• 19.08.2014, 21:07:22
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TIROLER TAGESZEITUNG "Leitartikel" vom 20. August 2014 von Gabriele Starck "Zweierlei Ebola"

Innsbruck (OTS) - Utl.: Der Umgang mit der Ebola-Epidemie hat
menschenverachtende Züge angenommen. In Westafrika wird nicht das
Virus bekämpft, sondern die Menschen, die es in sich tragen könnten.
Und Europa rühmt sich seiner hohen Gesundheitsstandards.

Ebola bedeutet Tod - in Afrika. Ebola erzeugt Unbehagen - überall
sonst auf der Welt. Nicht einmal die Angst, dass es einen selber
treffen könnte, sondern vielmehr die Widersprüche im Umgang der
Industrieländer mit dem Thema sind es, die ein mulmiges Gefühl
auslösen.
Glaubt man den Gesundheitsbehörden, lässt sich das Virus mit
einfachen Mitteln stoppen. Sogar Sonnenlicht und Seife können dem
Killer hiernach den Garaus machen. Dem gegenüber stehen jedoch
Hochsicherheits-Isolierstationen für Patienten, Schutzanzüge, die
beinahe Weltraumspaziergängen standhalten würden, und 20-minütige
Spezialduschen für all jene, die mit Erkrankten in Kontakt gekommen
sind. Die europäischen Hygiene- und Versorgungsstandards ließen das
Risiko für eine Ausbreitung nördlich von Afrika so auf ein Minimum
schrumpfen. Und die betroffenen Länder seien ja ohnehin keine
Urlaubsdestinationen, heißt es da. Wie beruhigend sich all das doch
anhört.
Doch gerade diese Beteuerungen müssten noch mehr Unbehagen erzeugen -
und zwar anderer Natur: das schlechte Gewissen. Und dieses wiederum
sollte das soziale aufwecken.
Sierra Leone, Liberia, Guinea und Nigeria sind Staaten, die von Armut
und politischen Wirren bis hin zu Bürgerkriegen gekennzeichnet sind.
Wirtschaftlich sind diese am Boden, die Menschen ohne Bildung und
meist ohne Arbeit. Das ist ein guter Nährboden für Seuchen (nicht nur
Ebola übrigens). Sie sind nur das Symp█tom für all das, was in diesem
Teil der Erde im Argen liegt.
Andererseits wurde die Suche nach Heilmitteln gegen das Virus bislang
alles andere als ehrgeizig angegangen. Keine der von Forschern
angedachten Therapien hat auch nur annähernd die Phase klinischer
Tests erreicht. Denn das Virus trat zu selten auf und vor allem: Es
schaffte es nicht, Afrika zu verlassen, um auf reicheren Kontinenten
zu wüten. Daher blieb der unternehmerische Anreiz aus, Millionen in
die Entwicklung von Impfstoffen oder Heilmitteln zu stecken.
Die Folge ist, dass in Westafrika nun Militär statt Medizin die
Seuche eindämmen muss. Nicht die Ursache, also das Virus, wird
bekämpft. Es wird gegen die Menschen vorgegangen, die es in sich
tragen und damit weiterverbreiten könnten - bis hin zum Schießbefehl
an den Grenzen.
Es gibt eben zweierlei Ebola - jenes, das vorübergehend beunruhigt,
und jenes, das tötet.

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | PTT

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