- 10.06.2015, 19:49:34
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Stufenplan zur Erhöhung der EZA: Kurz ringt noch um Finanzierung
Diskussion mit Experten im EZA-Unterausschuss des Nationalrats
Utl.: Diskussion mit Experten im EZA-Unterausschuss des Nationalrats =
Wien (PK) - Die Regierung stehe nach wir vor zum Ziel, die Ausgaben
für Entwicklungszusammenarbeit (EZA) auf 0,7 % des
Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Das bekräftigte Außenminister
Sebastian Kurz heute im EZA-Unterausschuss des Nationalrats. Ein
Stufenplan ist ihm zufolge bereits ausgearbeitet, allerdings hängt
die Finanzierung noch in der Luft. Kurz hofft, bis zum Sommer eine
Einigung erzielen zu können. Angestrebt wird von ihm eine sukzessive
Erhöhung der Mittel bis zum Jahr 2030, das entspricht auch einer EU-
Vereinbarung. Derzeit gibt Österreich nur 0,26% des BIP für
Entwicklungszusammenarbeit aus.
In jedem Fall bis zum Sommer vorlegen will Kurz das nächste EZA-
Dreijahresprogramm, das, wie er betonte, unter Einbindung von NGOs
und dem Parlament ausgearbeitet wurde. Das Programm sei so gut wie
fertig und in letzter Abstimmung innerhalb der Regierung, sagte er.
Geplant ist unter anderem eine Ausweitung der
Wirtschaftspartnerschaften, ein neuer Schwerpunkt Berufsausbildung
und eine Festlegung der aktuellen EZA-Schwerpunktländer.
Um zu verhindern, dass die Mittel für die bilaterale
Entwicklungszusammenarbeit in den kommenden Jahren gekürzt werden,
laufen Kurz zufolge derzeit Verhandlungen mit dem Finanzministerium.
Rücklagen des Außenministeriums werden seiner Auskunft nach schon
jetzt für Entwicklungszusammenarbeit verwendet, für jede
Rücklagenauflösung brauche es aber eine Freigabe des
Finanzministeriums. Insgesamt hat das Ministerium unter dem Titel
Rücklagen noch 16 Mio. € auf der hohen Kante.
FPÖ gegen weitere Aufstockung der EZA-Mittel
Von Seiten der Abgeordneten gab es einen weitgehenden Konsens über
die Notwendigkeit, die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit
aufzustocken. Lediglich die FPÖ scherte aus diesem Konsens aus. Eine
weitere Zuführung von Mittel hätte keinen Effekt, zeigte sich etwa
Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch überzeugt. Es würde sich nichts
ändern, würde Österreich 0,7% statt 0,26% des BIP für
Entwicklungszusammenarbeit ausgeben.
Sein Fraktionskollege Johannes Hübner machte geltend, dass EZA-Mittel
vorrangig in Besprechungen, Konferenzen und Evaluierungen fließen. Es
könne nicht Aufgabe der EZA sein, "schöne Jobs" im Bereich der
Entwicklungshilfebürokratie zu schaffen, meinte er. Um seine
Argumentation zu untermauern, wies Hübner darauf hin, dass vor der
Ausgliederung der österreichischen Entwicklungshilfeagentur ADA rund
60 bis 70 MitarbeiterInnen im Außenministerium für Entwicklungshilfe
zuständig waren. Nun sind ihm zufolge in der ADA und im
Außenministerium drei Mal so viele MitarbeiterInnen in diesem Bereich
tätig, und das bei gleichbleibendem beziehungsweise real sogar
sinkendem Budget.
Statt die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit aufzustocken, gäbe es
nach Meinung vom Hübner eine einfache Maßnahme zur Förderung von
Entwicklungsländern: dafür zu sorgen, dass Personen mit einem
Universitätsstipendium nach dem Studium wieder in ihre Heimatländer
zurückkehren. "Fischen wir sie nicht ab", meinte er.
