- 17.06.2013, 09:02:54
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Attac-Studie: 77 Prozent Griechenland-"Rettung" für Finanzsektor
Attac-Recherche zeigt: EU-Krisenpolitik rettet Banken, nicht die Bevölkerung
Utl.: Attac-Recherche zeigt: EU-Krisenpolitik rettet Banken, nicht
die Bevölkerung =
Wien (OTS) - Seit März 2010 haben die Europäische Union (EU) und der
Internationale Währungsfonds (IWF) in 23 Tranchen 206,9 Milliarden
Euro für die sogenannte "Griechenland-Rettung" eingesetzt. Wofür
diese große Summe öffentlicher Gelder im Detail verwendet wird,
dokumentieren die Verantwortlichen jedoch so gut wie gar nicht. Attac
hat daher nachrecherchiert: Mindestens 77 Prozent der Hilfsgelder
lassen sich direkt oder indirekt dem Finanzsektor zuordnen.
Die Ergebnisse im Detail:
- 58,2 Milliarden (28,1 Prozent) wurden für die Rekapitalisierung
griechischer Banken verwendet - anstatt den zu großen und maroden
Sektor nachhaltig umzustrukturieren und die Eigentümer der Banken für
deren Verluste haften zu lassen.
- 101,3 Milliarden (49 Prozent) kamen Gläubigern des griechischen
Staats zugute. Davon wurden 55,44 Milliarden verwendet, um
auslaufende Staatsanleihen zu bedienen - anstatt die Gläubiger das
Risiko tragen zu lassen, für das sie zuvor hohe Zinsen kassiert
hatten. Weitere 34,6 Milliarden dienten dazu, die Gläubiger für den
Schuldenschnitt im März 2012 zu gewinnen. 11,29 Milliarden wurden im
Dezember 2012 für einen Schuldenrückkauf eingesetzt, bei dem der
griechische Staat Gläubiger beinahe wertlose Anleihen abkaufte.
- 46,6 Milliarden (22,5 Prozent) flossen in den griechischen
Staatshaushalt oder konnten nicht eindeutig zugeordnet werden.
- 0,9 Milliarden (0,4 Prozent) gingen als griechischer Beitrag an den
neuen Rettungsschirm ESM.
Eine genaue Auflistung der Tranchen, ihrer Verwendung und der Quellen
unter: http://bit.ly/14cwrf5
"Das Ziel der politischen Eliten ist nicht die Rettung der
griechischen Bevölkerung, sondern die Rettung des Finanzsektors",
fasst Lisa Mittendrein von Attac die Ergebnisse zusammen: "Sie haben
Hunderte Milliarden an öffentlichen Geldern eingesetzt, um Banken und
andere Finanzakteure und vor allem deren Eigentümer vor den Folgen
der von ihnen verursachten Finanzkrise zu retten."
Politik stellt "Rettungspakete" falsch dar
Die weit verbreitete und von europäischen Politikern öffentlich
vertretene Position, dass das Geld der sogenannten "Rettungspakete"
den Menschen in Griechenland zugutekommen würde, ist damit widerlegt.
Die griechische Bevölkerung muss die Rettung von Banken und Gläubigen
vielmehr mit einer brutalen Kürzungspolitik bezahlen, die die
bekannten katastrophalen sozialen Folgen hat.
Intransparenter Umgang mit öffentlichem Geld
"Unsere Ergebnisse machen deutlich, dass das Hauptziel der
Krisenpolitik seit 2008 darin besteht, die Vermögen der Reichsten zu
schützen. Die Politik nimmt enorme Arbeitslosigkeit, Armut und Not in
Kauf - um einen Finanzsektor zu retten, der nicht zu retten ist. Auch
die österreichische Regierung trägt diesen menschenverachtenden Kurs
seit Jahren mit", ergänzt Mittendrein. Aus demokratiepolitischer
Sicht ist zudem bedenklich, dass die Verantwortlichen in Troika und
EFSF ihren Umgang mit öffentlichen Mitteln kaum dokumentieren. "Es
ist ein Skandal, dass die EU-Kommission zwar Hunderte Seiten an
Berichten veröffentlicht, aber nirgendwo auflistet, wofür das Geld
konkret verwendet wurde", erklärt Mittendrein. "Die Verantwortlichen
sind aufgefordert, für volle Transparenz zu sorgen und zu belegen,
wer von den Zahlungen tatsächlich profitiert."
