• 28.11.2012, 19:26:22
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Hearing im Justizausschuss zur Vorratsdatenspeicherung (2)

ExpertInnen hinterfragen Notwendigkeit der Datensammlung

Utl.: ExpertInnen hinterfragen Notwendigkeit der Datensammlung =

Wien (PK) - Eingeleitet wurde das Hearing im Justizausschuss zur
Bürgerinitiative "Stoppt die Vorratsdatenspeicherung" (siehe PK-Nr.
1000/2012) durch eine kurze Einleitung von Ausschussvorsitzendem
Peter Michael Ikrath. Ikrath bedauerte, dass das Hearing nicht
öffentlich stattfinden könne, da dies aufgrund der Geschäftsordnung
des Nationalrats nicht zulässig sei. Er will gemeinsam mit den
anderen Mitgliedern des Justizausschusses für künftige Fälle eine
Änderung der Geschäftsordnung anregen. Bedauern äußerte Ikrath
außerdem darüber, dass der eingeladene Vertreter der EU-Kommission
kurzfristig abgesagt habe.

Krisch: Vorratsdatenspeicherung ist massiver Eingriff in Grundrechte

Der Initiator der Bürgerinitiative Andreas Krisch wies darauf hin,
dass die Bürgerinitiative zwei wesentliche Anliegen habe: Zum einen
solle sich Österreich auf EU-Ebene für die Abschaffung der Richtlinie
zur Vorratsdatenspeicherung stark machen. Zum anderen geht es ihr um
die Evaluierung aller Überwachungsgesetze in Österreich. Krisch
wertete es als massiven Eingriff in die Grundrechte, dass die
Kommunikatiosverkehrsdaten von 500 Millionen EU-Bürgern
verdachtsunabhängig gespeichert werden. Damit wird ihm zufolge unter
anderem das Grundrecht auf Meinungs- und Informationsfreiheit, das
Grundrecht auf Familienleben und die Unschuldsvermutung verletzt.

Der EU-Kommission sei es auch mit dem Evaluierungsbericht nicht
gelungen zu belegen, dass die Vorratsdatenspeicherung notwendig sei,
sagte Krisch. So habe die EU-Kommission im Rahmen der Evaluierung
keinen Vergleich zwischen Staaten mit und ohne
Vorratsdatenspeicherung gemacht und lediglich "anekdotische
Beispiele" vorgelegt, wo sich die Nutzung von Vorratsdaten als
nützlich erwiesen habe. Was sich gezeigt habe, ist, so Krisch, dass
es in Polen extrem hohe Zugriffsraten gebe. Eine Harmonisierung der
Rechtsgrundlage in Europa sei nicht gelungen, die Richtlinie ist in
den EU-Staaten äußert unterschiedlich umgesetzt.

Krisch fürchtet, dass die Begehrlichkeiten, auf vorhandene Daten
zuzugreifen, in nächster Zeit noch zunehmen werden. Ihm zufolge
überlegt etwa das Justizministerium, zur Verfolgung von
Urheberrechtsverletzungen den Zugriff auf Vorratsdaten zu
ermöglichen. Auf EU-Ebene diskutiere man den Zugriff von
Strafverfolgungsbehörden auf Up- und Download-Daten. In einer
demokratischen Gesellschaft sei eine Vorratsdatenspeicherung zur
Bekämpfung von Terrorismus nicht notwendig, zeigte sich Krisch
zusammenfassend überzeugt.

Kilchling hinterfragt Nützlichkeit der Datensammlung

Michael Kilchling (Max Planck Institut für ausländisches und
internationales Strafrecht, Freiburg) meinte, er betrachte die
Bürgerinitiative durchaus mit Sympathie. Seiner Ansicht nach hat die
EU bei der Beschlussfassung der Richtlinie zur
Vorratsdatenspeicherung ihre Kompetenzen überschritten, da davon auch
strafprozessuale Fragen betroffen seien. Allerdings räumte er ein,
dass der EuGH in dieser Frage anders entschieden habe.

Österreich gehöre neben Schweden zu jenen Ländern, die sich bis
zuletzt gegen eine Umsetzung der Richtlinie gewehrt hätten,
skizzierte Kilchling. Nach einem Urteil des EuGH, dessen Begründung
er als "Unverschämtheit" wertete, habe man den EU-Vorgaben Rechnung
tragen müssen.

Für Kilchling stellt sich vor allem die Frage der Nützlichkeit und
der Notwendigkeit der Vorratsdatenspeicherung. Der von der
Europäischen Kommission vorgelegte Evaluierungsbericht ist seiner
Auffassung nach nutzlos, da er Verkehrs- und Vorratsdaten unzulässig
miteinander vermische und nicht alle EU-Länder abdecke. Er wies in
diesem Zusammenhang darauf hin, dass Netzbetreiber ohnehin für andere
Zwecke, etwa für die Rechnungslegung, zahlreiche Daten speichern, die
auch ohne Vorratsdatenspeicherung zur Verfügung stünden. Nach Meinung
von Kilchling gibt es vermutlich nur wenige Bereiche, etwa die
Internet-Kriminalität, wo man außer Computerdaten keine andere
Ermittlungsansätze habe.

Generell ortet Kilchling ein selektives Problembewusstsein: So
müssten Banken im Zuge der Bekämpfung von Geldwäsche sämtliche Daten
fünf Jahre auf Vorrat speichern, ohne dass dies zu Diskussionen
geführt hätte.

Tschohl: Kontrolldichte ist nicht zu unterschätzen

Christof Tschohl (Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte) wies
darauf hin, dass sein Institut damit beauftragt worden war, einen
Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur
Vorratsdatenspeicherung zu erarbeiten. Dem Institut sei klar gewesen,
dass auch bei der besten Umsetzung Grundrechtsverletzungen blieben,
dennoch habe man sich entschlossen den Auftrag anzunehmen, um der
Vorratsdatenspeicherung zumindest einige Giftzähne zu ziehen,
konstatierte er. Laut Tschohl wurde der Vorschlag des Instituts nicht
auf Punkt und Beistrich, aber doch großteils umgesetzt.

Wie Tschohl erklärte, unterstützt er dennoch die beim
Verfassungsgerichtshof eingereichte Beschwerde gegen die
Vorratsdatenspeicherung. In Österreich habe seit jeher der Grundsatz
gegolten, dass der Staat Eingriffe in Grundrechte rechtfertigen
müsse, betonte er. Mit der Vorratsdatenspeicherung werde die
Unschuldsvermutung aber massiv verletzt, die Datensammlung sei
überschießend. Man dürfe die Kontrolldichte und das
Eingriffspotenzial, das durch die Datensammlung entstünden, nicht
unterschätzen, warnte Tschohl. Wie Kilchling trat auch er für die
Überprüfung der Notwendigkeit und der Nützlichkeit der
Vorratsdatenspeicherung ein.

Kreissl: Wirkung von Anti-Terror-Gesetzen ist fraglich

Reinhard Kreissl (Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie)
bestätigte, dass es praktisch keine unabhängige Evaluation der
Vorratsdatenspeicherung gebe, wobei er die Erarbeitung eines
wissenschaftlichen Designs grundsätzlich für schwierig erachtet. Er
hinterfragte in diesem Zusammenhang generell die Wirkung von Anti-
Terror-Gesetzen, deren Erfolg seiner Ansicht nach vermutlich
vernachlässigbar sei. Zwar würden viele Ermittlungsverfahren
eingeleitet, weil die Gesetze eine "Toolbox" an Überwachungsmaßnahmen
zur Verfügung stellen, daraus würden in der Regel aber nur wenige
Anklagen und noch weniger Verurteilungen resultieren.

Kreissl appellierte in diesem Sinn an die Abgeordneten, Anti-Terror-
Gesetze nur befristet zu beschließen und regelmäßig zu evaluieren.

Hirsch: EU-Richtlinie ist überschießend

Leopold Hirsch, Präsident der Salzburger Rechtsanwaltskammer, teilte
die Auffassung, dass die EU-Richtlinie zumindest überschießend sei.
Er ortet ein Spannungsverhältnis zwischen öffentlicher Sicherheit und
individueller Freiheit und warnte in diesem Zusammenhang vor einer
Erosion der Privatsphäre. Aus Furcht, es könnte etwas passieren,
greife man zu "abstrusen Maßnahmen", klagte er. Für ihn ist es nicht
einzusehen, warum flächendeckend und anlasslos Daten von
unbescholtenen Bürgern gespeichert werden. Diese präventive
Überwachung bringe nichts und schade durch das entstehende Misstrauen
auch den staatlichen Institutionen selbst.

