• 16.12.2014, 14:43:44
  • /
  • OTS0170 OTW0170

Stellungnahme der muslimischen Dachverbände, Moscheegemeinden und Fachverbände der IGGiÖ zur Regierungsvorlage des Islamgesetzes

Die Bundesregierung hat einen "beschlussreifen Entwurf" zum Islamgesetz dem Parlament vorgelegt. Muslime fühlen sich übergangen.

Utl.: Die Bundesregierung hat einen "beschlussreifen Entwurf" zum
Islamgesetz dem Parlament vorgelegt. Muslime fühlen sich
übergangen. =

Wien (OTS) - Die Muslime Österreichs sind seit dem letzten
Jahrhundert stark in der Gesellschaft verwurzelt. Sie haben
fortwährend ihren positiven Beitrag zum Aufbau und zum Fortschritt
Österreichs geleistet. Muslime bringen sich in die österreichische
Gesellschaft ein als Ärzte, Unternehmer, Krankenpfleger, Dozenten,
Juristen, Arbeiter, Beamte als auch in vielen anderen Bereichen und
praktizieren das friedliche Miteinander in diesem Land. Muslime sind
darüber hinaus auch ein wesentlicher Faktor der kulturellen,
wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Bereicherung Österreichs.

Österreich hatte im letzten Jahrhundert eine Vorreiterrolle im
positiven Umgang mit den Muslimen, was auch dem internationalen
Ansehen Österreichs einen hohen Stellenwert brachte.

In dem Anerkennungsgesetz von 1912 spiegelte sich die positive
Beziehung des Staates Österreich mit den hier beheimateten und
lebenden Muslimen wider. Um die rechtliche Grundlage der islamischen
Glaubensgemeinschaft in Österreich an ihre Bedürfnisse anzupassen,
war es notwendig das Islamgesetz zu novellieren. Dadurch sollte auch
eine langfristige Grundlage für die Identifikation der Muslime als
Bestandteil der österreichischen Gesellschaft geschaffen werden.

Eine Überarbeitung des Entwurfes zum Islamgesetz war unumgänglich,
nachdem nicht nur seitens der Muslime, sondern auch von anerkannten
Experten gravierende Bedenken hinsichtlich dessen
Verfassungsmäßigkeit geäußert worden waren. Die Verletzung des
Gleichheitsgrundsatzes und der Ton von Misstrauen wurden auch in
einer umfangreichen juristischen Stellungnahme der OSZE stark
kritisiert.

In einer fast fünfstündigen Sitzung zwischen den beiden Ministern und
dem Obersten Rat der IGGiÖ wurden die Kritikpunkte ausführlich
besprochen und Modifizierungen vereinbart. Die neue Fassung wurde am
5.12. an die IGGiÖ übermittelt, die sich Zeit erbat unter
Einbeziehung der Gremien eine profunde Stellungnahme erarbeiten zu
können. Doch ohne diese Stellungnahme der IGGiÖ abzuwarten wurde
bereits am 10.12. dem Parlament der Text als "beschlussreifer
Entwurf" als Regierungsvorlage übergeben.
Es ist unverständlich, dass man den Vertretern der Muslime nicht die
notwendige Zeit einräumt, den Gesetzesentwurf gründlich zu
überprüfen, sondern unter Zeitdruck den Entwurf durchzwingt.

Dieser Umgang der Bundesregierung mit der Führung der IGGiÖ stellt
eine grobe Verletzung des üblichen Umgangs mit einer anerkannten
Religionsgesellschaft dar. Es ist nachvollziehbar, dass viele Teile
der muslimischen Gemeinschaft Österreichs sich dadurch vor den Kopf
gestoßen und verunsichert fühlen.

Da die Bundesregierung der Repräsentant der Mehrheitsgesellschaft
ist, hat sie die Pflicht die Minderheiten und deren Rechte zu
schützen. Würde sie das verabsäumen, so würde sie auch eine
Verletzung des Völkerrechts begehen.
All das erweckt bei den Muslimen den Eindruck, dass man versucht, sie
politisch zu instrumentalisieren und für Stimmenfang für kommende
Wahlen zu verwenden.

Dies umso mehr, als nach einer ersten Prüfung die nun vorgelegte
Version zwar einige Adaptionen enthält. Allerdings bleibt die
Regierung - wie sie selbst nach außen kommuniziert - "auf Kurs".
Damit unterstreicht sie selbst, dass sie an wesentlichen Punkten, die
seitens der Muslime und anerkannter Experten als Zeichen der
Ungleichbehandlung und mangelnden Vertrauens gewertet werden,
festhält.

Daher weisen die muslimischen Dachverbände darauf hin, dass die
ablehnende Stellungnahme des Obersten Rates der IGGiÖ zum ersten
Entwurf für uns immer noch Gültigkeit hat. Im Einzelnen sind für uns
folgende Punkte untragbar:
- Das Gesetz ist auch nach der Einarbeitung eines speziellen Teils
für die IGGiÖ immer noch ein Gesetz im Plural. Da weitere eventuell
zu gründende islamische Religionsgesellschaften mitgedacht werden,
bringt dies massive Nachteile für die seit 1912 bestehende Islamische
Glaubensgemeinschaft mit sich. So werden am Anfang Versagungsgründe
und die Aufhebung der Rechtspersönlichkeit ausgeführt, die dem
Bundeskanzler weitreichende Eingriff- und Kontrollrechte einräumen,
wobei die Gründe zu einer Aufhebung so schwammig formuliert sind,
dass hier keine Rechtssicherheit besteht.

- Weiterhin besteht eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten,
sowohl bei den Bestimmungen zur Qualifikation der SeelsorgerInnen,
als - wesentlich folgenreicher - bei der Weise, wie den Muslimen eine
komplette Neustrukturierung abverlangt wird und damit die gerade
reformierten Statuten der IGGiÖ, die sich inzwischen in der Praxis
bewährt haben, einer aufgezwungenen Anpassung bedürfen. Das bringt
auch den für nächstes Jahr anstehenden Wahltermin in Schwierigkeiten.

- Die zu gründende theologische Fakultät wird im allgemeinen Teil und
nicht im spezifisch für die IGGiÖ vorgesehenen behandelt, was
zukünftige Probleme vorprogrammiert. Außerdem fehlt eine
ausdrückliche Bestimmung im eigentlichen Text (nicht ausgelagert in
die Erläuterungen) zu der erforderlichen Mitgliedschaft des
Lehrpersonals bei der IGGiÖ.

- Die Bestimmungen hinsichtlich des Verbots von Auslandsfinanzierung
bilden weiterhin eine deutliche Schlechterstellung gegenüber anderen
anerkannten Religionsgesellschaften

- Trotz einiger Bemühungen zur Klarstellung, die sich vor allem in
den Erläuterungen finden, trägt der Entwurf immer noch Züge von
generellem Misstrauen gegen Muslime.

Abgesehen von den juristisch nachweisbaren Punkten, in denen Muslime
schlechter gestellt werden, kann das Gesetz in der jetzigen Form
keineswegs die tiefe emotionale Verbundenheit mit Österreich
bewirken, wie es das Anerkennungsgesetz von 1912 ermöglichte.
Österreich begibt sich damit nach wie vor in Gefahr seinen
Modellcharakter im Umgang mit dem Islam zu verlieren.

Natürlich werden die Muslime von den Rechten, die ihnen in der
österreichischen Gesellschaft zur Verfügung stehen, Gebrauch machen,
ihre Grundrechte und die Rechtmäßigkeit des Islamgesetzes
einzufordern.
In dieser entscheidenden Phase für die Zukunft der Muslime in
Österreich ist unsere innere Einheit in der Vielfalt der muslimischen
Vereinslandschaft unsere größte Stärke.

Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich und ihre Organe
waren und sind dabei für uns unsere offizielle Organisation zur
Vertretung der religiösen Anliegen der Muslime.

1.  ATIB Türkisch Islamische Union (64 Moscheengemeinden und NGOs)
2.  Islamische Föderation in Wien (59 Moscheengemeinden und NGOs)
3.  Union islamischer Kulturzentren (43 Moscheengemeinden und NGOs)
4.  IZBA Verband Bosniakisch -Islamischen Vereine in Österreich (41 
    Moscheengemeinden und Bangladeschisches Islamisches Kulturzentrum
5.  Koordinierungsrat der Ägyptischen Gemeinde in Österreich(17 
    Moscheengemeinden und NGOs)
6.  Islamische Vereinigung Ahl-ul-beyt Österreich, Verband für 
    schiitische Vereine (12 Moscheen)
7.  Türkisch-Österreichische Föderation (23 Moscheengemeinden und 
    NGOs)
8.  Union Albanischer Muslime in Österreich (12 Moscheengemeinden und 
    NGOs)
9.  Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen
10. Liga Kultur - Verein zur Förderung des Kulturellen Austauschs und
    der Integration

Rückfragehinweis:
Yakup Gecgel
06606871680
~

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | NEF

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel