Neugestaltung der Lebensarbeitszeit etc.

Außerdem wollen die Grünen dezidiert gesetzlich festgeschrieben
wissen, dass ein Anspruch auf eine Alterspension, eine
Korridorpension oder eine Schwerarbeitspension für sich allein kein
Kündigungsgrund sein darf. Mit einer solchen Bestimmung könnte man
nicht nur das durchschnittliche Pensionsantrittsalter erhöhen,
sondern auch Diskriminierungen von Frauen aufgrund ihres niedrigeren
gesetzlichen Pensionsalters unterbinden, argumentierte Abgeordnete
Judith Schwentner unter Bezugnahme auf einen G-Entschließungsantrag,
der schließlich vertagt wurde.

Von einer "Placebo-Vorlage" sprach Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F),
weil man damit verhindern wolle, dass noch mehr ältere Menschen in
der Arbeitslosenstatistik aufscheinen. Die Regelung sei vielleicht
gut gemeint, aber nicht sinnvoll, urteilte die Rednerin. Besser wäre
es gewesen, ausreichend Mittel für die Qualifizierung und
Weiterbildung zur Verfügung zu stellen. Schließlich wies sie noch
darauf hin, dass gar nicht so wenige Angestellte gedrängt werden, in
die Altersteilzeit zu gehen, obwohl sie das gar nicht wollen.
Realität sei auch, dass derzeit ein enormer Verdrängungswettbewerb
herrscht, auf den mit einer Anpassung der Lohnnebenkosten von älteren
ArbeitnehmerInnen reagiert werden muss, forderte FPÖ-Vertreter Peter
Wurm.

Als einzige Oppositionspartei stimmte das Team Stronach der Vorlage
zu. Waltraud Dietrich hielt es für positiv, dass das Modell auf einer
Vereinbarung zwischen den ArbeitnehmerInnen und den ArbeitgeberInnen
basiere. Sie wolle dann nicht unterstellen, dass dabei keine guten
Lösungen zustande kommen.

In einer weiteren Wortmeldung erläuterte Gerald Loacker (N) einen
Antrag seiner Partei auf Änderung des Gleichbehandlungsgesetzes, der
von keiner anderen Fraktion unterstützt und somit abgelehnt wurde. Er
setzte sich darin für die weitgehende Eliminierung des
Senioritätsprinzips ein. Geht es nach den NEOS, sollen ab 2021
innerhalb einer Verwendungs- und Beschäftigungsgruppe höchstens fünf
automatische Gehaltsvorrückungen zulässig sein, wobei die größten
Gehaltssprünge am Anfang der Berufslaufbahn stehen müssten. Das wäre
auch im Sinne älterer ArbeitnehmerInnen, die es derzeit wegen der
steilen Gehaltskurve am Arbeitsmarkt schwer hätten, argumentierte
Loacker. Gerade in jenen Branchen, in denen das Senioritätsprinzip
besonders wirke, steige nämlich auch die Arbeitslosenquote bei den
über 45-Jährigen.

SPÖ-Mandatar Markus Vogl lehnte diesen Vorschlag ab, da der
Gesetzgeber den Sozialpartnern, die für die Ausverhandlung der
Kollektivverträge zuständig sind, nichts vorschreiben sollte.

Hundstorfer: Die Vorlage steht unter dem Motto "Bleibe länger!"

Sozialminister Rudolf Hundstorfer informierte eingangs darüber, dass
derzeit 20.000 Personen in Altersteilzeit sind, wobei 13.000 die
kontinuierliche und 7.000 die geblockte Variante gewählt haben. Da
nur 450 davon zwischen 62 und 65 Jahre alt sind, habe man sich
entschlossen, weitere Schritte, wie eben die zur Diskussion stehende
Teilpension, zu setzen. Die ExpertInnen gehen davon aus, dass es sich
um ein relativ kostenneutrales Modell handelt.

Diese Maßnahme sei zudem nur Teil eines Gesamtpakets, betonte der
Minister, der u.a. noch auf die Beschäftigungsinitiative "50+" des
AMS sowie auf die intensiven Qualifizierungsmaßnahmen, für die bis
Ende des Jahres insgesamt 550 Mio. € vorgesehen sind, hinwies. So sei
es heuer bereits gelungen, 61.000 Personen über 50 wieder in
Beschäftigung zu bringen, zeigte er sich erfreut.

Das von einigen Abgeordneten angesprochene Fachkräftestipendium wurde
auf Antrag der AMS-ExpertInnen umgewidmet, da die ursprüngliche
Intention nicht erreicht wurde und ein Mitnahmeeffekt von 80% gegeben
war. Die Mittel seien jedoch nicht verschwunden, sondern werden nur
für andere Förderungen bereitgestellt.

Was die Vorschläge und Forderungen der NEOS betrifft, so gab
Hundstorfer zu bedenken, dass es die höchsten Beschäftigungsquoten
von über 60-Jährigen gerade in jenen Branchen gibt, wo das
Senioritätsprinzip stark verankert ist, nämlich Banken,
Versicherungen etc. Den niedrigsten Beschäftigungsanteil weisen etwa
der Handel oder das Baugewerbe auf. Außerdem sei der Kündigungsschutz
von über 50-Jährigen - zum Leidwesen der Gewerkschaften - in
Österreich geringer ausgeprägt als in vielen anderen europäischen
Ländern. Hinsichtlich der geblockten Variante der Altersteilzeit
machte der Minister geltend, dass dies von vielen Menschen, die
täglich weite Strecken zur Arbeit pendeln müssen, gewünscht werde.
Ihm persönlich sei - u.a. aus arbeitsmedizinischen Gründen - auch die
kontinuierliche Variante lieber.

Dem Abgeordneten Peter Wurm (F) hielt der Minister entgegen, dass bei
über 60-Jährigen beispielsweise keine Beiträge für die
Arbeitslosenversicherung mehr abgeführt werden müssen; diese Maßnahme
habe jedoch keinen einzigen zusätzlichen Job geschaffen. Auf eine
Wortmeldung der Abgeordneten Dagmar Belakowitsch-Jenewein hin,
stellte Hundstorfer fest, dass über 63-Jährige gar nicht in der
Arbeitslosenstatistik aufscheinen können, da sie in der Regel keinen
Arbeitslosenbezug mehr erhalten.

FPÖ fordert klares Bekenntnis zum System der Hinterbliebenenpension

Zwei Anträge der FPÖ und ein Antrag des Team Stronach lagen dem
Ausschuss zum Thema Pensionen vor. Konkret drängte die FPÖ auf eine
Reform der beim Sozialministerium eingerichteten
Pensionssicherungskommission, deren Aufgabe es unter anderem ist, den
Richtwert für die jährliche Pensionserhöhung zu errechnen und
regelmäßig Berichte über die langfristige Entwicklung und
Finanzierbarkeit der gesetzlichen Pensionsversicherung zu erstellen
(836/A(E)). Zudem mahnte sie ein klares Bekenntnis von Sozialminister
Rudolf Hundstorfer zum bestehenden System der Hinterbliebenenpension
ein (1179/A(E)). Team-Stronach-Klubobfrau Waltraud Dietrich urgierte
einen Deckel für Pensionserhöhungen - wer eine Pension über der ASVG-
Höchstgrenze bezieht, soll künftig auf die jährliche
Pensionsanpassung verzichten müssen (960/A(E)). - Alle drei Anträge
wurden mehrheitlich vertagt. (Fortsetzung Sozialausschuss) sue

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | NPA

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel