Nachprüfende Verwaltungskontrolle im Volksanwaltschaftsausschuss behandelt
Utl.: Nachprüfende Verwaltungskontrolle im
Volksanwaltschaftsausschuss behandelt =
Wien (PK) - Auf eine Ausweitung ihrer Prüfkompetenz drängten
Volksanwältin Gertrude Brinek und ihre Kollegen Günther Kräuter und
Peter Fichtenbauer heute einmal mehr im Volksanwaltschaftsausschuss
des Nationalrats. Nur wenn die Volksanwaltschaft auch Missstände bei
ausgelagerten Rechtsträgern kontrollieren dürfe, könne die
Ombudsstelle ihr Mandat, Hilfesuchenden umfassende Unterstützung zu
bieten, zufriedenstellend erfüllen, so ihr Appell an den Gesetzgeber.
Außerdem wäre dies im Interesse des Nationalrats, der so eine noch
bessere Unterstützung bei seiner Kontrolltätigkeit erhielte, ergänzte
Volksanwalt Fichtenbauer.
Dessen ungeachtet berichteten die VolksanwältInnen den Abgeordneten
heute vorrangig über die nachprüfende Verwaltungskontrolle der
Ombudseinrichtung. Die 2012 eingeführten präventiven Prüfungen zur
Gewährleistung der Menschenrechte in Einrichtungen, wo Personen
festgehalten werden, stehen erst nächste Woche zur Verhandlung,
dennoch warfen einige Mandatare die Situation in den Justizanstalten
auf. Anlassfall war die vor kurzem publik gewordene grobe
Vernachlässigung eines Gefangenen in der Strafanstalt Stein.
Volksanwältin Brinek betonte, angesichts der über 800 Häftlinge im
dortigen Strafvollzug konnten die Kommissionen der Volksanwaltschaft
bei ihren Besuchen nicht das Gespräch mit jedem einzelnen Gefangenen
aufnehmen, um diesen grauenhaften Fall zu erkennen. Die
Volksanwaltschaft habe aber als Reaktion bereits ein amtswegiges
Prüfverfahren eingeleitet, so Brinek, auch seitens des
Justizministeriums gebe es positive Signale, wie derartige Vorfälle
zukünftig zu verhindern sind.
Als Grundlage der Sitzungen diese und nächste Woche dient der
aktuelle Volksanwaltschaftsbericht, den die Abgeordneten heute
einstimmig auf kommenden Dienstag vertagten. Für 2013 wird im Bericht
ein Höchststand an Beschwerden, insgesamt 19.249, dokumentiert, wobei
allerdings nicht alle Probleme in Zusammenhang mit der öffentlichen
Verwaltung standen und daher nicht in den Aufgabenbereich der
Volksanwaltschaft fielen. Dennoch, hoben die VolksanwältInnen im
Parlament hervor, behandle man jedes Anliegen im Rahmen des Möglichen
und vor allem kostenlos. Häufig bliebe leider nach der bestehenden
Gesetzeslage keine andere Wahl, als Hilfesuchende an zuständige
Stellen wie die Schuldnerberatung, den Verein für
Konsumenteninformation oder die Rechtsanwaltskammer zu verweisen.
