• 10.02.2014, 10:57:18
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"kreuz und quer" am 11. Februar: "Die Akte Galilei - Wissenschaft und Glaube"

Danach: Diskussion zum Thema "Gott im Teleskop?"

Utl.: Danach: Diskussion zum Thema "Gott im Teleskop?" =

Wien (OTS) - Vor 450 Jahren wurde Galileo Galilei geboren. Bis heute
gilt er als "Märtyrer" der freien Wissenschaft, der sich einer
fortschrittsfeindlichen Kirche mutig entgegenstellte. Stimmt nicht,
sagen jetzt Wissenschafter. "kreuz und quer" - präsentiert von Doris
Appel - geht der Sache am Dienstag, dem 11. Februar 2014, um 22.35
Uhr in ORF 2 in der Dokumentation "Die Akte Galilei - Wissenschaft
und Glaube" von Fritz Kalteis auf den Grund und fragt auch nach dem
Verhältnis von Naturwissenschaft und Glaube heute.

Die anschließende "kreuz und quer"-Diskussion zeigt ab 23.20 Uhr die
aktuellen Bruchlinien zwischen Religion und Naturwissenschaften und
deren unterschiedliche Zugänge zur Wirklichkeit: Welchen Stellenwert
hat die Frage nach Wahrheit? Darüber diskutieren unter der Leitung
von Michael Hofer der Astronom Franz Kerschbaum, der Theologe Franz
Gruber, die Experimentalphysikerin und Cern-Forscherin
Claudia-Elisabeth Wulz sowie der Kirchenhistoriker Thomas Prügl.

"Die Akte Galilei - Wissenschaft und Glaube" - Ein Film von Fritz
Kalteis

"Galilei steht im allgemeinen Bewusstsein dafür, dass die katholische
Kirche grundsätzlich in einer Gegnerschaft zur modernen
Naturwissenschaft gestanden sei und eigentlich immer noch steht",
sagt der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf, um im selben
Atemzug einzuschränken: "Die Wahrheit ist viel differenzierter." Wenn
einer die historischen Fakten zum Fall Galilei kennt, dann Wolf. Er
war der erste Wissenschafter, der das Archiv der heiligen Inquisition
der römisch-katholischen Kirche erforschen konnte - noch lange, bevor
es 1998 von Kardinal Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI.,
geöffnet wurde. Wolf hatte einen Plan: einen Bestseller über die
prominentesten Opfer der Inquisition zu schreiben. Doch daraus ist
nichts geworden: "Obwohl jeder erwartet, wenn Galileo auf dem Index
der verbotenen Bücher steht, dann muss Darwin draufstehen, wenn
Darwin draufsteht, dann Newton und Plank." Tun sie aber nicht. Der
Grund: Die Inquisition warf nicht einfach alle Naturwissenschafter in
den Kerker - im Gegenteil. "Solange ein Naturwissenschafter eine
Hypothese vertritt, kann er diese vertreten. Aber sobald einer
herging und diese naturwissenschaftliche Hypothese in einen
Zusammenhang mit der Bibel brachte, dann wurde es ein Problem."

Theorie versus Wahrheit: Genau das brachte Galileo Galilei zu Fall.
Der gläubige Christ konnte es nicht ertragen, dass seine Entdeckungen
dem Wortlaut der Bibel offensichtlich widersprachen, und wollte die
Kirche dazu bringen, ihre Auslegung der Heiligen Schrift auf die Höhe
der Zeit zu bringen. Doch damit war Galilei, der kaum eine
Gelegenheit zur Provokation seiner Gegner ausließ, zu weit gegangen.
"Wenn jeder angefangen hätte, die Bibel neu auszulegen und damit
erfolgreich gewesen wäre, hätte natürlich die Kirche die gesamte
Autorität verloren." Tatsächlich war der katholischen Kirche die
These des Kopernikus, wonach sich die Erde um die Sonne drehte und
nicht umgekehrt, längst bekannt. Jesuitische Astronomen nutzten das
kopernikanische Modell zur Neuberechnung des Kalenders. Galilei aber
glaubte, dank des Teleskops Beweise für die Wahrheit dieser These
gefunden zu haben. Doch noch war die Kirche nicht bereit zu
akzeptieren, dass die Bibel nicht wortwörtlich zu verstehen ist.

Blamage für die Kirche: Der Verlierer dieses Disputs ist die
katholische Kirche. Ihr hängt seit dem Urteil gegen Galilei der Ruf
einer grundsätzlich wissenschaftsfeindlichen Institution nach. Die
Naturwissenschaften feierten einen Siegeszug - und wurden in der Zeit
der Aufklärung selbst zu einer Art Religion hochstilisiert. "Es ist
nicht Aufgabe der Kirche, rein physikalische Sachverhalte autoritativ
zu entscheiden. Die Kirche musste das anerkennen", sagt der
Naturphilosoph Hans-Dieter Mutschler. Dieser Prozess dauerte freilich
Jahrhunderte. Erst beim Zweiten Vatikanischen Konzil verordnete sich
die römisch-katholische Kirche selbst eine Beschränkung ihrer
Kompetenzen, so Kirchenhistoriker Hubert Wolf: "Die Kirche hat keine
Kompetenz, naturwissenschaftliche Erkenntnisse als solche zu
beurteilen oder einzuschränken. Sie hat Kompetenzen in dem Bereich,
wo es um den Menschen geht, um sein Schicksal und seine Würde."

Niemand darf alles, was er kann: Genau hier liegen heute die
Berührungspunkte zwischen Naturwissenschaft und Glaube. Gemeinsam
gilt es die Frage zu beantworten, wie weit Naturwissenschaft gehen
darf, wo die Grenzen der Anwendung neuer Erkenntnisse liegen.
"Niemand darf alles tun, was er kann", sagt der Naturphilosoph
Hans-Dieter Mutschler. Deshalb entscheiden über heikle Fragen heute
oft Ethik-Kommissionen, in der auch Vertreter anerkannter
Religionsgemeinschaften ihren Platz haben. Alles eitel Wonne also
zwischen Naturwissenschaft und Glaube? Nicht unbedingt, auch wenn
heute kein seriöser Theologe mehr gegen Urknall- und
Evolutionstheorie ankämpfen dürfte. Wenn aber Hirnforscher neuerdings
selbst den menschlichen Geist und damit auch den freien Willen zu
einem Nebenprodukt der Gehirnfunktionen erklären, ist eine Grenze
überschritten: "Denn dann könne man alles vergessen", wie es
Hans-Dieter Mutschler drastisch formuliert.

"kreuz und quer"-Diskussion: "Gott im Teleskop? - Glaube und
Naturwissenschaften seit Galilei"

"Zwei Wahrheiten können sich nie widersprechen", schrieb der
italienische Philosoph, Mathematiker und Astronom Galileo Galilei und
geriet dennoch mit seinen Thesen in scharfen Konflikt mit den
kirchlichen Autoritäten. Galilei wurde vor 450 Jahren geboren - die
katholische Kirche machte erst 1992 ihren späten Frieden mit dem
unbequemen Denker durch die hochoffizielle Rehabilitierung Galileis.

"kreuz und quer" ist nach der TV-Ausstrahlung sieben Tage auf der
Video-Plattform ORF-TVthek (http://TVthek.ORF.at) als Video-on-Demand
abrufbar und steht als zeitnahe Servicewiederholung am Mittwoch im
Hauptabend auf dem Programm von ORF III Kultur und Information.

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