OECD-Studie: Abgeordnete und Experten orten nicht nur Lob
Intensiv diskutiert wurde im Ausschuss über das Ergebnis einer von
der OECD durchgeführten Peer-Review-Studie. Laut Außenminister Kurz
wurde die Qualität der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit
von der OECD gut beurteilt. Für ihn ist das zentrale Fazit der
Überprüfung, dass Österreich die richtigen Dinge mache und mehr davon
machen sollte. Die 19 Empfehlungen der OECD will er, wie er sagte,
umsetzen.
Nicht ganz so positiv beurteilten hingegen die Grün-Abgeordneten
Tanja Windbüchler-Souschill und Wolfgang Pirklhuber die Ergebnisse
des Peer-Review. So drängt die OECD laut Windbüchler-Souschill auf
ein besseres Monitoring, etwa in Bezug auf die
Wirtschaftspartnerschaften, und eine bessere Koordinierung der
Ministerien. Es fehle in Österreich eine entwicklungspolitische
Kohärenz, klagte sie.
In dieselbe Richtung stieß Michael Obrovsky von der Österreichischen
Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE). Er hält
eine Folgenabschätzung politischer Entscheidungen im Hinblick auf
ihre entwicklungspolitische Wirkung für dringend geboten. Ohne
politische Kohärenz würden andere Interessen wie jene der
Außenwirtschaft oder der Agrarwirtschaft immer Vorrang vor den
Interessen der Entwicklungszusammenarbeit haben. Der OECD geht es ihm
zufolge außerdem um eine verbindliche finanzielle Absicherung des
Stufenplans zur Erhöhung der EZA-Mittel. Wenn der Bundesfinanzrahmen
es nicht vorsehe, werden für Entwicklungszusammenarbeit auch keine
signifikanten Mittel zur Verfügung stehen, mahnte Obrovsky. Ohne
entsprechende Budgetbeschlüsse werde man das 0,7%-Ziel nie erreichen.
Seiner Ansicht nach müsste das Parlament außerdem viel aktiver
Berichte einfordern, um schneller, auch auf Fehler, reagieren zu
können.
Heinz Hödl, Geschäftsführer der Koordinierungsstelle der
Österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und
Mission, sprach sich explizit dafür aus, die Mittel für bilaterale
EZA im Rahmen des Stufenplans überproportional zu erhöhen. Seiner
Einschätzung nach hat die Armutsbekämpfung nicht den notwendigen
Stellenwert innerhalb der österreichischen Entwicklungshilfe.
Entgegen der Meinung der FPÖ ist Hödl überzeugt, dass
Entwicklungszusammenarbeit hilft, die Zahl der Hungernden in der Welt
sei zuletzt massiv gesunken. Er hält Konferenzen außerdem für
wichtig, um Bewusstsein zu schaffen, etwa für die Bedeutung von
Menschenrechten und Klimaschutz oder für das Problem des
Landgrabbing.
Kritik an zu geringer Dotierung des Auslandskatastrophenfonds
Werner Kerschbaum vom Österreichischen Roten Kreuz sprach
insbesondere das Problem der geringen Dotierung des
Auslandskatastrophenfonds an. Während Österreich nur 5 Mio. €
bereitstelle, stehe in der Schweiz der fünfzigfache Betrag - 250 Mio.
€ - zur Verfügung. In Schweden seien es 150 Mio. €, skizzierte er.
Die Politik könne ihre humanitäre Verantwortung nicht auf NGO's
abschieben. Aus dem Peer-Review liest Kerschbaum vor allem auch
Zweifel heraus, ob Österreich wirklich den Ärmsten der Welt helfe.
Auch Mario Thaler von der Organisation "Ärzte ohne Grenzen" hält
einen stärkeren Fokus auf humanitäre Hilfe für erforderlich.