Singer: Datenschutzbestimmungen verhindern Missbrauch

Christian Singer, Leiter der Rechtsabteilung für den Bereich Telekom
und Post im Verkehrsministerium, erinnerte daran, dass Österreich
nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs gezwungen gewesen
sei, die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umzusetzen.
Österreich sei es gerade noch gelungen, Strafzahlungen abzuwenden,
skizzierte er. Nach massiven Bedenken an einen ersten
Begutachtungsentwurf hat das Verkehrsministerium, wie Singer
schilderte, das Boltzmann-Institut für Menschenrechte beauftragt,
einen weiteren Entwurf zu erarbeiten.

Singer betonte, dass das Verkehrsministerium großen Wert darauf
gelegt habe, nur eine Minimalvariante umzusetzen. So ist lediglich
eine sechsmonatige Speicherung der Daten vorgesehen, ein Datenzugriff
nur im Falle schwerer Straftaten möglich. Flankierend habe man
besonderen Wert auf Datenschutz gelegt und auch eine
Datensicherheitsverordnung erlassen. Diese stelle sicher, dass jeder
Datenzugriff transparent sei und Missbrauch ausgeschlossen werde.
Durch eine Datendurchlaufstelle im Bundesrechenzentrum werde etwa ein
direkter Datenzugriff von Behörden und Betreibern verhindert.

Kunnert: Grundrechtspolitische Zweifel an Vorratsdatenspeicherung

Gerhard Kunnert vom Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt gab zu
bedenken, dass schon im Vorfeld der Vorratsdatenspeicherung massive
grundrechtspolitische Zweifel hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit
der geplanten Datensammlung geäußert wurden. Die Dimension der
Vorratsdatenspeicherung reihte er plastisch "zwischen Tschernobyl und
Fukushima" ein. Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes habe
überlegt, sich einem vom irischen Höchstgericht angestrengten
Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH anzuschließen, erläuterte er,
Justiz- und Innenministerium seien aber dagegen gewesen.

Eine abschließende Beurteilung ob die Vorratsdatenspeicherung
grundrechtswidrig ist, wollte Kunnert nicht vornehmen, man müsse
diese im Kontext der Überwachungsgesetze sehen. Alles was über sechs
Monate Speicherung hinausgeht, ist ihm zufolge jedenfalls
zweifelhaft.

Souhrada-Kirchmayer: Datenspeicherung greift in Bürgerrechte ein

Eva Souhrada-Kirchmayer (Datenschutzkommission) teilte die
Auffassung, dass die Vorratsdatenspeicherung zu stark in die
Bürgerrechte eingreife, und erinnerte daran, dass die unabhängigen
Datenschutzbehörden bereits im Jahr 2002 Bedenken gegen die damals
diskutierte Datensammlung vorgebracht hätten. Sie erachtet daher die
Forderung, die EU-Richtlinie abzuschaffen als nachvollziehbar.
Zumindest Änderungen hält Souhrada-Kirchmayer für notwendig. Wenn man
die EU-Richtlinie abschaffe, müsse man gleichzeitig auch Artikel 15
der E-Privacy-Richtlinie überarbeiten, hob sie hervor.

Souhrada-Kirchmayer wies darauf hin, dass die EU-Richtlinie in den
einzelnen EU-Staaten extrem unterschiedlich umgesetzt worden sei und
daher keinen Beitrag zur Harmonisierung der Rechtslage geleistet
habe. Als Beispiel nannte sie etwa Polen, wo eine extrem lange
Speicherfrist der Daten und großzügige Datenzugriffe verankert seien.
So könnten auch Finanzämter in Polen auf Daten zugreifen.

Laut Evaluierungsbericht der EU-Kommission haben sich die
Vorratsdaten als wertvoll bei der Kriminalitätsbekämpfung erwiesen,
skizzierte Souhrada-Kirchmayer. Es sei aber nicht überzeugend
dargestellt worden, dass man mit dem Zugriff auf Vorratsdaten über
das "nice-to-have" hinaus Terrorismus und schwere Kriminalität
tatsächlich erfolgreicher bekämpfen könne. Bei der Darstellung der
Erfolge sei auch keinen Unterschied gemacht worden, ob ein
Fahndungserfolg auf die Verwendung von Vorratsdaten zurückging oder
auf andere Daten, die von Telekom-Betreibern ebenfalls gespeichert
würden.

