Wien (OTS) - Der Senat 2 des Presserats beschäftigte sich in seiner
letzten Sitzung mit der Glosse "Post von Jeannée - Elendes
Niederträchtiges Pack", veröffentlicht am 10.01.2014 auf Seite 18 der
"Kronen Zeitung".
Das Verfahren wurde aufgrund von zwei Lesermitteilungen eingeleitet.
In der Kolumne werden vier einer Straftat verdächtigte junge Männer
unter anderem als "elendes, niederträchtiges Pack" und "Dreckskerle"
bezeichnet und gefragt, wie man sich fühle, "wenn einen die eigene
Gangstervisage aus der Zeitung anspringt", wobei die von einer
Überwachungskamera aufgenommenen Fotos der Betroffenen der Kolumne
beigefügt sind.
In einer Stellungnahme gegenüber der Webseite "www.derStandard.at"
gab der Autor der Kolumne an, dass er die "Aggression" der jungen
Männer in der U-Bahn darstellen wollte.
Der Senat wies zunächst auf Punkt 5.1 des Ehrenkodex für die
österreichische Presse hin, wonach jeder Mensch Anspruch auf Wahrung
der Würde der Person und auf Persönlichkeitsschutz hat.
Die Bezeichnungen "elendes, niederträchtiges Pack" und "Dreckskerle"
wertete der Senat als grobe Beleidigungen. Auch wenn der Unmut des
Autors über die den vier Abgebildeten vorgeworfenen Straftaten nach
Auffassung des Senats nachvollziehbar war, konnten damit die
abwertenden Formulierungen nicht gerechtfertigt werden. Die Vorgaben
des Ehrenkodex wurden grob missachtet, so der Senat weiter.
Der Begriff "Gangstervisage" erschien dem Senat nicht nur aus Gründen
des Persönlichkeitsschutzes problematisch: Dieser Ausdruck deutet
implizit an, dass man aufgrund von physiognomischen Merkmalen auf das
kriminelle Verhalten einer Person schließen könne.
Durch den Ausdruck "Gangstervisage" wird den vier Abgebildeten
unterstellt, Straftaten begangen zu haben, die mangels Verurteilung
noch gar nicht erwiesen sind. Im vorliegenden Kommentar ist es laut
Senat zu einer medialen Vorverurteilung der mutmaßlich straffällig
gewordenen jungen Männer gekommen. Die Betroffenen wurden durch die
Veröffentlichung ihrer Fahndungsfotos im Kontext mit den abfälligen
Äußerungen an den Medienpranger gestellt. Nach Meinung des Senats
wurde somit auch gegen das Prinzip der Unschuldsvermutung verstoßen.
SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND VON MITTEILUNGEN VON LESERN
Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen
Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und
Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der beiden
Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.
Im vorliegenden Fall hat der Senat 2 des Presserats aufgrund von
Mitteilungen einer Leserin und eines Lesers ein Verfahren
durchgeführt (selbständiges Verfahren aufgrund von Mitteilungen). In
diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob ein Artikel den
Grundsätzen der Medienethik entspricht. Von der Möglichkeit, an dem
Verfahren teilzunehmen, hat die Medieninhaberin der "Kronen Zeitung"
nicht Gebrauch gemacht.
Bisher hat sich die Medieninhaberin der "Kronen Zeitung" der
Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats nicht unterworfen und im
Verfahren keine Stellungnahme abgegeben.
Die Entscheidung im Langtext finden Sie auf der Homepage des
Presserates (www.presserat.at).
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