Wien (OTS) - Männer wütend und zurückgewiesen, Frauen umgänglich und
psychisch krank - eine aktuelle Studie der MedUni Wien zeigt, dass
diese Geschlechtsstereotypen vorherrschen, wenn österreichische
Tageszeitungen über Suizide berichten. Das hat weitreichende Folgen.
Beim Suizidverhalten gibt es ein deutliches Gender-Paradox: Bei
vollzogenen Suiziden lautet das Verhältnis drei Männer zu einer Frau,
bei Suizidversuchen ist es genau umgekehrt - hier kommen drei Frauen
auf einen Mann. Eine kürzlich im Top-Journal "Sex Roles" erschienene
Studie der MedUni Wien zeigt, dass sich das dafür mitverantwortliche
kulturelle Skript in der Berichterstattung österreichischer
Tageszeitungen wiederfindet.
Sichtbar werden diese geschlechtsspezifischen Unterschiede durch die
Formulierung, sowie die Art und Häufigkeit der berichteten
Suizid-Motive. Artikel über Frauensuizide fokussieren stärker auf
Umgänglichkeit, Bezug zu anderen Menschen und Motive, die im
familiären Umfeld verankert sind. Ebenso treten psychiatrische
Erkrankungen häufig als Motiv auf und werden stigmatisierend
beschrieben. Weiters kennzeichnen komplexere Sprache und vorsichtige
Ausdrucksweise die Artikel über Frauensuizide. Im Gegensatz dazu
treten in den Artikeln über Männersuizide mehr Wörter auf, die auf
Wut und Zurückweisung hindeuten. Das in Österreich ohnehin vorhandene
konservative Rollenbild wird durch diese Art der Berichterstattung
verstärkt.
Suizidrisiko ließe sich durch veränderte Berichterstattung
senken
Das ist jedoch nicht alles. Es ergibt sich daraus eine ganz konkrete
Problematik, die Studienleiterin Brigitte Eisenwort von der
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der MedUni Wien
folgendermaßen erklärt: "Psychische Erkrankungen werden
stigmatisierend beschrieben und sind außerdem allgemein
unterrepräsentiert, da sie zum Beispiel in Berichten über suizidale
Männer kaum vorkommen. Dadurch ist ein wichtiger Präventionsansatz
für österreichische Leserinnen und Leser nicht greifbar.
Psychiatrische Erkrankungen sind behandelbar. Das Suizidrisiko ließe
sich dadurch reduzieren." JournalistInnen sollten deshalb auf eine
möglichst korrekte Darstellung von Suizidalität achten und nicht auf
stereotype Darstellungen von Männern und Frauen zurückgreifen.
Elf österreichische Tageszeitungen im Fokus
Untersucht wurden aus elf österreichischen Tageszeitungen 507 Artikel
der Jahre 1997 und 2005, die einen der Begriffe Suizid, Selbstmord
und Freitod enthielten. Die Studie ist eine der ersten
Untersuchungen, die sich umfassend mit der Thematik von
genderspezifischen Mustern in der Berichterstattung über Suizid
auseinandersetzt. Erstellt wurde die richtungsweisende Studie unter
der Leitung von Brigitte Eisenwort gemeinsam mit Thomas
Niederkrotenthaler und Benedikt Till (beide vom Institut für
Sozialmedizin des Zentrums für Public Health der MedUni Wien) sowie
Barbara Hinterbuchinger von der Universitätsklinik für Psychiatrie
und Psychotherapie der MedUni Wien.
Service: Sex Roles
Eisenwort, B., Till, B., Hinterbuchinger, B. und Niederkrotenthaler,
Th.: Sociable, mentally disturbed women and angry rejected men:
Cultural scripts for the suicidal behaviour of women and men in the
Austrian print media. Sex Roles (2014)71: 246-260.
Medizinische Universität Wien - Kurzprofil
Die Medizinische Universität Wien (kurz: MedUni Wien) ist eine der
traditionsreichsten medizinischen Ausbildungs- und Forschungsstätten
Europas. Mit fast 7.500 Studierenden ist sie heute die größte
medizinische Ausbildungsstätte im deutschsprachigen Raum. Mit ihren
29 Universitätskliniken, 12 medizintheoretischen Zentren und
zahlreichen hochspezialisierten Laboratorien zählt sie auch zu den
bedeutendsten Spitzenforschungsinstitutionen Europas im
biomedizinischen Bereich. Für die klinische Forschung stehen über
48.000m2 Forschungsfläche zur Verfügung.
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