• 12.03.2013, 09:49:15
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75 Jahre "Anschluss": Dokus über Rechtsextremismus in Österreich und den "Untergang Österreichs" am 13. März im ORF

Wien (OTS) - Im Rahmen des umfassenden ORF-Programmangebots zum 75.
Jahrestag des "Anschlusses" (detaillierte Infos unter presse.ORF.at)
analysiert Robert Gokl in der "Menschen & Mächte"-Dokumentation
"Trotz Verbot nicht tot" am Mittwoch, dem 13. März 2013, um 22.30 Uhr
in ORF 2 die Geschichte des Rechtsextremismus in Österreich, von den
"Werwölfen" der Nachkriegsjahre bis zu den Skinheads von heute. Um
23.20 Uhr steht Andreas Novaks "Menschen & Mächte"-Dokumentation "Der
Untergang Österreichs" auf dem Programm von ORF 2.

"Menschen & Mächte: Trotz Verbot nicht tot - Rechtsextremismus in
Österreich" (22.30 Uhr)

"Die Fremdenfeindlichkeit ist das verbindende Element der
Neonazi-Szene - von gewaltbereiten Skinheads bis hin zu
rechtsreaktionären Ideologen!" Thomas Kuban (Deckname) hat mehr als
zehn Jahre lang undercover in der Neonazi-Szene recherchiert - auch
in Österreich. Sein Befund: "Die Nazi-Szene boomt! Es gibt heute
viele Zigtausend Nazis in Europa, die in einer Art geheimer
Parallelwelt leben!" Es ist ein bizarrer Nazi-Lifestyle mit
Nazi-Musik und Nazi-Mode, der seit den 90er Jahren weltweit über das
Internet verbreitet wurde und heute auch ein lukratives Geschäft ist.
Die aktuelle Fassade einer rechtsextremen Szene, die seit 1945 immer
wieder ihr Äußeres, nie aber ihre Ideologie änderte.

Rechtsextremismus und Neonazismus sind die rassistisch-ideologische
Umsetzung der Sündenbock-Psychologie. Das wird auch anhand der
Definitionskriterien für den Rechtsextremismus deutlich, der sich wie
die braune "Mutterideologie" stark biologistisch definiert. Im
Mittelpunkt steht die eigene "Rasse", heute oft euphemistisch die
eigene "Kultur" genannt. Sie muss freigehalten werden von allem
Fremden, sonst droht "Überfremdung" und damit der Verlust der
eigenen, biologistisch definierten Identität. Zu den bisherigen
antisemitischen Stereotypen kommen seit den 80er Jahren die
"Ausländer", nach den "Gastarbeitern" vor allem Migranten aus Afrika
oder Asien als neue "Sündenböcke" hinzu.

Von antisemitischen Ausschreitungen bei der Schiller-Feier 1959 oder
den Borodajkewycz-Demonstrationen 1965 zieht sich diese rassistische
Sündenbock-Strategie über Burgers NDP, die ANR, Honsiks
Auschwitz-Lüge, Küssels Wehrsportgruppen bis zu den Skinheads der
90er Jahre. Nicht ohne Grund bekam die damalige Haider-FPÖ Applaus
von der extremen Rechten, wenn sie "fleißige Österreicher"
"ausländischen Sozialschmarotzern" gegenüberstellte und über
"Österreich zuerst" abstimmen ließ. Davon distanzierte man sich zwar
ebenso wie von Entgleisungen aus den eigenen Reihen, doch hier trafen
sich die unterschiedlich radikalen Sündenbock-Strategien. Auch der
Aussage des mittlerweile tödlich verunglückten ehemaligen Kärntner
Landeshauptmanns Jörg Haider von der "nationalen Missgeburt" wurde
breites Lob vom deutschnational-rechtsextremen Rand gezollt, ebenso
seinem Auftritt vor Waffen-SS-Veteranen in Krumpendorf.

"Es hätte Tote gegeben, entweder sie oder ich! Ich hatte nichts mehr
zu verlieren!" erinnert sich Mike an seine Zeit als Skinhead Anfang
der 90er Jahre, als er nur mehr mit Schusswaffe aus dem Haus ging -
um jederzeit für seinen Kampf gegen Ausländer, Punks oder Polizei
gerüstet zu sein. Heute engagiert er sich in der Resozialisation von
gefährdeten Jugendlichen und erzählt, wie er zum Neonazi wurde und
was ihn wieder davon wegbrachte. Thomas Punkenhofer, der
Bürgermeister von Mauthausen, berichtet, wie die Mauthausener vom
Rassismus der Vergangenheit profitierten und heute die
Sündenbock-Polemik rund um eine geplante Moschee in Mauthausen
bekämpfen.

Auch in Braunau und am Ulrichsberg haben die rechtsextremen
Traditionen der Vergangenheit längst neue Gestalt angenommen. Seit
zwei Jahrzehnten formiert und internationalisiert sich der
Rechtsextremismus über das Internet. Eine junge Generation von
Neonazis nutzt den Cyberspace zwecks Rekrutierung von Gleichgesinnten
und Demo-Organisationen. Aber auch unter gewaltbereiten Fußball-Fans
und in der Rechtsrock-Szene wird rekrutiert.

Zum 75. Jahrestag des Gedenkens an die Auslöschung Österreichs im
März 1938 und zum 50. Jahrestag der Gründung des
Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands eine Analyse
der rechtsextremen Szene Österreichs seit 1945, von rechtsradikalen
Zeitschriften wie "HALT" oder "SIEG" bis zu "alpen-donau.info" -
zwischen den USA, Deutschland und Osteuropa. Warum üben
Revisionismus, Antisemitismus und Rassismus bis heute gerade auch für
manche jungen Menschen eine Faszination aus - nach Jahrzehnten des
Verbots?