VolksanwältInnen wollen Kontakt mit Bevölkerung weiter intensivieren
Einhellig lobten alle Fraktionen die Volksanwaltschaft für deren
Tätigkeit, denn ihr Bericht zeige neuerlich, wie bedeutend sie als
Bestandteil des heimischen Rechtssystems sei. Überzeugt waren die
Ausschussmitglieder, die hohe Akzeptanz der Volksanwaltschaft bei
Bürgerinnen und Bürgern drücke sich deutlich in der Menge an
Kontaktaufnahmen Hilfesuchender aus. Aus dem
Volksanwaltschaftsbericht geht hervor, dass im Vorjahr 224 Sprechtage
mit rund 1.379 Vorsprachen durchgeführt wurden. Darüber hinaus
umfasste die schriftliche Korrespondenz mit der Ombudsstelle 29.210
Schriftstücke, 14.352 Briefe und E-Mails schickte die
Volksanwaltschaft an Behörden und ihre Homepage registrierte rund
100.000 Zugriffe. Zur Anmerkung von Team Stronach-Mandatarin Martina
Schenk, auffallend sei, dass laut Bericht mehr Männer als Frauen den
Kontakt mit der Volksanwaltschaft suchten, erinnerte Volksanwältin
Brinek an das Ziel der Volksanwaltschaft, eine geschlechtergerechtere
Verteilung bei den Beschwerden herzustellen. Deswegen setze man auf
Bewusstseinsschaffung über die niederschwellige
Rechtsschutzeinrichtung Volksanwaltschaft, etwa in
Frauenorganisationen oder in Berufsfeldern mit vor allem weiblichen
Beschäftigten.
8.003 der 19.249 an die Volksanwaltschaft gerichteten Beschwerden
veranlassten Österreichs Ombudseinrichtung zu formellen
Prüfverfahren. Spitzenreiter war der Bereich Innere Sicherheit mit
27% der Nachprüfungen, vor allem auf Grund langer Asylverfahren. Rund
ein Viertel entfiel auf den Sozialbereich, hier waren Beschwerden
über Pflegegeldeinstufung und Pensionszuerkennung Hauptkritikpunkte.
Schwierigkeiten in der Sachwalterschaft und mit der unabhängigen
Rechtsprechung generell wurden an den Bereich Justiz herangetragen.
Obwohl im Tätigkeitsbericht betont wird, die Volksanwaltschaft könne
keinen direkten Einfluss auf Gerichtsurteile nehmen, machten
justizielle Anliegen doch 18% des gesamten weiterverfolgten
Beschwerdeaufkommens aus. Verschleppung von Zivil- und Strafverfahren
war oftmals der Grund dafür. 9.161 Prüffälle wurden 2013
abgeschlossen und dabei 1.444 Missstände in der Verwaltung
aufgedeckt.
Volksanwalt Günther Kräuter nannte als Ursache für das verstärkte
Beschwerdeaufkommen zum einem die gesteigerte Internetnutzung,
wodurch die Beschwerdeführung sich vereinfacht habe. Zum anderen
spielten auch soziale Krisenerscheinungen, etwa im
Gesundheitsbereich, eine Rolle und nicht zuletzt trage die präventive
Prüftätigkeit zur Erhöhung der Zahl an Individualbeschwerden bei.
Trotzdem sei der Volksanwaltschaft eine rechtliche Erweiterung der
Prüfungskompetenz auf ausgegliederte Unternehmen, an denen die
öffentliche Hand Anteile hält, im Sinne der Bevölkerung wichtig.
Kräuter belegte dies mit Bedenken zur Barrierefreiheit, etwa an
sanierten Bahnhöfen; derzeit sei die Volksanwaltschaft hier von der
Bereitschaft der ÖBB abhängig, eine Prüfung zuzulassen, um
Versäumnisse zu erheben. In Vorarlberg und Tirol hätten die
Landesvolksanwaltschaften bei ausgelagerten Betrieben, die im Auftrag
des Bundeslandes tätig sind, bereits das Kontrollrecht, führte
Abgeordneter Norbert Sieber (V) dazu ins Treffen. Beim Bund bestehe
somit Nachbesserungsbedarf.
