- 06.10.2014, 10:38:01
- /
- OTS0068 OTW0068
Offener Brief der Arbeitszeitgesellschaft
zum Gesetzesantrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Dr. Erwin Rasinger, Erwin Spindelberger, August Wöginger zur Änderung des Österreichischen Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes
Utl.: zum Gesetzesantrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Dr. Erwin
Rasinger, Erwin Spindelberger, August Wöginger zur Änderung
des Österreichischen Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes =
Wien (OTS) -
Sehr geehrte Herren!
Die Arbeitszeitgesellschaft ist eine interdisziplinäre
Forschungsgesellschaft zu Fragen der Arbeitszeitgestaltung
www.arbeitszeitgesellschaft.at. Die im Gesetzesantrag geplante
Absenkung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeiten ist ein
wichtiger und richtiger Schritt zur besseren Arbeitszeit für
ÄrztInnen, den wir sehr begrüßen.
Gleichzeitig erlauben wir uns, Sie auf folgenden Sachverhalt
aufmerksam zu machen:
Nach arbeitswissenschaftlich gesichertem Wissensstand erlaubt das
Krankenanstalten Arbeitszeitgesetz aber - auch nach der geplanten
Gesetzesänderung - Arbeitszeiten, die für ÄrztInnen, PatientInnen und
auch Dritte erhebliche Gefahren mit sich bringen.
Im Detail:
- Der vorliegende Vorschlag erlaubt Dienste deutlich über 13h Länge
("verlängerte Dienste").
- Von der Arbeitsbelastung her ist dazu laut Gesetzestext nur
erforderlich, dass Dienstnehmer "nicht durchgehend in Anspruch
genommen werden".
- Damit wäre eine sehr hohe Inanspruchnahme im verlängerten Dienst
zulässig (z.B. von 22h innerhalb von 25h).
- Mit Forschungsstand 2014 ist es arbeitswissenschaftlich gesichertes
Wissen, dass bei hoher Inanspruchnahme bei Diensten von über 13h
1. Fehlerquoten der Betroffenen erheblich steigen
2. Unfallrisiken erheblich zunehmen.
Daher unser Vorschlag: Es sollten zumindest Mindestanforderungen für
Erholungsmöglichkeiten gesetzlich vorgeschrieben werden:
1. Es sollten erhebliche Anteile an Zeit ohne Inanspruchnahme
vorliegen (z.B. im Schnitt mehr als 8h pro 24h Periode).
2. zusätzlich Perioden von Schlaf zumindest von den Rahmenbedingungen
her im Regelfall möglich sein (z.B. störungsfreie Perioden von mehr
als 4h in mehr als 75% der Nächte).
Selbst unter diesen Rahmenbedingungen halten wir die langen Zeiten
über 13h für problematisch und empfehlen eine wissenschaftliche
Evaluierung, ob diese Erholungsmöglichkeiten ausreichend sind.
Für Rücksprache stehen wir gerne zur Verfügung.
PD Dr. Johannes Gärtner 0676 6360746 johannes.gaertner@tuwien.ac.at
Mit besten Grüßen
Vorstand & Wissenschaftlicher Beirat der Arbeitszeitgesellschaft
Vorstand:
PD Dr. Johannes Gärtner, Technische Universität Wien, XIMES GmbH,
Wien
Dr. Céline Vetter, Channing Division of Network Medicine, Brigham and
Women's Hospital, Harvard Medical School, Boston, USA.