"Menschen & Mächte: Der Untergang Österreichs" (23.20 Uhr)

Der "Anschluss" Österreichs an das Dritte Reich im März 1938 ist
neben dem Untergang der Habsburger Monarchie im Jahr 1918 das
zentrale historische Ereignis des vergangenen Jahrhunderts. Folgen
und Nachwirkungen prägten die anschließende Geschichte der Zweiten
Republik und sind in vielen Familienbiografien bis heute als
irreparable Brüche präsent. Der Untergang Österreichs beendete die
ebenso akademisch wie gewaltsam geführten politischen
Auseinandersetzungen über nationale Identität, Patriotismus und
Heimatbegriff. Der Einmarsch deutscher Truppen erklärt für viele eine
nationale Identitätskrise, die ins Gründungsjahr der Ersten Republik
zurückreicht. Wirtschaftskrise und autoritärer Ständestaat
beschleunigten zwar den Anschluss. Doch nicht allein die Republik
ohne Republikaner öffnete die Türen für Hitler. Daher rückt Andreas
Novak in seiner Dokumentation "Der Untergang Österreichs" am
Mittwoch, dem 13. März, um 23.20 Uhr in ORF 2 einen weniger
beachteten Aspekt ins Zentrum der Betrachtung. Das bei den Menschen
fast aller Gesellschaftsschichten tief verankerte Bewusstsein,
Deutsche zu sein und zur deutschen Nation zu gehören.

Im Zusammenhang mit den Ereignissen rund um den Anschluss
konzentriert sich Andreas Novak auf das Vorspiel zum Untergang
Österreichs, auf die Ereignisse am 11. März 1938. Jenen Tag, an dem
Arthur Seyß-Inquart zum aus Berlin erzwungenen Bundeskanzler wurde.
Der von Göring gesteuerte Putsch machte das Land bereits
nationalsozialistisch, bevor Hitlers Wehrmacht einmarschierte. Das
telefonisch eingeleitete Ende legt nationalsozialistische
Machtpolitik auf ebenso schreckliche wie auch absurde Weise offen. Um
in den europäischen Staatskanzleien nicht den Eindruck zu erwecken,
der Einmarsch wäre eine deutsche Initiative, benötigte man am
Ballhausplatz ein staatsrechtlich-juristisches Exekutionsorgan, das
dem militärischen Gewaltakt scheinbare Legalität verleihen sollte.
Das gelang mit Kurzzeitbundeskanzler Arthur Seyß-Inquart. Listet man
die österreichischen Regierungschefs nach der Kürze ihrer Amtszeit
auf, so steht Walter Breisky mit seinem lediglich eintägigen
Gastspiel im Jänner 1922 an erster Stelle, gefolgt von Seyß-Inquart -
wenngleich mit politisch bedeutend fataleren Konsequenzen.

Wer war dieser von Hitler und Göring erzwungene Nachfolger Kurt
Schuschniggs? Welche Motive haben diesen öffentlich meist wenig
beachteten Wiener "Salon-Nazi" angetrieben? Wie erklärt sich der
absurde Widerspruch, dass Seyß-Inquart spätestens ab 1937 jener Mann
wird, um den Hitler sein Konzept der braunen Unterminierung baut,
Bundeskanzler Schuschnigg aber gleichzeitig meint, eben das könnte
Seyß-Inquart verhindern? Entsprach die am Heldenplatz proklamierte
Auslöschung Österreichs seinen politischen Vorstellungen? Diesen
Fragen versucht Novak in seiner Dokumentation nachzugehen. Sie
verschränkt die Analyse rund um Ursachen, Hintergründe und Folgen des
"Anschlusses" mit dem Aufstieg von Arthur Seyß-Inquart, mit der
langsamen Verschmelzung von "Anschluss"-Bewegung, Seyß-Inquart und
dem Ende Österreichs.

In Novaks Dokumentation berichten Zeitzeugen von den Ereignissen in
der Nacht vom 11. auf den 12. März vor dem Bundeskanzleramt. Einer
davon wollte Seyß-Inquart vom Kanzlerbalkon schießen. Ein anderer,
gleich nach dem Machtwechsel verhafteter NS-Gegner konnte aus seiner
Zelle die Reime begeisterter Massen hören, die auf Hitlers Ankunft
warteten: "Lieber Führer komm doch bald, unsere Füße sind schon
kalt." Im Rahmen der Recherchen ist es gelungen, erstmals
Filmaufnahmen zu finden, die den abgesetzten, unter Hausarrest
gestellten Kanzler Schuschnigg beim bewachten Spaziergang zeigen. Der
gesteuerte Volkszorn führte dazu, dass ein Nazitrupp versuchte, ins
Haus einzudringen, um mit Schuschnigg abzurechnen.

Erstmals wird auch ein ausländischer Zeitzeuge präsentiert: Ein
damals 16-jähriger Amerikaner, der mit seinen Eltern zu dieser Zeit
in Wien lebte. Das historisch Interessante ist nicht nur der
distanzierte, fremde und damit neutrale Blick auf das Geschehen,
sondern auch die gleichzeitige schriftliche und filmische
Dokumentation der Vorgänge. Während die Mutter Tagebuch führte,
filmte der Vater mit der 8-mm-Kamera die Verwandlung Wiens in eine
nationalsozialistische Großinszenierung.

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | NRF

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