• 25.01.2015, 22:00:33
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Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 26. Jänner 2015; Leitartikel von Peter Nindler: "Im europäischen Kreisverkehr"

Innsbruck (OTS) - Utl: Nicht die 24 Mautsysteme sind das Problem
der EU-Verkehrspolitik, sondern der Kniefall vor dem grenzenlosen
Verkehr. Deutschland bzw. Bayern fahren mit ihrer Strategie die
letzten Reste europäischer Glaubwürdigkeit an die Wand.

Deutschland im Allgemeinen und Bayern im Besonderen symbolisieren
beispielhaft die europäische Verkehrspolitik. Unsere Nachbarn sind
stets zur Stelle, wenn es darum geht, den freien Warenverkehr
vorbehaltlos zu verteidigen. Auch gegen minimale Beschränkungen wie
das sektorale Lkw-Fahrverbot zogen die Bayern in der Vergangenheit
unbeirrt zu Felde. Da zählen keine Umwelt- und Gesundheitsargumente,
die in Sonntagsreden viel gepriesene Verlagerung der Gütertransporte
von der Straße auf die Schiene wurde gnadenlos mit EU-Klagen
überrollt. Das wird bei einer Neuauflage des Tiroler Fahrverbots im
Herbst erneut so sein, obwohl ohnehin nur bahnfähige Güter und rund
250.000 Lkw-Transporte auf die Schiene gezwungen werden.
Das Engagement beim Brennerbasistunnel bzw. der notwendigen
Zulaufstrecke im bayerischen Inntal ist ebenfalls enden wollend. Man
redet gerne und viel, unterzeichnet nebenbei öffentlichkeitswirksam
einen Staatsvertrag, aber schiebt das Vorhaben auf die lange Bank.
Das Doppelspiel hat bislang funktioniert, doch mit einem Nadelöhr in
Bayern kann der 55 Kilometer lange Brennerbasistunnel nicht laufen.
Mit der Ausländermaut für Pkw und ihrer offen zur Schau
getragenen und der deutschen Bundesregierung aufgezwungenen "Mia san
mia"-Mentalität fahren die Bayern die europäische Verkehrspolitik
endgültig an die Wand. Und Europa? Die neue Verkehrskommissarin
Violeta Bulc reagiert mit einem Vorstoß für eine einheitliche und
fahrleis█tungsabhängige Pkw-Maut auf die deutschen Pläne. Die
Überlegungen sind richtig, doch mit Ausnahme der geplanten und
diskriminierenden deutschen Pkw-Maut stellen die aktuellen
Straßenbenützungsabgaben in den einzelnen EU-Ländern kein Problem
dar.
Vielmehr benötigt es insgesamt eine Kehrtwende in der
europäischen Verkehrspolitik und keine vage Mautkosmetik. Pkw und Lkw
sollen für die von ihnen verursachten Folgeschäden für Umwelt und
Gesundheit aufwandsneutral zur Kasse gebeten werden. Das würde nicht
nur positive Verlagerungseffekte erzeugen und somit den Bau teurer
Schieneninfrastruktur rechtfertigen, sondern sinnlose Transitfahrten
verhindern. Auch darum geht es. Aber solange in der EU nach wie vor
über Gigaliner diskutiert wird - zuletzt brachte die Mons█tertrucks
nicht überraschend Deutschlands Verkehrsminister Alexander Dobrint
erneut ins Spiel - wirken die Vorschläge der EU-Verkehrskommissarin
wie verkehrspolitische Placebos.

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | PTT

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