- 07.10.2013, 10:38:51
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Krebs: Zu wenige Strahlentherapie-Geräte - monatelange Wartezeiten
ÖÄK-Steinhart: Österreich unter Westeuropa-Niveau - Warnung vor Rationierungen
Utl.: ÖÄK-Steinhart: Österreich unter Westeuropa-Niveau - Warnung
vor Rationierungen =
Wien (OTS) - Wer in Österreich an Krebs leide, habe unter Umständen
schlechtere Karten als der durchschnittliche Westeuropäer: In vielen
Regionen fehle es an Strahlentherapie-Geräten, was zu
lebensgefährlichen Wartezeiten führen könne, warnte die
Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) am Montag bei einer
Pressekonferenz. Für ÖÄK-Vizepräsident Johannes Steinhart sei die
Strahlentherapie "ein besonders krasser Hinweis darauf, dass die
Patienten längst von jenen Rationierungen betroffen sind, vor denen
die Ärztekammer seit vielen Jahren warnt, besonders im Zusammenhang
mit der Gesundheitsreform".
"Immer öfter stehen wir Ärztinnen und Ärzte vor der Situation,
Krebskranken völlig inakzeptable Termine anbieten zu müssen, obwohl
wir wissen, dass solche Wartezeiten für diese Patienten
lebensgefährlich sein können", sagte der Obmann der ÖÄK-Fachgruppe
Radioonkologie-Strahlentherapie, Univ.-Doz. Robert Hawliczek
Hawliczek. Dabei sei die psychische Belastung für diese Patienten
noch gar nicht berücksichtigt, ergänzte der Vizepräsident der
Österreichischen Gesellschaft für Radioonkologie, Strahlenbiologie
und Medizinische Physik (ÖGRO), Univ.-Prof. Felix Sedlmayer.
Entwicklungsland Österreich - West-Ost-Gefälle
Laut Internationaler Atomenergiebehörde sei Österreich bei der
strahlenmedizinischen Versorgung ein Entwicklungsland, erklärte
Hawliczek: "Sieben Linearbeschleuniger kommen in Westeuropa
durchschnittlich auf eine Million Einwohner, bei uns gerade einmal
fünf. Gemäß Österreichischem Strukturplan Gesundheit müssten wir
sogar 64 haben, tatsächlich strampeln wir uns mit 43 Geräten ab", so
Hawliczek. Besonders schlimm seien die Engpässe in Wien,
Niederösterreich und dem Burgenland mit Wartezeiten bis zu sechs
Monaten. In Wien baue man sogar Betten ab, sodass es nur noch im AKH
Betten für schwierige Fälle gebe. Vorerst einzige gute Nachricht sei,
dass die Stadt Wien jüngst beschlossen hat, zwei zusätzliche
Linearbeschleuniger im SMZO zu installieren, womit die Wiener
Bevölkerung theoretisch ausreichend versorgt wäre. Allerdings, so der
ÖÄK-Experte: Ein Drittel der Bestrahlungspatienten kommt aus
Niederösterreich und wurde nicht mit eingerechnet. "Und bis alle
Geräte im Einsatz sind, werden noch mindestens weitere vier Jahre
vergehen."
Rasante Fortschritte - steigender Bedarf - stagnierende Ressourcen
Vierzig Prozent aller von Krebs Geheilten verdankten ihr Leben ganz
oder teilweise der Radioonkologie. Auch die Zahl der Patienten, denen
die interdisziplinäre Onkologie trotz Tumors eine gute Lebensqualität
ermögliche, sei viel höher als noch vor zehn Jahren. Das Bestrahlen
sei schmerzlos, habe geringe Nebenwirkungen und erfolge
organerhaltend, was aufwändige, oft auch verstümmelnde Eingriffe
erspare. Kaum eine andere medizinische Disziplin entwickle sich so
rasant. "Heute können auch hohe Strahlendosen präzise auf den Tumor
abgestimmt werden, bei weit gehender Schonung des umgebenden
Gewebes", sagte Univ.-Prof. Sedlmayer. Diese Fortschritte bedeuteten
aber auch mehr Aufwand "die in den 1990er-Jahren geplante
Leistungsdichte genügt nicht mehr".
Strahlentherapie wirksam, aber nicht lukrativ
Mangelnder politischer Wille ist für ÖÄK-Vizepräsident Steinhart
Hauptursache für die Engpässe, es gebe aber auch einen strukturelle
Grund: Spitäler könnten Bestrahlungen im Leistungsorientieren
Krankenanstaltenfinanzierungssystem (LKF) nicht verrechnen oder, wie
Steinhart formulierte: "Die Bestrahlung mag Patient X von seiner
Krebserkrankung heilen und mit Gerätekosten von durchschnittlich 1200
Euro pro Patient auch äußerst günstig sein - dem Spital bringt sie
kein Geld." Dass derselbe Patient bei fortschreitender Erkrankung -
z.B. wegen zu langer Wartezeit - womöglich arbeitsunfähig werde,
operiert werden müsse und so dem Gesundheits- und Sozialsystem viel
mehr Kosten verursache, fließe in die betriebswirtschaftlich
orientierten Kalkulationen der Gesundheitspolitiker leider nicht ein.
Voraussetzungen für adäquate Versorgung
Um die Erfolge der Krebsfrüherkennung nicht aufs Spiel zu setzen,
brauche es zuallererst eine länderübergreifende Finanzierung von
Geräten und qualifiziertem Personal sowie die Einführung einer
angemessenen Honorierung der Strahlentherapie im Abrechnungssystem
der Spitäler, erklärten ÖÄK-Vize Steinhart und
Radioonkologie-Fachgruppenobmann Hawliczek. Um die radioonkologische
Versorgung in Österreich auf westeuropäisches Niveau zu bringen, sei
ein bundesweiter Versorgungsplan zu erstellen. Die Umsetzung solle
sinnvollerweise in Regionen mit jeweils einem Zentrum erfolgen, mit
dem mehrere dezentrale Satelliteneinheiten zur wohnortnahen
Versorgung eng zusammenarbeiten sollten. Diese Einheiten könnten
durchaus auch kassenfinanziert sein, da sie sich auf ambulante und
routinemäßige strahlentherapeutische Leistungen konzentrieren würden.
(ar)
Info:
Vollständige Pressekonferenz-Unterlage unter
http://www.aerztekammer.at/pressekonferenzen
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