- 02.04.2013, 08:53:28
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SOS Mitmensch: Justiz darf keinen Freibrief für antisemitische Hetzkarikaturen ausstellen
Experten üben scharfe Kritik an Einschätzung der Justizministerin
Utl.: Experten üben scharfe Kritik an Einschätzung der
Justizministerin =
Wien (OTS) - Rund um die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen
FPÖ-Obmann Strache wegen der Verbreitung einer antisemitischen
Hetzkarikatur herrscht weiterhin große Aufregung.
Antisemitismusexperten üben scharfe Kritik an der Erklärung von
Justizministerin Karl, wonach es sich bei Straches Facebook-Posting
nicht um Hetze gegen die "Gesamtheit der jüdischen Bevölkerung",
sondern lediglich um "Regierungskritik" gehandelt habe. SOS Mitmensch
fordert eine neuerliche Überprüfung des Falles durch die Justiz.
"Was ist antisemitische Verhetzung, wenn nicht ein kruder
kapitalistischer Ausbeuter mit einer überdimensionierten Nase? Was
ist antisemitische Verhetzung, wenn nicht die Verwendung des
Davidsterns als negatives Symbol in einer dem "Stürmer" entlehnten
Karikatur? Eine Justiz, die das nicht sieht, ist - bestenfalls -
unwissend; und schlimmstenfalls ist sie unwillig, ihre Aufgabe im
demokratischen Rechtsstaat zu erfüllen", so der
Politikwissenschaftler Anton Pelinka in einem Schreiben an SOS
Mitmensch.
Alexander Joskowicz, Experte für jüdische Geschichte und
Antisemitismus an der Vanderbilt Universität, lässt ebenfalls kein
gutes Haar an der Erklärung der Justizministerin: "Diese Karikatur
steht eindeutig in der Tradition eines Antisemitismus, in dem Juden
stellvertretend für globales Finanzkapital stehen. In dieser
Tradition werden Juden kollektiv herabgewürdigt, auch wenn das
polemische Ziel eines Textes oder einer Karikatur vorgeblich das
Finanzsystem oder die korrupte Politik ist. Mit der Begründung der
Justizministerin könnte die gesamt Geschichte eines solchen
Antisemitismus, von Alphonse Toussenels Die Juden, Könige der Epoche
von 1846 bis zum christlichsozialen Antisemitismus eines Karl Lueger
als harmlose Regierungskritik abgetan werden."
"Wir haben großen Respekt vor der Justiz, aber die Rechtfertigung
der Justizministerin für die Einstellung des Verfahrens gegen Strache
hält vor keinem Experten stand. De facto wurde ein Freibrief für die
Verbreitung antisemitischer Hetzkarikaturen ausgestellt, solange im
Begleittext nicht noch zusätzlich gegen Juden gehetzt wird. Damit
verkennt das Justizministerium vollkommen den eng verwobenen
Charakter von Karikatur und Begleittext", so Alexander Pollak,
Sprecher von SOS Mitmensch, der vor seiner Tätigkeit für die
Menschenrechtsorganisation an einer Reihe von Antisemitismusstudien
mitgewirkt hat. "Um drohenden Schaden abzuwenden, braucht es umgehend
eine nochmalige Überprüfung des Falles, diesmal allerdings unter
Einholung externer Fachgutachten, auf die bei der Erstbeurteilung
fahrlässigerweise verzichtet wurde", so Pollak.
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