- 24.04.2013, 16:17:22
- /
- OTS0283 OTW0283
BKS-Entscheidung unzweifelhaft: Verletzung des öffentlich-rechtlichen Kernauftrags bestätigt
ORF-Programm aufgrund des zu großen Unterhaltungsanteils nicht ausgewogen - Tatsachen sprechen für sich: Hier wesentliche Zitate der BKS-Entscheidung
Utl.: ORF-Programm aufgrund des zu großen Unterhaltungsanteils nicht
ausgewogen - Tatsachen sprechen für sich: Hier wesentliche
Zitate der BKS-Entscheidung =
Wien (OTS) - Der Bundeskommunikationssenat (BKS) hat heute die
erstinstanzliche Entscheidung der KommAustria zur mangelnden
Ausgewogenheit des ORF-Fernsehprogramms für den Zeitraum Januar bis
August 2011 in zweiter Instanz bestätigt. Diese ging auf eine
Beschwerde des Verbands Österreichischer Privatsender (VÖP) zurück,
wonach das Fernsehprogramm des ORF nicht die gesetzlich geforderte
Ausgewogenheit aufwies. Dass der BKS die Beschwerde hinsichtlich
eines Teils des ursprünglich ausgewerteten Zeitraums abgewiesen hat,
hat lediglich formale Gründe und ändert nichts daran, dass die
inhaltliche Wertung der Behörde auch für das Jahr 2010 zutreffend
ist.
Darüber hinaus hat der BKS den Zugang der KommAustria, dass sich
aus der gesetzlichen Anordnung eines angemessenen Verhältnisses der
Kategorien zueinander eine - auch mathematisch berechenbare -
Obergrenze für eine Programmkategorie (im konkreten Fall
"Unterhaltung") ableiten lässt, vollinhaltlich bestätigt. Davon, dass
einer quantitativen Überprüfung der Ausgewogenheit
("TV-Programmierung mit der Stoppuhr") eine Absage erteilt worden
ist, kann also keine Rede sein.
Der Argumentation des ORF, dass eine rein quantitative Analyse
nicht zulässig wäre und diese durch eine inhaltliche Analyse jeder
einzelnen Sendung ergänzt werden müsse, konnten weder KommAustria
noch BKS folgen. Auch das im Berufungsverfahren vom ORF vorgelegte
Gutachten von Prof. Hannes Haas überzeugte den BKS nicht. Vielmehr
war für den BKS nicht ersichtlich, "warum der Gutachter Haas im
jüngsten 'zugunsten' des ORF vorgelegten Gutachten (...) davon
ausgeht, dass eine Einteilung in Kategorien nur im Wege detaillierter
Inhaltsanalysen möglich wäre. Solange sich derartige Zurechnungen
sachlich begründen lassen, besteht auch für eine Regulierungsbehörde
kein Anlass, eine eigene Vorstellung über den Gehalt einer
Kategorisierung zu entwickeln und dem ORF zur Einhaltung
vorzuschreiben."
Wäre eine rein quantitative Analyse nicht zulässig, so wäre diese
gesetzliche Bestimmung schlicht nicht mehr überprüfbar: "Folgte man
andererseits der (...) vertretenen Auffassung des Haas-Gutachtens
über die Unmöglichkeit der 'hinreichenden Messung' der
Auftragserfüllung in den vier einzelnen Kategorien, so führte dies
dazu, dass die 'Leistungen' des ORF gar nicht - auch nicht in der vom
Gesetzgeber offenbar intendierten 'längerfristigen
Durchschnittsbetrachtung' - dahingehend überprüfbar wären, ob sie den
Vorgaben des Gesetzes entsprechen oder nicht.", so der BKS.
Auch der vom ORF geforderten, extrem weiten Auslegung des
Kulturbegriffs schloss sich der BKS nicht an. Der BKS konnte vielmehr
"...den Gedankengang nicht nachvollziehen, warum (...) das ORF-G
zwingend von einem überaus weiten Kulturbegriff ausgehen und so auch
populäre Musik, Karneval, sonstiger Nonsens oder auch fiktionale
Serien oder Filme, wenn diese wegen ihrer Produktionsart oder ihres
Regionalbezugs gewisse soziokulturelle Bezüge aufweisen, erfasst sein
sollen."
Im Hinblick auf den Kulturbegriff geht der BKS davon aus, dass
diesem "...eine akzentuierte Bedeutung im Sinne des
'Bildungsauftrags' des ORF beizumessen ist." Der BKS gibt daher auch
hier der KommAustria recht: "Die KommAustria hat jedenfalls
zutreffend aufgezeigt, dass das vom ORF zugrunde gelegte weite
Verständnis dazu führte, dass 'im Endeffekt alle menschlichen
Leistungen und Erschaffungen und somit das gesamte Fernsehprogramm
als Kultur bezeichnet' werden müssten."
Auch im Hinblick auf die Auslegung des Begriffs Kultur ist der BKS
nicht dem Gutachten von Prof. Haas gefolgt, das sich für eine extrem
weite Auslegung des Kulturbegriffs aussprach: "Insofern lässt sich
auch - anders als dies das Haas-Gutachten nahezulegen scheint - nicht
jegliche Rock-/Pop-/Schlagermusik und auch nicht jeder
Show-Song-Contest (mag er allenfalls auch eurovisionär sein) der
(...) Kategorie Kultur zurechnen. Warum Videoclips von Peter Rapps Da
Capo zwingend für sich in Anspruch nehmen könnten, dem beschriebenen
Verständnis von Kultur zugerechnet zu werden, lässt selbst das
Haas-Gutachten (...) offen." Es kann daher, so der BKS weiter, "keine
Rede davon sein, dass die Erfassung der Tragweite des im ORF-G
verwendeten Kulturbegriffs - wie dies das Haas-Gutachten darzutun
scheint (...) - unmöglich, weil zu heterogen ist."
Die Befürchtungen des ORF im Hinblick auf geringe Marktanteile bei
zu viel Kulturinhalten weist der BKS zurück: Selbst bei einem
Kulturverständnis "im klassischen Sinn" wären auch massenattraktive
Kulturinhalte erfasst und es könne "daher keine Rede davon sein kann,
dass das Angebot des ORF zu einem mit marginalen Quoten kämpfenden
Nischenprogramm reduziert würde." Vielmehr findet der BKS "keine wie
immer gearteten Anhaltspunkte dafür (...), dass unter den Begriff
Kultur schon jegliches mehr oder minder originelle Lustspiel oder
jede Comedy zu subsumieren oder auch jegliche Darstellung der
Liebes-, Alltags- und Stadtkultur als Erfüllung des 'Kulturauftrags'
anzusehen ist."
Festzuhalten ist auch, dass der BKS die Sachverhaltsfeststellungen
der KommAustria unverändert übernommen hat. Damit basiert die
zweitinstanzliche Entscheidung des BKS im Wesentlichen auf dem von
der RTR beauftragen Gutachten von Dr. Jens Woelke.
Aufgehoben hat der BKS die Entscheidung der KommAustria, dass ORF
eins und ORF 2 keine Vollprogramme seien. In diesem Punkt setzt sich
der BKS ausführlich mit den juristischen Argumenten der KommAustria
auseinander und kommt zu einem abweichenden Ergebnis. Der VÖP wird
diese Begründung genau analysieren; es spricht viel dafür, diese für
die Programmierung der Vollprogramme des ORF essenzielle Frage von
den Höchstgerichten klären zu lassen.
Siehe zu diesem Thema auch die vorherige Presseaussendung des VÖP:
http://www.ots.at/redirect/voep1
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | VOP