• 23.01.2015, 19:39:22
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Verfassungsrechtliches Verbot der Sterbehilfe umstritten

Bericht der Enquete Kommission "Würde am Ende des Lebens" für Anfang März angekündigt

Utl.: Bericht der Enquete Kommission "Würde am Ende des Lebens" für
Anfang März angekündigt =

Wien (PK) - Der Forderung, ein Verbot der Tötung auf Verlangen in die
Verfassung zu schreiben, standen heute in der Enquete-Kommission
"Würde am Ende des Lebens" die Rechtsexperten und -expertinnen
weitgehend skeptisch gegenüber. Verfassungsrechtler Bernd-Christian
Funk bezweifelte, dass die Verfassung einen nennenswerten Beitrag
dazu leisten könne, das Ende des Lebens physisch und psychisch
erträglich zu machen, Leid zu vermeiden und zu minimieren, Angst zu
nehmen und die Würde zu wahren. Mehrmals wurde seitens der
ExpertInnen betont, dass es sich bei dieser Frage in erster Linie um
eine politische Entscheidung handelt, die man der Politik nicht
abnehmen könne. Ewald Wiederin (Universität Wien) warnte die
Abgeordneten davor, schwierige Problembereiche in das Bundes-
Verfassungsgesetz zu schreiben und diese damit an den
Verfassungsgerichtshof abzuschieben. Er sprach in diesem Zusammenhang
sogar von einer "partiellen Selbstentmachtung des Parlaments".

Auch was die Verankerung eines sozialen Grundrechts auf ein
würdevolles Sterben betrifft, zeigten sich die
RechtswissenschaftlerInnen nur bedingt überzeugt. Es bestehe die
Gefahr, Ziele festzuschreiben, die Erreichung dieser Ziele aber
schuldig zu bleiben, gab Katharina Pabel von der Universität Linz zu
bedenken, denn ein derartiges Grundrecht gewinne nur dann rechtlich
an Gewicht, je konkreter man es fasst. Formuliert man jedoch genaue
durchsetzbare Leistungsansprüche, dann verliere der Gesetzgeber die
nötige Flexibilität, warf auch Michael Mayrhof von der Universität
Linz ein.

Verfassungsrechtliches Verbot der Sterbehilfe - noch keine
einheitliche Linie für Kommissionsbericht in Sicht

Gegen die Verankerung derartiger verfassungsrechtlicher Bestimmungen
sprachen sich auch dezidiert Johannes Jarolim, Ulrike Königsberger-
Ludwig (beide S) sowie Daniela Musiol (G) und Gerald Loacker (N) aus.
Es sei die Verantwortung der Abgeordneten, konkrete Gesetze zu
beschließen und das Regelwerk anzupassen, betonte Jarolim und
appellierte an die Verantwortung der Gesetzgeber. Die Kommission habe
die Herausforderungen, vor denen man stehe, klar aufgezeigt und diese
könnten nicht mit dem Verfassungsrecht beantwortet werden, begründete
Königsberger-Ludwig ihre Haltung. Vielmehr brauche es Menschen, die
die Sterbenden begleiten.

Wolfgang Gerstl und Franz-Joseph Huainigg (beide V) hingegen machten
deutlich, dass sie eine solche Absicherung des Sterbehilfe-Verbots in
der Bundesverfassung befürworten würden. Gerstl trat mit Nachdruck
dafür ein, eine Staatszielbestimmung zum Recht, in Würde zu sterben,
zu schaffen. Eine derartige Staatszielbestimmung sollte ihm zufolge
das Recht auf Zugang zur Palliativ- und Hospizmedizin, auf Zugang zu
Vorsorgevollmacht, auf menschenwürdige Betreuung von
pflegebedürftigen Personen sowie auf Achtung der Würde eines jeden
Menschen bis zum Tod enthalten.

Die Abgeordneten Franz-Joseph Huainigg (V), Anneliese Kitzmüller (F)
und Marcus Franz (T) betonten, dass es nicht nur um die Würde am Ende
des Lebens gehen dürfe, sondern auch um die Würde am Anfang des
Lebens. Franz kritisierte in diesem Zusammenhang nochmals scharf die
kürzlich vorgenommenen Änderungen im Fortpflanzungsmedizingesetz. Die
Würde könne durch die Tötung nicht erreicht werden, hielt er fest.
Eine liberale Gesellschaft müsse den Lebensschutz über alles stellen.
Franz sah aber Nachholbedarf in der Ärzteausbildung.

Auch für Daniela Musiol (G) und Gerald Loacker (N) wurden die
wirklich sensiblen Themen nicht ausreichend diskutiert. Keineswegs
dürfe man sich etwa um das Problem des Selbstmords herumschummeln,
sagte Musiol. Hier sei zwischen Menschen, die krank sind und jenen,
die nicht krank sind, zu unterscheiden,. Es sei eine ernsthafte
Diskussion darüber notwendig, wie man mit dem Wunsch Schwerkranker zu
sterben umgeht, die sich selbst nicht mehr helfen können. Loacker
sprach die Entwicklung der Alterssuizide und des Sterbehilfe-
Tourismus an. Wie Huainigg schlug er daher vor, in einer Folge-
Enquete all diese sensiblen Themen eingehender zu behandeln.