Den erneut gestiegenen Anteil an Beschwerden über zu lange
Asylverfahren thematisierte Grünen-Volksanwaltssprecher Wolfgang
Zinggl. Konkret bezog er sich auf die derzeitige Verfahrenspraxis am
Asylgerichtshof, den in seiner Funktion ab heuer das
Bundesverwaltungsgericht ablöst. Bei der neuen Aufgabenverteilung im
Asylbereich setzte daraufhin Volksanwalt Fichtenbauer in seiner
Erklärung an: Immerhin sei die Zuständigkeit über Asylverfahren bis
2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat gelegen, in weiterer Folge
habe der Asylgerichtshof 27.000 offene Verfahren übernommen, die mit
dem vorhandenen Personal nicht allzu schnell abzuarbeiten gewesen
seien. Mit der neuen Übertragung des Aufgabenbereichs Fremden- und
Asylrecht werde es vermutlich wieder zu einem Verfahrenstau kommen,
so der Volksanwalt, bis wann sich diese Problematik löse, könne er
nicht vorhersagen. Angesprochen auf skandalöse Zustände in
Asylwerberheimen, berichtete Volksanwalt Kräuter, das
Innenministerium sei dabei, für ganz Österreich einheitliche
Standards der Grundversorgung zu definieren. Das negative
Paradebeispiel in diesem Zusammenhang, die Kärntner Saualm, sei schon
geschlossen, nach Missstandsfeststellungen in burgenländischen Heimen
habe die Landesregierung Burgenland grundlegende Änderungen, unter
anderem mittels Personalaustausch, durchgeführt. Offen zeigte sich
Kräuter, AsylwerberInnen freien Arbeitsmarktzugang nach sechs Monaten
in Österreich zu gewähren, das entspreche letztlich der EU-Linie.
Aus aktuellem Anlass brachten Zinggl und NEOS-Sprecher Christoph
Vavrik den kürzlich publik gewordenen Fall eines gröblich
vernachlässigten Häftlings im Maßnahmenvollzug der Justizanstalt
Stein zur Sprache. Hinterfragt wurde von den Abgeordneten vor allem
die Effizienz der Volksanwaltschaftskontrollen und inwieweit die
Ombudseinrichtung auch systemimmanente Probleme aufdecke. Gertrude
Brinek gab zu bedenken, mehr als 8000 Häftlinge befänden sich
österreichweit im Vollzug, daher sei es den Kommissionen unmöglich
gewesen, im Rahmen ihrer Gefängnisprüfungen alle
menschenrechtswidrigen Vorkommnisse zu erheben. Vor diesem
Hintergrund habe die Volksanwaltschaft für eine nachhaltige System-
und Strukturüberprüfung aus eigenem ein amtswegiges Prüfverfahren
wegen drastischer Versorgungsmängel und möglicher Folter eingeleitet.
Sie begrüßte überdies die Pläne des Justizministers, die
Strafvollzugsdirektionen wieder in sein Ressort zurückzuholen.
Besserer Diskriminierungsschutz durch Aktionsplan Menschenrechte
erhofft
2013 hat die Volksanwaltschaft auch an die UNO über die
wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Probleme
diskriminierungsanfälliger Gruppen hierzulande Meldung erstattet,
heißt es in ihrem Bericht. Österreich sei immer noch im Rückstand bei
der Ratifizierung verschiedener Zusatzprotokolle zu UN-Konventionen,
merkte SPÖ-Abgeordnete Petra Bayr an, etwa in Verbindung mit der
Kinderrechtskonvention. Zudem beanstandete sie mangelnden
Diskriminierungsschutz im heimischen Rechtsbestand, vor allem bei
Dienstleistungen, und fragte, ob der anvisierte Nationale Aktionsplan
"Menschenrechte", den die Regierung ins Auge gefasst hat, Abhilfe
schaffen werde. Mit diesem Aktionsplan, verankert im
Regierungsprogramm, habe sich die Regierung eine anspruchsvolle
Selbstverpflichtung auferlegt, führte Volksanwalt Kräuter zunächst
aus. Sie wolle gemeinsam mit allen gesellschaftlichen
Vertretungsgruppen, von den Landesregierungen, über die Wissenschaft
und MenschenrechtskoordinatorInnen bis hin zu NGOs diesen Aktionsplan
zum Schutz der Menschrechte 2015 fertigstellen. Die Volksanwaltschaft
sei die entsprechende Plattform dafür, informierte Kräuter,
allerdings komme gerade dem Parlament eine bedeutende Rolle zu, sich
in diesen Prozess einzubringen. Da Diskriminierungsschutz den Kern
fast aller Menschenrechtsfragen bilde, sei auf dieser Grundlage
tatsächlich eine Verbesserung zu erhoffen. Ratifizierungen sollten
sich ebenso beschleunigen, zeigte er sich zuversichtlich.