Dr. Anna Arlinghaus, GAWO e.V., Oldenburg, Vorstandsmitglied der
Working Time Society
PD Dr. Christoph Oberlinner, BASF Ludwigshafen
Dr. Sebastian Schief, Universität Fribourg
Wissenschaftlicher Beirat:
Dr. habil. Sonia Hornberger, AUDI AG, Ingolstadt
Dipl. Psych. Corinna Jäger, ifaa, Düsseldorf
Dr. Christine Klien, ameco health professionals GmbH
Prof. Dr. Michael Kundi, MedUni Wien
Dr. Steffen Lehndorff, Universität Duisburg-Essen
Prof. Dr. Friedhelm Nachreiner, GAWO e.V., Oldenburg
Prof. Dr. Till Roenneberg, Ludwig-Maximilians-Universität München
Prof. Dr. Norbert Semmer, Universität Bern
Prof. em. (ETH) Dr.Dr.h.c. Eberhard Ulich, iafob GmbH, Zürich
Bisheriger Text des KA-AZF
§ 4. (1) Werden Dienstnehmer/innen während der Arbeitszeit nicht
durchgehend in Anspruch genommen, können durch Betriebsvereinbarungen
längere Arbeitszeiten zugelassen werden, wenn dies aus wichtigen
organisatorischen Gründen unbedingt notwendig ist (verlängerte
Dienste). Eine Verlängerung ist nur insoweit zulässig, als die zu
erwartende Inanspruchnahme innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes
von 17 Wochen im Durchschnitt 48 Stunden pro Woche nicht
überschreitet.
(4) Bei verlängerten Diensten darf
1. die Arbeitszeit der
a) Ärzte/Ärztinnen,
b) Apotheker/innen gemäß § 1 Abs. 2 Z 10 und
c) pharmazeutische Hilfskräfte gemäß § 5 Abs. 2 des
Apothekergesetzes, soweit diese unter § 1 Abs. 1 letzter Halbsatz
fallen, 32 Stunden, bei einem verlängerten Dienst, der am Vormittag
eines Samstages oder eines Tages vor einem Feiertag beginnt, 49
Stunden,
2. die Arbeitszeit der übrigen Dienstnehmer/innen 25 Stunden,
3. die Wochenarbeitszeit innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von
17 Wochen im Durchschnitt 60 Stunden und
4. die Arbeitszeit in den einzelnen Wochen des
Durchrechnungszeitraumes 72 Stunden nicht überschreiten.
Änderungsvorschlag
3. § 4 Abs. 4 wird durch folgende Abs. 4 bis 4b ersetzt:
"(4) Wurden verlängerte Dienste nach Abs. 1 bis 3 zugelassen, darf
1. die Dauer eines verlängerten Dienstes 25 Stunden,
2. die Wochenarbeitszeit innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von
17 Wochen im Durchschnitt 48 Stunden,
3. die Arbeitszeit in den einzelnen Wochen des
Durchrechnungszeitraumes 72 Stunden nicht überschreiten.
(4a) Abweichend von Abs. 4 Z 1 darf die Dauer eines verlängerten
Dienstes von
1. Ärzten/Ärztinnen,
2. Apothekern/Apothekerinnen gemäß § 1 Abs. 2 Z 10
Bis zum 31. Dezember 2017 32 Stunden, bei einem verlängerten Dienst,
der am Vormittag eines Samstages oder eines Tages vor einem Feiertag
beginnt, 49 Stunden, und bis zum 31. Dezember 2020 für alle
verlängerten Dienste 29 Stunden nicht überschreiten.
(4b) Abweichend von Abs. 4 Z 2 kann durch Betriebsvereinbarung oder
im Einvernehmen mit der Personalvertretung zugelassen werden, dass
die durchschnittliche Wochenarbeitszeit bis zum 31. Dezember 2017 60
Stunden und bis zum 31. Dezember 2020 55 Stunden betragen kann. Eine
solche Arbeitszeitverlängerung ist darüber hinaus nur zulässig, wenn
auch der einzelne Dienstnehmer/die einzelne Dienstnehmerin im
Vorhinein schriftlich zugestimmt hat."
4. § 7 Abs. 3 lautet:
"(3) Nach verlängerten Diensten gemäß § 4 ist die folgende Ruhezeit
um jenes Ausmaß zu verlängern, um das der verlängerte Dienst 13
Stunden überstiegen hat, mindestens jedoch um elf Stunden."
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | FGG