Rechtschutzbeauftragter Strasser: Bisher 188 Abfragefälle

Der Rechtsschutzbeauftragte des Justizministeriums Gottfried Strasser
teilte den Abgeordneten mit, dass ihm bis zum gestrigen Tag 188
Abfragefälle vorgelegt worden seien. Ende Oktober waren es 168, wobei
in einem Fall ein Widerruf erfolgte. In drei dieser 168 Fälle ging es
um Mord, in 58 um schweren Diebstahl, in 14 um schweren Raub, in 20
um Stalking, in 16 um schweren Betrug, in 20 um Verstöße gegen das
Suchtmittelgesetz und in 10 um Vergewaltigungen. In 19 Fällen sei
bisher eine Aufklärung erfolgt, darunter in sieben Stalkingfällen.
Als konkretes Beispiel für eine erfolgreiche Abfrage von Vorratsdaten
nannte er etwa die Klärung eines Mordes, bei dem ein Handy geraubt
wurde.

Zusammenfassend stellte Strasser fest, trotz aller Bedenken sei die
Nutzung von Vorratsdaten ein wesentliches Mittel zur Ahndung schwerer
Kriminalität.

Burgstaller: Zugriff auf Vorratsdaten kann auch Leben retten

Der Rechtsschutzbeauftragte des Innenministeriums Manfred Burgstaller
vermutet, dass die Sicherheitsbehörden die Nutzung von Vorratsdaten
zur Abwehr von Gefahren nur selten in Anspruch nehmen werden.
Grundsätzlich könne man davon ausgehen, dass man mit den
Betriebsdaten das Auslangen finde und nur in Ausnahmefällen auf
Vorratsdaten zurückgreifen müsse, meinte er. Das belegen ihm zufolge
auch die bisherigen Daten von April bis Ende September.

Demnach wurde in diesem Zeitraum zu Präventionszwecken neun Mal auf
Vorratsdaten zurückgegriffen: vier Mal zur Eruierung einer IP-Adresse
und fünfmal zur Feststellung eines Handy-Standortes. Damit ist es
Burgstaller etwa zufolge gelungen, eine Person ausfindig zu machen,
die laufend auf Kosten eines anderen im Internet eingekauft habe.
Auch der Urheber einer Anleitung zur Anfertigung eines Bombengürtels
im Internet konnte eruiert werden. Die Handyortung ermöglichte es,
einem schwerkranken Mann zu helfen, der nicht angeben konnte wo er
sich gerade befand.

Für die genannten Fälle war der Rückgriff auf Vorratsdaten laut
Burgstaller notwendig, weil Standortdaten nicht immer als
Betriebsdaten zur Verfügung stehen.

Pilnacek: Grundrechte bleiben in Österreich gewahrt

Christian Pilnacek, Leiter der Sektion Strafrecht im
Justizministerium, hielt den Kritikern der Vorratsdatenspeicherung
entgegen, dass man die Entscheidung des EuGH zur Kenntnis nehmen
müsse. Es gebe keinen strafprozessualen Ansatzpunkt in der EU-
Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, weil diese nur die
Speicherung der Daten, aber nicht den Zugriff auf die Daten regle,
argumentierte er. Dass sich das Justizministerium dagegen
ausgesprochen hat, sich am derzeit laufenden
Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH zu beteiligen, begründete
Pilnacek damit, dass es merkwürdig wäre, wenn Österreich auf der
einen Seite vor dem Verfassungsgerichtshof die Grundrechtskonformität
der österreichischen Umsetzung der Richtlinie verteidige, auf der
anderen Seite aber beim EuGH aber Grundrechtsbedenken äußere.

Pilnacek stellte weiters klar, dass auch das deutsche
Bundesverfassungsgericht die EU-Richtlinie als per se nicht
grundrechtswidrig gewertet hat. Es habe vielmehr festgestellt, dass
es auf die Umsetzung der Richtlinie ankomme. Österreich habe diese
Umsetzungsspielräume wahrgenommen und das Möglichste getan, um die
Umsetzung grundrechtssicher zu machen, betonte der Sektionschef. Auch
der deutsche Juristentag hebt ihm zufolge die Notwendigkeit hervor,
den Strafverfolgungsbehörden die notwendigen technischen Mittel in
die Hand zu geben, um Kriminalität effizient zu bekämpfen.

Weiss: Datenaufbewahrung zum Zweck der nationalen Sicherheit erlaubt

Verena Weiss, Leiterin der Abteilung Rechtsangelegenheiten und
Datenschutz im Innenministerium, verwies darauf, dass einem EuGH-
Urteil zufolge die Datenaufbewahrung zur Aufrechterhaltung der
nationalen Sicherheit erlaubt sei. Die Frage des Zugriffs auf
Vorratsdaten in Österreich ist ihr zufolge klar determiniert.