Viele angeregte Novellen bleiben in der Schublade
Anregungen der Volksanwaltschaft auf Gesetzesänderungen greife die
Politik nur zögerlich auf, kritisierte Abgeordnete Schenk (T). Dem
Tätigkeitsbericht zufolge wurden bislang 11 von 129 vorliegenden
Legislativvorschlägen gesetzlich realisiert.
Obwohl Österreich über ein dichtes soziales Netz und ein gutes
Rechtsschutzsystem verfüge, gebe es doch darin Lücken, meinte
Volksanwalt Fichtenbauer. Und zwar einerseits auf Grund
verwaltungsspezifischer Mängel, andererseits weil die Gesetze
fehlerhaft seien. So sei beispielsweise im Zusammenhang mit
Bombenblindgängern die jahrelang eingeforderte gesetzliche Lösung zur
Kostenübernahme für das Aufsuchen von Kriegsmaterial nicht erbracht
worden, bestätigte Fichtenbauer den Einwurf der FPÖ-Mandatarin
Susanne Winter. Wegen dieser Gesetzeslücke sollten die Aufwendungen
für das Erheben gefährlicher Kriegsrelikte nicht auf Privatpersonen
abgewälzt werden, mahnte der Volksanwalt und er forderte zumindest
eine gesetzliche Grundlage, durch die sich Betroffene an die
öffentliche Hand zur Ortung von Blindgängern auf ihren Grundstücken
wenden können.
Über die im Zuge der Debatte unter anderem von Maria Theresia Fekter
(V) eingebrachten Probleme bei der Sachwalterschaft berate jetzt eine
Arbeitsgruppe im Justizministerium, erwiderte Volksanwältin Brinek
die Anmerkungen. Angedacht seien etwa duale Modelle, bei denen als
SachwalterInnen herangezogene RechtsanwältInnen ihre Aufgaben mit
ausgebildeten MitarbeiterInnen teilen, um auch die psychosoziale
Dimension der Betreuung entsprechend abzudecken. Hauptkritikpunkte
bei der Sachwalterschaft sind Brinek zufolge nämlich mangelhafter
Kontakt zwischen SachwalterIn und Betroffenen und auch finanzielle
Einschränkungen besachwalteter Personen.
Volksanwaltschaft exportiert demokratisches Verständnis
Als Sitz des International Ombudsman Institute (I.O.I.) vernetzt die
Volksanwaltschaft seit 2009 rund 160 unabhängige Ombudsmann-
Einrichtungen in 90 Ländern weltweit, organisiert internationale
Schulungen, beispielsweise zur Korruptionsbekämpfung, Seminare sowie
Forschungsprojekte und unterstützt mit I.O.I.-Mitgliedsbeiträgen die
Einrichtung neuer Ombudsstellen. Die internationalen Aufgaben der
Volksanwaltschaft weiteten sich immer mehr aus, resümierte Günther
Kräuter, nicht nur im Rahmen der I.O.I. Beispielsweise werde nun ein
sogenanntes Twinning-Projekt mit Mazedonien lanciert, wo
VertreterInnen der Volksanwaltschaft gemeinsam mit Mitgliedern des
Ludwig-Boltzmann-Instituts vor Ort beim Auf- und Ausbau
institutioneller Strukturen behilflich seien. Zudem gebe es
zahlreiche weitere bilaterale Kooperationen, die im Licht der
Entwicklungszusammenarbeit wichtige demokratiepolitische Beiträge
lieferten. (Schluss) rei
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