- 09.07.2014, 12:50:16
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Grünes Juncker-Hearing: "Nur zweimal Applaus für sehr oft sehr vagen Jean-Claude Juncker"
Überzeugend bei Lobbyregister und GMO-Zulassungen, enttäuschend bei TTIP und Fracking
Utl.: Überzeugend bei Lobbyregister und GMO-Zulassungen,
enttäuschend bei TTIP und Fracking =
Brüssel (OTS) - "Jean-Claude Junckers Antwort auf meine Frage nach
seiner Position zur Ausnahme von Sozialdienstleistungen aus den
Binnenmarkt-und Wettbewerbsregeln war eindeutig und hat den Applaus
der Grünen Fraktion verdient. Juncker stellte klar, dass die
öffentliche Daseinsvorsorge die fundamentalen Interessen von
Bürgerinnen und Bürger betrifft und deswegen nicht dem Diktat des
Binnenmarkts unterworfen werden darf. Gleichzeitig habe ich aber
konkrete Zusagen seinerseits vermisst. Die Antwort überhaupt schuldig
blieb mir Juncker auf die Frage nach dem Schutz öffentlicher
Dienstleistungen in internationalen Verträgen wie TTIP. Zu schwammig
war auch seine Positionierung zur längst notwendigen Evaluierung der
bisher erfolgten umstrittenen Liberalisierungsschritte unter
Einbeziehung von NGOs und lokalen Gebietskörperschaften. Aber
immerhin stellte er die Möglichkeit des "Zurückdrehens" überzogener
Liberalisierungsschritte in den Raum und ebenfalls begrüßenswert -
vor allem für ein Mitglied der Europäischen Volkspartei - ist sein
Bekenntnis zu Mindestlöhnen und der Einführung einer europaweiten
Arbeitslosenversicherung", kommentiert Monika Vana, Grüne
Europaabgeordnete und Mitglied im Ausschuss für Beschäftigung und
soziale Angelegenheiten, das heutige Hearing des designierten
Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, in der
Grünen/EFA-Fraktion in Brüssel.
Den ersten Applaus der Grünen hatte Juncker für seine kritische
Position zu den "unwissenschaftlichen und undemokratischen"
Zulassungsverfahren für GMO bekommen.
"Wäre Juncker in vielen anderen Punkten heute mit der gleichen
Klarheit aufgetreten, wäre ich von seiner Präsentation überzeugter.
Leider hat sich Juncker aber sehr oft verbindlich-jovial gezeigt,
sich gleichzeitig aber mit konkreten Ansagen zurück gehalten. So
schimpfte Juncker Steueroasen inklusive Luxemburg als
"Steuer-Hooligans", blieb aber konkrete Maßnahmen schuldig",
kritisiert der Grüne Europaabgeordnete Michel Reimon, der sich vor
allem auch bei den Fragen zu TTIP und Fracking eine eindeutige
Positionierung des Kandidaten zur Wahl für den Kommissionspräsidenten
gewünscht hätte.
Reimon: "Bei Fracking hat Juncker zum Beispiel versichert, dass er
die Methode kritisch sieht - und gleichzeitig klargestellt, dass eine
von ihm geführte Kommission das als Frage der Mitgliedstaaten sehen
würde. Das ist de facto ein Freibrief für die Ölindustrie. Ähnlich
verbindlich im Ton und problematisch im Detail war er in vielen
Bereichen."
Ulrike Lunacek, Delegationsleiterin der österreichischen Grünen und
Vizepräsidentin des Europaparlaments, teilt die Kritik ihrer
KollegInnen an den oft vagen Aussagen Junckers im Hearing, begrüßt
aber einige Übereinstimmungen Junckers mit für den Grünen zentralen
Punkten: "Juncker hat sich für Haushaltsdisziplin, aber gegen
exzessive Austeritätspolitik ausgesprochen - an diese Zusage werden
wir Juncker erinnern, wenn erneut ein Spardiktat a la Merkel
ausgerufen werden sollte. Und auch Junckers Bekenntnis für ein
verbindliches Lobbyregister für alle EU-Institutionen inklusive einem
legislativen Fußabdruck ist eine zentrale Grüne Forderung.
Enttäuschend war, dass er bei Flüchtlingspolitik mehr als vage blieb,
dass er bei der Mutterschutzrichtlinie nicht klar für einen Neustart
war und dass er keine europäische Gesetzesmöglichkeit bei der
Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender
sieht. Positiv war, dass er für eine europaweite Kampagne gegen
Homophobie (inkl. Finanzierung durch Kommission) eingetreten ist und
gefordert hat, dass die EU bei Rechtsstaatlichkeit und Einhaltung
europäischer Werte glaubwürdig sein muss; dabei will er sich vor
allem auf den Europarat verlassen und nicht unbedingt auf eigene
Instrumente der EU setzen.
Juncker hat selbst von sich heute gesagt, er habe Potenzial, sei aber
kein Genie. Wir Grüne werden seine Antworten auf unser Hearing jetzt
in der Fraktion diskutieren, um zu entscheiden, ob wir Juncker bei
der Wahl zum Kommissionspräsidenten kommende Woche unsere Stimmen
geben."
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