ExpertInnen antworten auf Abgeordnetenfragen

Von Seiten der Abgeordneten stellten Johann Maier (S), Peter
Fichtenbauer (F), Albert Steinhauser (G), Herbert Scheibner (B), Eva-
Maria Himmelbauer (V) und Harald Stefan (F) zahlreiche Detailfragen.
Bürgerinitiativen-Vertreter Andreas Krisch meinte in seiner Antwort
unter anderem, er sehe gute Möglichkeiten für Österreich, in
Zusammenarbeit mit anderen europäischen Sparten auf EU-Ebene aktiv zu
werden. Man dürfe jedenfalls nicht warten, bis die EU-Kommission
einen neuen Entwurf vorlege, mahnte er.

Michael Kilchling wies darauf hin, dass das von vielen Seiten als
Alternative zur Vorratsdatenspeicherung gesehene Quick-Freeze-
Verfahren nicht in allen Fällen nütze, da Daten, die einmal gelöscht
sind, nicht eingefroren werden könnten. Angesichts der EuGH-
Entscheidung, dass für die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung
eine ausreichende Rechtsgrundlage vorgelegen ist, erachtet er einen
neuerlichen juristischen Weg auf EU-Ebene für wenig sinnvoll,
zielführender seien politische Verhandlungen.

Christof Tschohl hielt fest, nicht alle Datenspeicherungen seien
überflüssig, man müsse aber überlegen, welche Daten man am
dringendsten brauche, und von einer flächendeckenden Datenspeicherung
wegkommen. Reinhard Kreissl riet den Abgeordneten die Befürworter der
Vorratsdatenspeicherung auf den Nachweis des konkreten Nutzens
festzunageln.

Leopold Hirsch sprach sich dafür aus, im Zuge der Evaluierung aller
Überwachungsgesetze auch die Verpflichtung von Anwälten zu
überdenken, bei Geldwäscheverdacht ihre eigenen Klienten anzuzeigen.
Er erinnerte außerdem daran, dass die Vorratsdatenspeicherung mit dem
Argument der Terrorismusbekämpfung eingeführt wurde, die vom
Rechtsschutzbeauftragten des Justizministeriums geschilderten Fälle
aber nichts mit Terrorismus zu tun hätten.

Kunnert: Diskussion über Änderung der EU-Richtlinie ist eingeschlafen

Gerhard Kunnert wies darauf hin, dass der Reformprozess zur Änderung
der EU-Richtlinie ziemlich eingeschlafen sei, nachdem ein Vorstoß der
EU-Kommission bei einigen Mitgliedstaaten auf massiven Widerstand
gestoßen ist. Zum Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts
merkte er an, dieser habe nicht festgestellt, dass bezüglich der
Vorratsdatenspeicherung alles in Ordnung sei, vielmehr könne dem
Gericht zufolge die Frage des Grundrechtseingriffs nur im Gesamtpaket
mit der Umsetzung beurteilt werden. Bei der laufenden EuGH-Klage gehe
es nicht um die innerösterreichische Umsetzung der EU-Richtlinie,
sagte er, sondern um die generelle Prüfung der Verhältnismäßigkeit.

Bisher kein Hinweis auf unzulässige Datenabfragen

Eva Souhrada-Kirchmayer hielt fest, Österreich habe bei der Umsetzung
der EU-Richtlinie "ein wenig mehr hineingepackt", als unbedingt
notwendig gewesen wäre. Das Quick-Freeze-Verfahren könnte ihr zufolge
durchaus eine sinnvolle Alternative zur Vorratsdatenspeicherung sein,
da zwar manche Daten weg, aber viele doch vorhanden wären. Keinen
Hinweis hat sie darauf, dass Vorratsdaten in unzulässiger Weise
abgefragt wurden. Es gebe aber Beschwerden über die Nichtbefolgung
der Auskunftspflicht an BürgerInnen durch die Telekombetreiber. Eine
flächendeckende Überprüfung ist laut Souhrada-Kirchmayer durch die
Datenschutzkommission aufgrund von Personalmangel nicht möglich, es
sind aber stichprobenartige Überprüfungen vorgesehen.

