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TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: "Schwarze Perspektiven", von Michael Sprenger
Ausgabe vom 6. Februar 2015
Utl.: Ausgabe vom 6. Februar 2015 =
Innsbruck (OTS) - Mitterlehner hat der ÖVP wieder Selbstbewusstsein
eingeimpft, die angeschlagene Partei sieht sich im Aufwärtstrend. Aus
dieser gewonnenen Stärke könnte eine echte Parteireform umgesetzt
werden. Doch dafür fehlt der Mut.
Josef Pröll war bislang der Letzte, der versucht hatte, der ÖVP
ein neues Gesicht zu geben. Die Vorschläge aus seiner
Perspektivengruppe waren mutig. Das Ziel von Pröll war es, aus der
ÖVP eine offene bürgerliche Partei zu machen. Die Zeichen des
gesellschaftlichen Wandels wurden erkannt, er wollte darauf
reagieren. Die ÖVP sollte für das großstädtische Publikum wieder
attraktiv sein. Doch daraus wurde nichts. Die Beharrungskräfte waren
stärker. Die ÖVP verstand es einmal mehr, ihren Ruf als
strukturkonservative Partei eindrucksvoll zu verteidigen.
Der Abstieg konnte also weitergehen. Die ÖVP - wie auch die SPÖ -
sind vom Parteientypus her längst keine Volksparteien mehr. Selbst
ein bundesweiter Wähleranteil von mehr als 30 Prozent ist derzeit
nicht vorstellbar. Junge Wähler und immer mehr Frauen verweigern der
ÖVP schon länger ihre Stimme. Auf dem Land, unter Beamten und
Pensionisten kann man noch ein wenig auf Parteibindung hoffen. Das
alles weiß die ÖVP. Doch das nützt nichts. Das Trägheitsmoment ist zu
stark ausgeprägt.
Insofern war Michael Spindelegger ehrlich, als er noch als Obmann
den Prozess "Evolution Volkspartei" in Auftrag gab. Dort ein bisserl
korrigieren, vielleicht hier an einer Schraube drehen, aber keine
echte Veränderungen. Kurz danach erklärte der unglücklich agierende
Parteiobmann seinen Rücktritt. Mit Reinhold Mitterlehner kam in einer
überraschend kurzen Zeit das Selbstbewusstsein zurück. Mitterlehner
ist ein liberaler Konservativer. Er ist ein Politikertyp, dem man
Überraschungen zutraut, der auch Spaß dabei verspürt, sein Gegenüber
zu irritieren. Er ist in der ÖVP der Gegenentwurf zu Spindelegger.
Zynisch möchte man anmerken, dass Mitterlehner auch im
Zusammenhang mit dem Prozess "Evolution Volkspartei" irritiert. Denn
man hätte annehmen können, dass der neue Parteiobmann den Parteitag
im Mai tatsächlich zu einem Reform- und Erneuerungsparteitag
inszenieren will. Doch stattdessen lässt Mitterlehner Spindeleggers
Evolutionsweg fortschreiben. Dort an einer Schraube drehen, hier ein
bisserl korrigieren.
Mitterlehner hätte jetzt die parteiinterne Stärke, um alte Zöpfe
abzuschneiden. Er tut es nicht. Es fehlt der Mut. Die föderale
Struktur wird nicht einmal hinterfragt, an der Bündestruktur will man
nicht einmal rütteln. Josef Pröll war bislang der Letzte, der
versucht hatte, der ÖVP ein neues Gesicht zu geben.
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