Österreich wählt EZA-Schwerpunktländer auch eigennützig aus
Wie Kurz festhielt, geht Österreich bei der Auswahl der EZA-
Schwerpunkt-Länder durchaus auch eigennützig vor. So habe man mit
Albanien und Kosovo am Westbalkan zwei Länder ausgewählt und
orientiere sich ansonsten auch an der Herkunft der Flüchtlingsströme.
Anders als Abgeordnete Windbüchler-Souschill glaubt Kurz sehr wohl,
dass mit Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit Migrationsdruck
gemildert werden kann.
Den hohen Personalstand in der ADA begründeten Kurz und ADA-
Geschäftsführer Martin Ledolter damit, dass über die ADA auch EU-
finanzierte Projekte laufen. Das Budget der ADA sei 2014 mit 106 Mio.
€ das höchste in ihrer Geschichte gewesen, teilte Ledolter den
Abgeordneten mit. 28,7 Mio. € kamen dabei von der EU.
Der ADA-Geschäftsführer und Außenminister Kurz stellten sich überdies
ausdrücklich hinter die Förderung von Wirtschaftspartnerschaften.
Diese seien ein erfolgreicher Bestandteil der bilateralen
Entwicklungszusammenarbeit, bekräftigte Ledolter und verwies in
diesem Zusammenhang auf eine im vergangenen Jahr durchgeführte
Evaluierung. Mit einem Mitteleinsatz von 4 Mio. € sei es gelungen,
für mehr als 42.000 Menschen bessere Lebensbedingungen zu schaffen,
etwa für Garnelenbauern. Er sei stolz darauf, dass es gelungen sei,
die Privatwirtschaft einzubinden, um entwicklungspolitische Ziele zu
erreichen. Kritik von Abgeordnetem Pirklhuber, wonach die ADA ihre
eigenen Genderziele bei der EZA nicht erreiche, wies er zurück.
Insgesamt zeigte sich Ledolter überzeugt, dass die Österreichische
Entwicklungszusammenarbeit sehr effizient und sehr effektiv ist.
Bayr für gesetzliche Absicherung von bilateraler EZA
Ausschussvorsitzende Petra Bayr (S) drängte unter anderem auf eine
bessere Abstimmung der Entwicklungszusammenarbeit durch die
internationale Staatengemeinschaft. Zudem gab sie zu bedenken, dass
ein Dreijahresprogramm noch keine Gesamtstrategie sei. Wichtig ist
ihrer Meinung nach auch eine gesetzliche Absicherung der bilateralen
Entwicklungszusammenarbeit, derzeit handle es sich bei EZA-Ausgaben
um Ermessensausgaben, die ständig der Gefahr der Kürzung unterliegen.
Für eine bessere internationale Abstimmung der Entwicklungspolitik
sprach sich auch Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber aus. Er urgierte
etwa ein einheitliches Auftreten der EU in Afrika und eine Best-
Practice-Analyse von Projekten. NEOS-Abgeordneter Christoph Vavrik
regte an zu prüfen, ob man das 0,7 %-Ziel nicht schon vor dem Jahr
2030 erreichen könnte bzw. ob es nicht möglich sei, sich ein noch
etwas ambitioniertes Ziel zu stecken. Seitens des Team Stronach
bezweifelte Jessi Lintl, dass die afrikanischen Regierungen genug für
ihre eigene Bevölkerung tun.
Basis für die Diskussion im Unterausschuss bildeten ein Antrag der
Koalitionsparteien und drei Anträge der Grünen. SPÖ und ÖVP geht es
darum, dass das Parlament und andere "Stakeholder" in die
strategischen Planungen des Außenministeriums zur
Entwicklungszusammenarbeit, etwa was inhaltliche Schwerpunktsetzungen
betrifft, eingebunden werden. Die Grünen fordern mehr Geld für
bilaterale Entwicklungszusammenarbeit und eine klare budgetäre
Verankerung sowie eine Aufstockung der Mittel des
Auslandskatastrophenfonds (107/A(E), 141/A(E), 63/A(E)). Alle vier
Anträge wurden mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt.
(Schluss) gs
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