Gottfried Strasser meinte, er könne nicht sagen, welchen Anteil die
Vorratsdaten bei der Aufklärung der von ihm genannten Delikte gehabt
haben. Beim angesprochenen Mordfall sei die Nutzung der Vorratsdaten
aber entscheidend gewesen. Auch bei Diebstählen könne man nur mit
Vorratsdaten feststellen, wer in der Nähe des Tatorts gewesen sei.
Ein Fall von Missbrauch sei ihm nicht bekannt. Auch Manfred
Burgstaller kennt keinen Missbrauchsfall, wie er festhielt.
Standortdaten sind seiner Auskunft nach häufig nur mit Vorratsdaten
zu ermitteln.

Urheberrechtsverletzungen: Justizressort arbeitet an Gesetzentwurf

Christian Pilnacek bestätigte, dass das Justizministerium an einem
Gesetzentwurf zur besseren Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen
arbeite. Es gehe dem Justizministerium nicht darum, auf Vorratsdaten
zuzugreifen, meinte er, es sei aber notwendig, den Namen und die
Adresse eines Rechtsverletzers bei Zivilrechtsklagen zu erhalten. Im
Gegensatz zu Deutschland ist es laut Pilnacek in Österreich sehr wohl
nachvollziehbar, welche Teile einer Auskunft von Telekomunternehmen
an die Strafverfolgungsbehörden sich auf Vorratsdaten und welche sich
auf Verkehrsdaten beziehen.

Verena Weiss erklärte, das Innenministerium verschließe sich einer
Diskussion über eine Überarbeitung der EU-Richtlinie nicht, habe bis
jetzt aber auf Vorschläge der Europäischen Kommission gewartet. Im
Übrigen machte sie darauf aufmerksam, dass bei der
Vorratsdatenabfrage sowohl auf Betreiber- als auch auf Abfragerseite
das Vier-Augen-Prinzip gelte und die Datenübermittlung verschlüsselt
eine Durchlaufstelle erfolge.

Justizausschuss nimmt Bürgerinitiative einstimmig zur Kenntnis

Von Seiten der Abgeordneten sprach sich Grün-Justizsprecher Albert
Steinhauser für eine Vertagung der Beratungen aus, um in Ruhe über
die Konsequenzen nachzudenken, die aus dem Hearing zu ziehen sind.
Ihm gehe es vor allem um die Erarbeitung einer gemeinsamen Position,
die Österreich dann geschlossen auf EU-Ebene vertreten solle.
Angesichts der Haltung des Justizministeriums äußerte Steinhauser
aber Zweifel, ob Österreich in Brüssel tatsächlich eine laute Stimme
zur Abschaffung der EU-Richtlinie sein wolle. Als wesentlich sieht er
außerdem eine Evaluierung aller Überwachungsgesetze. Zum von den
Koalitionsparteien eingebrachten Entschließungsantrag merkte
Steinhauser an, dieser sei keine Antwort auf die Anliegen der
Bürgerinitiative.

Abgeordneter Franz Glaser (V) gab zu bedenken, dass es insgesamt ein
großes Unbehagen über die flächendeckende Vorratsdatenspeicherung
gebe. Namens der Koalitionsparteien brachte Abgeordneter Johann Maier
(S) einen Entschließungsantrag ein, der auf die Überprüfung der
bestehenden gesetzlichen Bestimmungen nach dem Vorliegen der
Ergebnisse der beim EuGH und beim VfGH anhängigen Verfahren abzielt.
Besonderen Wert legen die Abgeordneten dabei auf den Aspekt der
Datensicherheit, insbesondere die Verhinderung des unberechtigten
Zugriffs auf gespeicherte Daten und die Kontrolle der Datenlöschung.

Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F) wertete die
Vorratsdatenspeicherung in Übereinstimmung mit vielen Experten als
überschießend und erinnerte daran, dass die FPÖ bereits vor einiger
Zeit einen Entschließungsantrag eingebracht habe, in dem sie die
Evaluierung aller bestehenden Überwachungsgesetze fordert.
Fichtenbauer fürchtet, dass mit der Kenntnisnahme der
Bürgerinitiative das Thema Vorratsdatenspeicherung wieder einschlafen
werde.

Abgeordneter Herbert Scheibner (B) unterstrich, es sei wichtig, sich
für die Beratung des sensiblen Themas ausreichend Zeit zu nehmen. Ein
"nice-to-have" rechtfertigt seiner Ansicht nach massive
Grundrechtseingriffe jedenfalls nicht.

Der Entschließungsantrag wurde bei der Abstimmung mit S-V-F-B-
Mehrheit beschlossen. Die Bürgerinitiative wurde einstimmig zur
Kenntnis genommen. (Schluss Justizausschuss)

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OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | NPA

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