Wien (OTS) - Anlässlich der Berichterstattung über den Strafprozess
gegen Frau Estibaliz C. gibt der Senat 1 des Presserats folgende
Grundsatzerklärung ab:
Auch bei einer Straftat, die viel öffentliche Aufmerksamkeit auf
sich zieht, ist Rücksicht auf die Persönlichkeitsinteressen einer
mutmaßlichen Täterin zu nehmen.
Im Zuge des Gerichtsverfahrens gegen Frau Estibaliz C. wurden
zahlreiche Identitätsmerkmale der Angeklagten in Medien bekannt
gegeben. Neben ihrem Bild wurde zum Teil auch ihr voller Nachname
veröffentlicht.
Der Senat 1 des Presserats betont, dass Medien auch bei einer
schwerwiegenden Straftat, der viel öffentliche Beachtung zu Teil
wird, die Anonymitätsinteressen einer mutmaßlichen Täterin
berücksichtigen müssen. Aus medienethischer Sicht ist insbesondere
auf den Bildnis- und Privatsphärenschutz hinzuweisen. Darüber hinaus
ruft der Senat auch den Schutz der Unschuldsvermutung nachdrücklich
in Erinnerung.
Die Nennung des vollen Namens einer mutmaßlichen Täterin, die
bisher nicht am öffentlichen Leben teilgenommen hat, ist für das
Verständnis der Tat nicht erforderlich und medienethisch bedenklich.
Der Senat kritisiert zudem die Verballhornung des Vornamens in
Koseform.
Allein der Umstand, dass der Fall besonders "spektakulär" oder
"dramatisch" ist, kann Eingriffe in die Persönlichkeitssphäre der
Betroffenen nicht rechtfertigen.
Für die Bekanntgabe gewisser Persönlichkeitsdetails spricht
allerdings, dass Frau Estibaliz C. sich über ihre Anwälte freiwillig
an die Öffentlichkeit gewandt hat und sich der Tatverdacht - auch
wegen ihres Geständnisses - während der Gerichtsverhandlung
verdichtet hat.
Dennoch ist der Senat der Ansicht, dass es im vorliegenden Fall zu
medienethischen Grenzüberschreitungen gekommen ist. Der Senat fordert
die Medien deshalb für die Zukunft zu einer bedachtsameren
Herangehensweise und zu mehr Zurückhaltung auf.
Abschließend noch ein Hinweis: Der Senat hat wegen eines Artikels,
in dem Gerüchte über die Teilnahme von Frau Estibaliz C. an einem
Sexfilm gebracht wurden, ein selbständiges Verfahren eingeleitet.
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