Die unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich eines
verfassungsrechtlichen Verbots der Tötung auf Verlangen traten auch
in der Diskussion zutage. So hielten etwa Christiane Druml von der
Bioethikkommission und Ulrich Körtner, evangelischer Theologe, eine
Verankerung in der Verfassung für nicht zielführend. Man müsse
vielmehr auf die Rechte der PatientInnen schauen und den ÄrztInnen
sowie dem Pflegepersonal Rechtssicherheit bieten, sagte Körtner.
Susanne Kummer vom Institut für medizinische Anthropologie und
Bioethik wies auf die Mängel bei der Ärzteausbildung im Hinblick auf
den Umgang mit Sterbenden hin.

Josef Pumberger von der Katholischen Aktion Österreich und Gudrun
Kugler von der "Bürgerinitiative an der Hand" wiederum traten
vehement für eine verfassungsrechtliche Absicherung des Verbots der
Sterbehilfe und des Zugangs zur Hospiz- und Palliativversorgung ein.
Die Möglichkeit zur Sterbehilfe werde schnell zur Pflicht, warnte
Pumberger.

Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung, Verbesserungen bei
Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht

Einig war man sich in dieser letzten öffentlichen Sitzung der
Enquete-Kommission, die Palliativ- und Hospizversorgung auszubauen
und die entsprechende Finanzierung sicherzustellen, wie dies auch die
Abgeordneten Huainigg (V) und Königsberger-Ludwig (S) darlegten. Auch
sahen die Abgeordneten unisono einen dringenden Handlungsbedarf, was
die Klärung der Kompetenzen betrifft. Die Patientenverfügung und die
Vorsorgevollmacht sollen nach dem Wunsch der Kommissionsmitglieder
verbessert werden, um Rechtssicherheit zu schaffen. Unterstrichen
wurde mehrmals die Bedeutung des Vorsorgedialogs als ein wichtiges
Instrument.

Aubauer kündigt Bericht für erste Märzwoche an

Wie Ausschussvorsitzende Gertrude Aubauer ankündigte, soll der
Bericht der Enquete-Kommission in der ersten Märzwoche vorliegen.

Waltraud Klasnic appellierte als Präsidentin des Dachverbands Hospiz,
die Harmonie der bisherigen Diskussion beizubehalten und zu einem
guten Abschluss der Beratungen zu kommen, denn das gebe den Menschen
Sicherheit und Geborgenheit. Sie sprach sich mit Nachdruck gegen eine
Legalisierung der Sterbehilfe aus.

Die Argumente der RechtsexpertInnen

In ihren Statements beleuchteten die RechtsexpertInnen im Detail ihre
Bedenken gegen eine verfassungsrechtliche Verankerung des Verbots der
Tötung auf Verlangen. So meinte der Verfassungsjurist Bernd-Christian
Funk, dass es dazu auch im Verfassungskonvent jede Menge Vorbehalte
und Einwände gegeben habe. Er vertrete die Auffassung, dass Verbote
im Strafrecht bleiben sollten und nannte dabei die Paragrafen § 77
"Tötung auf Verlangen" und § 78 "Mitwirkung am Selbstmord". Beide
seien nicht problemfrei, sagte er, die Grenzen zwischen den beiden
Tatbeständen könnten im äußersten Fall fließend und strittig sein. Er
halte daher eine Reform des § 78 für erforderlich. Ein
Verfassungsverbot der Sterbehilfe würde weitere offene Fragen
aufwerfen ohne dass bestehende Probleme gelöst werden, ist er
überzeugt.

Der Strafrechtsexperte Peter Lewisch (Universität Wien) sah im
Gegensatz dazu keinen Änderungsbedarf im Strafrecht. Das
Strafgesetzbuch gewähre dem Leben bis zum Ende einen entsprechenden
Schutz, die Abgrenzungsfragen sind für ihn geklärt. Lewisch hält die
Festschreibung der Sterbehilfe in der Verfassung zwar für
ungewöhnlich aber nicht für unvorstellbar und wies in diesem
Zusammenhang auf das Verbotsgesetz hin. Er zeigte aber auch die
Möglichkeit auf, ein Wertebekenntnis in der Verfassung zu verankern,
was man mit einzelnen konkreten Forderungen verbinden könnte.

Wie Bernd-Christian Funk erschien Gabriele Kucsko-Stadlmayer
(Universität Wien) eine verfassungsrechtliche Verankerung des Verbots
der Sterbehilfe nicht sinnvoll, zumal das Recht auf Leben ohnehin
durch die Artikel 2 und 8 der Menschenrechtskonvention in
Verfassungsrang steht. Eine doppelte Betonung des Lebensschutzes im
Verfassungsrang würde neue Probleme bringen - etwa m Zusammenhang mit
dem Recht auf Selbstbestimmung - und keine alten lösen, meinte sie.

