• 11.10.2013, 09:30:33
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  • OTS0035 OTW0035

Presserat: Zur Veröffentlichung von Bildern eines Mordopfers

Wien (OTS) - Die Veröffentlichung von Aufnahmen, die das Opfer eines
Eifersuchtsmordes mit gespreizten Beinen bzw. die Haare, viel Blut,
die blutverschmierte Hand und den blutverschmierten Fuß des Opfers
zeigen, verstößt gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse.
Bei großflächiger Verpixelung ist jedoch noch von keinem Verstoß
auszugehen.

FOTOSTRECKE AUF OE24.AT
Der Senat 2 des Presserats bewertete die Veröffentlichung von zwei
Aufnahmen eines Mordopfers in einer Fotostrecke zu dem Artikel
"Noch-Ehemann ersticht seine Frau auf der Straße" auf "www.oe24.at"
am 20.06.2013 als Verstoß gegen die Punkte 5 und 6 des Ehrenkodex für
die österreichische Presse (Persönlichkeitsschutz, Wahrung der
Intimsphäre).

BESCHREIBUNG DER AUFNAHMEN
Auf der ersten Aufnahme ist das Opfer eines Eifersuchtsmords in
Simmering zu sehen, wie es vor zwei Helfern mit gespreizten Beinen
tot auf der Straße liegt.
Auf dem zweiten Bild ist der mutmaßliche Täter mit einem Messer in
der Hand zu sehen, wie er von zwei Helfern auf dem Boden gehalten
wird. Vor ihm ist eine breite Blutspur zu erkennen, die zu der
blutverschmierten Hand und den Haaren des Opfers führt. Im linken
unteren Eck des Bildes ist das blutverschmierte Bein des Opfers zu
sehen.
Auf den beiden Bildern wurden die Wörter "Opfer", "Helfer" bzw. auch
"Täter" und "Tatwaffe" gelb hinterlegt ins Bild eingefügt und mit
Pfeilen versehen, die auf die Personen bzw. den Gegenstand weisen.

ZUM POSTMORTALEN PERSÖNLICHKEITSSCHUTZ
Die Persönlichkeit eines Menschen verdient laut Senat grundsätzlich
über den Tod hinaus Schutz. Auch bei der Abbildung eines Leichnams
sind die Grundsätze des Persönlichkeitsschutzes zu berücksichtigen.

INTIMSPHÄRE UND MENSCHENWÜRDE
Die hier von dem Medium vorgenommene Visualisierung des Opfers eines
Gewaltverbrechens ist nach Ansicht des Senats entstellend und daher
ein schwerer Eingriff in die Intimsphäre und die Menschenwürde des
Opfers. Dabei fällt ins Gewicht, dass auf der einen Aufnahme das
weibliche Opfer frontal mit gespreizten Beinen gezeigt wird und auf
der anderen Aufnahme die Haare und viel Blut des Opfers sowie dessen
blutverschmierte Hand und dessen blutverschmierter Fuß gezeigt
werden.
Besonders verwerflich empfindet der Senat die Hinweispfeile mit den
Begriffen "Opfer", "Helfer", "Täter" und "Tatwaffe".

ZUM SCHUTZ DER ANGEHÖRIGEN
Darüber hinaus wurde nach Ansicht des Senats das Pietätsgefühl der
Trauernden verletzt und ihre Trauerarbeit erschwert. Die
Veröffentlichung der Aufnahmen ist geeignet, den nahen Angehörigen
zusätzliches Leid zuzufügen.

ZUR BESONDEREN VERANTWORTUNG DER MEDIEN
Bilder entfalten eine starke Suggestivkraft, Medien kommt bei Auswahl
und Aufbereitung viel Verantwortung zu. Es scheint so, dass das
Medium hier bewusst Grenzen überschritten hat, um bei den Leserinnen
und Lesern eine Schockwirkung zu provozieren. Der Senat bewertete die
Veröffentlichung als unangemessen sensationell.

AUFNAHMEN IN DER TAGESZEITUNG "ÖSTERREICH"
Die vom Senat überprüften Aufnahmen wurden auch in der Tageszeitung
"Österreich" vom 21.06.2013 auf Seite 6 gezeigt, allerdings wurden im
Vergleich zur Fotostrecke etwas andere Bildausschnitte gewählt. Der
Senat qualifizierte die Veröffentlichung dieser Bilder ebenfalls als
Verstoß gegen den Ehrenkodex.

KEIN VERSTOSS BEI GROSSFLÄCHIGER VERPIXELUNG - KRONEN ZEITUNG
Schließlich beschäftigte sich der Senat auch noch mit einer
Bildveröffentlichung zum selben Mordfall auf Seite 12 in der "Kronen
Zeitung" vom 21.06.2013.
Auch das Bild in der "Kronen Zeitung" zeigt das Mordopfer vor den
Helfern und dem mutmaßlichen Täter mit gespreizten Beinen tot auf der
Straße liegend. Der Oberkörper und das Gesicht des Opfers sind hier
jedoch verpixelt; auch die Blutspur, die vom Opfer wegführt, ist zu
einem Großteil verpixelt.
Es sprechen zwar gute Gründe dafür, den Leichnam des Opfers dieses
Eifersuchtsmordes überhaupt nicht zu zeigen - der Senat sieht
insbesondere die grundsätzlich entwürdigende Darstellung mit
gespreizten Beinen kritisch. Aufgrund der großflächigen Verpixelung
ist der Senat jedoch bei der Bildveröffentlichung in der "Kronen
Zeitung" noch nicht von einer Verletzung des Ehrenkodex ausgegangen.

FAZIT
Zusammenfassend hält der Senat fest, dass bei einer derart schweren
Straftat und einem derart blutüberströmten Leichnam des Opfers
seitens der Medien besondere Zurückhaltung geboten ist.

KEINE VERÖFFENTLICHUNG DER ADRESSEN VON FRAUENHÄUSERN
Abschließend weist der Senat darauf hin, dass bei einigen
Medienberichten über diesen Mordfall in Simmering die Adresse des
Frauenhauses veröffentlicht wurde, in dessen Nähe der Mord geschah.
Der Senat macht die Medien darauf aufmerksam, dass die Frauenhäuser
ihre Adressen bewusst geheim halten, um die Frauen, die dort Zuflucht
suchen, entsprechend abschirmen und schützen zu können und die
öffentliche Bekanntgabe der Adresse dies untergräbt.

SELBSTÄNDIGE VERFAHREN AUS EIGENER WAHRNEHMUNG
Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen
Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und
Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der beiden
Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.
In den vorliegenden Fällen hat der Senat 2 des Presserats auf eigene
Initiative Verfahren durchgeführt (selbständige Verfahren aus eigener
Wahrnehmung). In diesen Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob
ein Artikel den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Von der
Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, haben die
Medieninhaberinnen der Webseite "www.oe24.at", der Tageszeitung
"Österreich" und der "Kronen Zeitung" nicht Gebrauch gemacht.
Bisher haben sich die Medieninhaberinnen der Webseite www.oe24.at,
der Tageszeitung "Österreich" und der "Kronen Zeitung" der
Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats nicht unterworfen und auch
keine Stellungnahme im Verfahren abgegeben.

Die Entscheidung im Langtext finden Sie unter www.presserat.at.

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | OPR

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