Milliardär und Hedgefonds profitieren
Zu den tatsächlich Geretteten zählt etwa die Milliardärsfamilie
Latsis, eine der reichsten Familien Griechenlands, die große Teile
der staatlich geretteten "Eurobank Ergasias" besitzt.(1) Auch
Spekulanten profitierten: Der Hedgefonds Third Point streifte im Zuge
des Schuldenrückkaufs vom Dezember 2012 mit Hilfe von öffentlichen
Geldern einen Gewinn von rund 500 Millionen ein. (2) "Wenn
Kommissionspräsident Barroso sagt, die sogenannte
Griechenland-Rettung sei ein Akt der Solidarität, stellt sich die
Frage: Solidarität mit wem?", kommentiert Mittendrein. (3)
Weitere 34,6 Milliarden für Zinszahlungen
Maximal 46,6 Milliarden (22,5 Prozent) der sogenannten
"Rettungspakete" flossen in den griechischen Staatshaushalt. Dieser
Summe stehen jedoch weitere Ausgabenposten im selben Zeitraum
gegenüber, die nicht der breiten Bevölkerung zugutekommen. Mehr als
34,6 Milliarden flossen aus dem Staatshaushalt als Zinsen für
laufende Staatsanleihen erneut an Gläubiger (2. Quartal 2010 bis 4.
Quartal 2012 (4)). Zudem wendete der Staat allein in den ersten
Jahren weitere 10,2 Milliarden für Verteidigungsausgaben auf (2010
und 2011 (5)). Insidern zufolge üben die Regierungen in Berlin und
Paris Druck auf Griechenland aus, die Militärausgaben nicht zu
kürzen, da davon deutsche und französische Rüstungskonzerne betroffen
wären. (6)
Nicht die erste Bankenrettung
"Die sogenannte Griechenland-Rettung entpuppt sich bei genauerem
Hinschauen als weitere Banken- und Reichenrettung", bilanziert
Mittendrein. Man dürfe nicht vergessen, dass Europas Banken seit 2008
bereits 670 Milliarden Euro an direkter staatlicher Hilfe (ohne
Garantien) erhalten haben. (7) Der Finanzsektor Griechenlands - wie
auch Gesamteuropas - bleibt jedoch weiterhin höchst instabil. Das
zeigt nicht zuletzt die jüngste Auszahlung zweier Tranchen für
Bankenrekapitalisierungen im Umfang von 23,2 Milliarden Euro seit
Dezember 2012.
Die Politik verabsäumt notwendige Regulierung...
Der Schuldenschnitt für den griechischen Staat hat die dortigen
Banken so stark getroffen, dass der Staat sich erneut verschulden
muss, um sie mit Milliardenhilfen zu retten. "Die europäische Politik
hat es in den fünf Jahren seit dem Finanzcrash verabsäumt, die
Finanzmärkte zu regulieren und ein Bankeninsolvenzrecht zu
verabschieden. So müssen bei Verlusten weiterhin die Steuerzahler
einspringen, während die Bank-Eigentümer ungeschoren davonkommen. Die
Regierungen müssen endlich aufhören, dem Finanzsektor diese
Erpressungsmöglichkeit einzuräumen", kritisiert Mittendrein.
... und rettet korruptes griechisches Bankensystem
Verschärfend kommt hinzu, dass erneute Milliardenhilfen an die
griechischen Banken fließen, obwohl einige von ihnen die offiziellen
Bedingungen dafür nur noch mit dubiosen Mitteln erfüllen. Ein
Reuters-Bericht deckte 2012 auf, mit welchen skandalösen Praktiken
griechische Banken einander unbesicherte Kredite über ein
Pyramidenspiel mit Offshore-Firmen zuschanzten, um so den Anschein zu
erwecken, noch Zugang zu privatem Kapital zu haben und damit die
Voraussetzungen für eine staatliche Rekapitalisierung zu erfüllen.
(8) "Während die europäische und griechische Politik der breiten
Bevölkerung Blut, Schweiß und Tränen abverlangt, verschließt sie ihre
Augen gegenüber den geheimen Deals der Finanzoligarchen, die die
wahren Profiteure der Rettungsgelder sind", bestätigt Marica
Frangakis, Ökonomin am Athener Nicos-Poulantzas-Institut und
Gründungsmitglied von Attac Hellas.
Radikaler Kurswechsel überfällig
In der europäischen Krisenpolitik ist ein radikaler Kurswechsel
überfällig. "Unsere Regierungen retten Europas Banken und Reiche mit
immer neuen Milliarden an öffentlichen Mitteln und behaupten
gegenüber ihren Wählerinnen und Wählern, dass diese an die
griechische Bevölkerung fließen würden. Mit dieser Scheinheiligkeit
muss Schluss sein", fordern Mittendrein und Frangakis. Zu große und
damit "systemrelevante" Banken müssen zerteilt und die Profitlogik
durch Gemeinwohlorientierung ersetzt werden. Gläubiger und Vermögende
müssen an den Kosten der Krise gerecht beteiligt und der Finanzsektor
streng reguliert werden. "Griechenland selbst braucht nach drei
Jahren, in denen es von der aufgezwungenen Krisenpolitik zugrunde
gerichtet wurde, dringend echte Rettungspakete, die auch bei der
Bevölkerung ankommen", fasst Mittendrein zusammen.
Die Attac-Recherche hat zudem weitere bizarre Details über die
sogenannte "Griechenland-Rettung" ans Licht gebracht:
Siehe: http://bit.ly/16xFSbf
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