Gegen eine verfassungsrechtliche Verankerung der Sterbehilfe wandte
sich auch Kurt Schmoller (Universität Salzburg). Ihm zufolge ist die
österreichische Strafrechtslage ausgewogen, das Recht
lebensnotwendige Behandlungen abzulehnen, sei strafrechtlich
abgesichert. Würde man die Beihilfe zur Tötung nicht mehr unter
Strafe stellen, hätte das weitreichende Konsequenzen, die über die
Sterbehilfe hinausgehen, warnte er. Die österreichische Gesetzeslage
gewährleiste aber ausreichende Flexibilität für besondere
Extremsituationen. Die Würde des Sterbenden in der Verfassung zu
verankern, wäre für Schmoller eine einseitige Lösung, denn es gelte
auch, die Würde des Lebenden zu schützen.

Die Rechtsexperten Ewald Wiederin (Universität Wien) und Christoph
Grabenwarter (Wirtschaftsuniversität Wien) strichen insbesondere
hervor, dass es sich bei diesen Fragen um politische Entscheidungen
handelt, die VerfassungsexpertInnen der Politik nicht abnehmen
können. Wiederin befürchtete, dass eine verfassungsrechtliche
Verankerung des Verbots der Tötung auf Verlangen die bestehenden
Regelungen der Patientenverfügung unterlaufen würden. Auch die
Festschreibung eines Grundrechts für ein würdevolles Sterben wäre für
ihn ein offener Korb, in den dann der Verfassungsgerichtshof
hineinlegen könnte, was er will. Wenn man auf diese Fragen eine
Antwort hat, sollte man nicht ein Grundrecht schaffen, sondern
handeln, sagte Wiederin und appellierte an die PolitikerInnen,
derartige Entscheidungen nicht an den Verfassungsgerichtshof
abzugeben.

Diese rechtspolitische Frage müsse vor dem Hintergrund der
historischen Erfahrung und Erkenntnissen der Medizin getroffen
werden, warf dazu Grabenwarter ein. Der Umstand, dass es bereits eine
weitgehende einfachgesetzliche Regelung gibt, ist für ihn dabei ein
Argument für oder gegen eine verfassungsrechtliche Verankerung.

Michael Mayrhofer von der Johannes Kepler Universität Linz zeigte
drei Möglichkeiten eines sozialen Grundrechts auf ein würdevolles
Leben bis zum Tod auf. Allerdings, so meinte er, müsse man ein
solches konkreter ausgestalten. So sei ein Individualrecht mit
durchsetzbaren Leistungsansprüchen vorstellbar, wodurch der
Gesetzgeber jedoch die gebotene Flexibilität verlieren würde. Ein
soziales Grundrecht mit Gestaltungsvorbehalt gebe zwar einen gewissen
Spielraum, es bestehe aber die Gefahr, dass der Gesetzgeber hinter
den Erwartungen zurückbleibt. Möglich sei auch eine Staatsziel-
Bestimmung. Diese sollte aber nach Ansicht Mayrhofers ebenfalls
konkretisiert werden, vor allem in Hinblick auf die Prüfung durch den
Verfassungsgerichtshof und auf die Interpretation des Gesetzes.

Die Verwaltungsjuristin Katharina Pabel von der Universität Linz
beleuchtete schließlich die Frage eines verfassungsrechtlichen
Verbots der Sterbehilfe im Rahmen der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser sieht die Entscheidung, auf
welche Art und zu welchem Zeitpunkt eine Person ihr Leben beendet vom
Schutzbereich des Grundrechts umfasst, sofern sie in der Lage ist,
frei zu entscheiden und die Konsequenzen der Entscheidung abzusehen.
Damit sei keinesfalls gesagt, dass der Staat jede Entscheidung,
seinem Leben ein Ende zu setzen, akzeptieren müsse. Er sei auch nicht
verpflichtet, für eine erfolgreiche Umsetzung dieses Wunsches Sorge
zu tragen. Ferner gebe es auch kein Recht, dass der Staat die aktive
Sterbehilfe straffrei stellt. Umgekehrt seien aber Staaten
verpflichtet, eine Person davor zu schützen, eine Selbsttötung
vorzunehmen, wenn die Entscheidung nicht freiwillig und unter
Kenntnis aller Umstände getroffen wurde. Die derzeitige
österreichische Gesetzeslage stehe somit nicht in Widerspruch zur
Rechtsprechung des Gerichtshofs, das Gleiche wäre der Fall für die
Festschreibung des Verbots der Tötung auf Verlangen im
Verfassungsrang, so die Juristin. (Schluss Enquete-Kommission "Würde
am Ende des Lebens") jan

HINWEIS: Fotos von der Enquete-Kommission finden Sie im Fotoalbum auf
www.parlament.gv.at.

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