• 15.04.2015, 15:00:38
  • /
  • OTS0212 OTW0212

Demokratie-Enquete: Medienöffentlichkeit und direkte Demokratie

Filzmaier: Stärkere mediale Inszenierung vor direktdemokratischen Entscheidungen möglich

Utl.: Filzmaier: Stärkere mediale Inszenierung vor
direktdemokratischen Entscheidungen möglich =

Wien (PK) - Einen eher ernüchternden Befund über die Tauglichkeit der
sogenannten vierten Gewalt in Österreich zur direkten Demokratie
legte Politikwissenschaftler Peter Filzmaier bei der heutigen
Enquete-Kommission zur Demokratie-Reform ab. Studien würden belegen,
dass klassische Massenmedien in Österreich in ihrer Berichterstattung
weniger auf Sachlichkeit als auf Inszenierung setzen. Inhalte bleiben
demnach vor allem in der Wahlkampfzeit oft aus. Eine Tendenz, die
sich auch vor direktdemokratischen Entscheidungen abzeichnen könnte,
so die These des Politikwissenschaftlers. Ein Sachdiskurs über
direktdemokratische Prozesse in den Medien könnte laut Filzmaier etwa
durch die Verknüpfung der Presseförderung mit einer Verpflichtung zu
Mindeststandards in der Berichterstattung über Initiativen erreicht
werden.

Die Einflussnahme über Förderungen, geht es um sachliche und
ausgewogene Berichterstattung bei direktdemokratischen Prozessen,
wertete auch Medienrechtsexperte Hans-Peter Lehofer als "stärksten
Hebel". Lehofer wandte sich aber gegen weitere regulierende Eingriffe
von Seiten des Staates auf die mediale Berichterstattung bei einem
allfälligen Ausbau direkter Demokratie, vielmehr müsse dieser die
Medienvielfalt in Österreich forcieren. Das stärkste Potential für
Bürgerbeteiligung in den Medien sah der externe Lehrbeauftragte der
Universität Wien Helge Fahrnberger im Internet. Durch digitale
Partizipationsmöglichkeiten und einem niederschwelligen Zugang zu
Information könnte die Politik so wieder zu einer "res publica"
werden, so sein Urteil.

"Medien berichten über Inhalte, das stimmt so nicht", lautet der
verbalisierte Datenbefund von Politikwissenschaftler Filzmaier anhand
von Untersuchungen zur politischen Berichterstattung von klassischen
Massenmedien. Studien würden belegen, dass die Mehrheit der
Berichterstattung, sei es in sogenannten Boulevard- oder in
Qualitätsmedien, auf den politischen Prozess, auf den politischen
Wettbewerb, nicht aber auf sachliche Inhalte abzielt. Eine Tendenz,
die sich vor allem in Wahlkampfzeiten verschärfe, deswegen sei die
These plausibel, dass sich mediale Inszenierungen auch vermehrt vor
direktdemokratischen Entscheidungen abzeichnen könnten. Zudem sei die
Interaktivität in den meisten klassischen Medien beschränkt,
Sendungen wie das Bürgerforum würden nur eine reduzierte
Interaktivität bieten. Social Media leiste zwar das größte Potential
der Bürgerbeteiligung, in der Realität seien hier aber womöglich auch
nur Informationseliten am Werk. Was laut Filzmaier demnach zu tun
ist, ist die Presseförderung an eine mögliche Verpflichtung zu
Inhalts- und Beteiligungsformaten zu knüpfen, eine langfristige
Lösung sah er darin, die Medienbildung nicht nur im schulischen
Bereich, sondern auch in der Jugendarbeit und in der
Erwachsenenbildung zu erhöhen. Voraussetzung sei aber, dass Medien
und Politik das auch wirklich wollen, so Filzmaier.

