- 09.03.2015, 19:30:02
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Wiener Zeitung – Leitartikel von Reinhard Göweil: „Putins Art von Humor“
Ausgabe vom 10. März 2015
Utl.: Ausgabe vom 10. März 2015 =
Wien (OTS) - Vor ziemlich genau einem Jahr sagte Russlands Präsident
Wladimir Putin auf die Frage, ob russische Soldaten auf der Krim (und
damit auf dem Gebiet der Ukraine) eingesetzt würden: Man könne
Uniformen doch überall kaufen, und es würde sich dort um "örtliche
Sicherheitskräfte" handeln. Ein Jahr später erklärt er nun dem
russischen Staats-Fernsehen, wie er damals den Einsatzbefehl zur
Annexion gegeben habe.
Seinem tschetschenischen Statthalter Ramsan Kadyrow wird er einen
Orden verleihen. Kadyrow werden massive Menschenrechtsverletzungen
vorgeworfen, mehrere Oppositionelle in der dortigen Hauptstadt Grosny
wurden ermordet, ohne die Täter jemals ausfindig gemacht zu haben.
Kadyrow hat auch gleich gewusst, dass die jüngste Ermordung des
russischen Oppositionellen Boris Nemzow unweit des Kreml auf das
Konto westlicher Geheimdienste geht - kein Argument, das einen Orden
verdienen würde.
In Österreich bekannt wurde Kadyrow, nachdem ihn 2012 weit rechts
angesiedelte FPÖ-Politiker besuchten und dort keine
Menschrechtsverletzungen feststellen konnten. Jene FPÖler, die später
in Wien den Kreml-Ideologen Dugin trafen, der bekanntlich die EU
zerstören will.
Neben Kadyrow erhält auch noch der Duma-Abgeordnete Andrej Lugowoi
eine Auszeichnung des russischen Präsidenten. Lugowoi wird von der
britischen Justiz vorgeworfen, am Mord an dem ehemaligen russischen
Agenten und späteren Putin-Gegner Alexander Litvinenko in London
beteiligt gewesen zu sein. Es gibt ein Auslieferungsbegehren, das
Putin ablehnt.
Nun kann das alles eine seltsame Art von Humor Putins sein. Doch er
ist es selbst, der sich als Staatsmann präsentiert. Doch ein
Staatsmann im 21. Jahrhundert lügt nicht in Fragen von Krieg oder
Frieden. Und ein solcher Staatsmann verleiht auch keine Orden an
mutmaßliche Schwerverbrecher (für beide gilt in einem Rechtsstaat die
Unschuldsvermutung).
Was lernt Europa daraus? Wenig, wie es scheint. Es schaut zu, wie
Putin die ungarische Orban-Regierung benutzt, um einen weiteren Keil
hineinzutreiben. EU-Ratspräsident Tusk erklärt am selben Tag, als
bekannt wurde, dass Putin selbst den Befehl zur Annexion der Krim
gab, es gebe keine weiteren Sanktionen. Europa wäre besser beraten,
der Tochter des auf offener Straße erschossenen Boris Nemzow
zuzuhören: "Es gibt bereits eine Diktatur in Russland."
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