• 16.05.2014, 22:00:32
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Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 17. Mai 2014. Von ALOIS VAHRNER. "Conchitas Triumph und die Folgen".

Innsbruck (OTS) - Untertitel: Der Sensationssieg von Conchita Wurst
beim Song Contest ist nach wie vor das Diskussionsthema Nummer eins
in Österreich, wirkt aber auch weit darüber hinaus. Wie nachhaltig
der Hype ist, muss freilich erst abgewartet werden.

Eine Woche ist es jetzt her, dass die bärtige Dragqueen aus Bad
Mitterndorf, das seither scherzhaft bereits "Bart Mitterndorf"
genannt wird, den weltweit größten Musikwettbewerb gewonnen hat. Ein
Triumph, den Conchita vulgo Tom Neuwirth nur ganz wenige zugetraut
hatten. Wohl auch nicht der ORF, der nach den vorangegangenen Flops
diesmal ohne viel Basis-(Publikums-)Demokratie die
Eurovisions-Starterin bestimmt hatte. Dass eine bärtige Sängerin
Aufsehen erregen und damit nicht schlecht abschneiden wird, damit
hatten die ORF-Bosse gerechnet. Nicht aber mit dem Sieg, wie das
abrupte Ende der Live-Übertragung (Deutschland sendete noch über eine
Stunde weiter) trotz des historischen Erfolgs (48 Jahre nach
Österreichs erstem Sieg durch Udo Jürgens) belegte. Der ORF war
darauf schlicht nicht vorbereitet und zunächst fast geschockt, jetzt
selbst den zumindest 25 bis 30 Millionen teuren Song Contest 2015 auf
die Beine stellen zu müssen. Es wäre freilich höchst peinlich, wenn
ein Land, das gerade Milliarden für die Hypo Alpe Adria verbrennt, an
so einer Aufgabe scheitern würde.
Schon vor dem Song Contest sorgte Conchita Wurst für großes, auch
mediales Aufsehen, mit ihrem Sieg wuchs sich dies zur internationalen
Lawine aus. Gewonnen hat Conchita aus mehreren Gründen: weil sie mit
ihrer bombastischen Ballade "Rise Like A Phoenix" im James-Bond-Stil
eine tolle Show geboten hat, aber natürlich auch, weil sie mit ihrem
Bart Gesprächsstoff war und durch die heftige homophobe Kritik vor
allem aus Russland und einigen befreundeten Staaten zum Symbol wurde.
Europa setzte ein Zeichen für Toleranz und gegen die Hexenjagd gegen
Homosexuelle, mit Conchita konnte Russland auch für seine aggressive
Politik auf der Krim und der Ukraine) ein Denkzettel verpasst werden.
Den auch die russische Bevölkerung beim Telefon-Voting mit Platz drei
für die bärtige Österreicherin ausstellte.
Trotz aller berechtigten Freude über Österreichs unerwarteten Sieg
und vor allem die Toleranz der Europäer muss sich die Nachhaltigkeit
erst herausstellen. Für Conchita selbst, die jetzt sicher von
Talkshow zu Talkshow weitergereicht wird, zumindest was mit Blick auf
viele rasch wieder vergessene Song-Contest-Sieger ihre künstlerische
Zukunft betrifft. Auch politisch, was rechtliche und
gesellschaftliche Verbesserungen für Homosexuelle (Stichwort Adoption
oder Homo-Ehe) betrifft. Rot und Grün sehen dafür jetzt
Conchita-Rückenwind, die ÖVP taucht beim Thema lieber weg. Schwer tut
sich auch die FPÖ, der eine Gratulation zum Conchita-Sieg erst nach
Formulierungs-Pannen gelang.

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