Fahrnberger: Internet kann Politik wieder zur "res publica" machen

Auf neue und überregionale Möglichkeiten von Bürgerbeteiligung durch
die digitale Revolution machte der Gründer des Medienwatchblogs
kobuk.at Helge Fahrnberger aufmerksam. "Das Internet bietet eine gute
Möglichkeit, um die Politik wieder zu einer res publica zu machen",
so seine Einschätzung, erstmals könnten sich breite
Bevölkerungskreise überregional und national direkt an der Demokratie
beteiligen. Digitale Partizipation brauche dabei eine stabile
Partizipationsarchitektur, Positivbeispiele gebe es international
etwa in Island, wo die Staatsverfassung kollaborativ und online
erarbeitet sowie abgestimmt wurde. In Österreich hingegeben hätten
digitale Partizipationsmöglichkeiten, etwa auf der Homepage des
Parlaments, eher eine Feigenblattfunktion. Tatsächliche
Partizipationsmöglichkeit ist das keine, geht es nach Fahrnberger.
Eine konkrete Option, das Parlament mithilfe digitaler Medien
demokratischer zu gestalten ist aus seiner Sicht, den
Begutachtungsprozess von Gesetzen für BürgerInnen online zu öffnen,
legistische Formulierungen nachvollziehbar zu erklären und den
Gesetzwerdungsprozess zu dokumentieren. "Transparenz und
niederschwelliger Zugang zur Information ist das Fundament einer
funktionierenden Partizipationsarchitektur", machte Fahrnberger klar.

Lehofer: Staat soll nicht stärker regulieren, sondern zur
Medienvielfalt beitragen

Medienrechtsexperte Hans-Peter Lehofer warnte in seiner Expertise
über die Frage "Welches Medienrecht braucht Österreich bei einer
allfälligen Stärkung der Demokratie?" davor, gesetzlich stärker in
die Berichterstattung von Medien einzugreifen. Wohl aber spielte
Lehofer mit dem Gedanken, Einfluss über Presseförderungen zu nehmen.
Diese könnten an bestimmte Mindestanforderungen in der
Berichterstattung geknüpft werden. Die Möglichkeiten, begleitend zum
Demokratiepaket an medienrechtlichen Rahmenbedingungen zu schrauben,
haltet der Medienrechtsexperte sonst eher für überschaubar. Er selbst
glaubt nicht, dass im Medienrecht ein Schlüssel zur Attraktivierung
für die direkte Demokratie liegt. Realistisch gesehen könne niemand
JournalistInnen mit den Mitteln des Medienrechts dazu bringen, über
politische Prozesse zu berichten oder eben nicht. Zur Sicherung der
Funktion des Mediensystems, "der zentralen Infrastruktur der
Demokratie", so Lehofer, bedürfe es aus seiner Sicht weniger neuer,
weiterer Detailregeln, als einer Sicherung der Grundlagen. Der Staat
müsse nicht nur von regulierenden Eingriffen absehen, sondern
vielmehr intensiver zur Medienvielfalt beitragen. Zudem brauche es
einen einfachen und offenen Zugang zu neutral bereitgestellten
Informationen, etwa durch die Sicherung der Infrastruktur mit Hilfe
eines flächendeckenden Breitbandausbaus und einer Gewährleistung der
Netzneutralität im Internet

In der heutigen Enquete-Kommission durchleuchteten neben den Politik-
und Medienexperten, den acht beigezogenen BürgerInnen sowie den
politischen VertreterInnen auch JournalistInnen und
MedienvertreterInnen das Verhältnis zwischen Politik-Medien-
Bürgerinnen und Bürger. Geleitet wurde die Sitzung vom Zweiten
Nationalratspräsidentin Karlheinz Kopf. (Fortsetzung Demokratie-
Enquete) keg

HINWEIS: Die Anhörungen der Enquete-Kommission sind öffentlich und
werden via Live-Stream auf www.parlament.gv.at übertragen. Über den
Twitter-Hashtag #EKDemokratie können BürgerInnen ihre Ideen direkt in
die Diskussion einbringen. Auch Stellungnahmen per E-Mail zu den
einzelnen Diskussionsblöcken sind möglich, senden Sie diese bitte mit
dem jeweiligen Betreff an: demokratie@parlament.gv.at. Mehr
Informationen finden Sie auf www.parlament.gv.at .
Fotos von der ersten Sitzung der Enquete-Kommission finden Sie im
Fotoalbum auf www.parlament.gv.at.

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | NPA

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel